UK-Missbrauchsbericht: Wie eine Epidemie
Devin Watkins und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Die . Rund 7.000 Menschen in Großbritannien haben sich als Opfer von Kindesmissbrauch seit den 50er Jahren gemeldet. In dem Bericht heißt es, dass sowohl Institutionen als auch Politiker ihren Ruf über das Wohlergehen von Kindern gestellt und Missbrauchsfälle jahrzehntelang vertuscht hätten. Weiter stellte die IICSA fest, dass viele Einrichtungen noch keine angemessenen Schutzmaßnahmen ergriffen haben. Der IICSA-Vorsitzende Alexis Jay sagte bei der Präsentation des Berichts am Donnerstag, das Ausmaß des durch die Untersuchung aufgedeckten Missbrauchs sei „schockierend und zutiefst beunruhigend".
Die umfassende Untersuchung befasste sich mit sexuellem Missbrauch von Kindern in verschiedenen Bereichen. Sie war im Juli 2014 von der damaligen britischen Innenministerin Theresa May angekündigt worden. Im Februar 2015 wurde dann die Kommission IICSA gegründet, die weitreichende rechtliche Befugnisse zur Vorladung und Zugang zu Verschlusssachen hatte. Die Kommission prüfte, wie die Institutionen des Landes ihrer Fürsorgepflicht zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch nachkamen, darunter die katholische und anglikanische Kirche, Schulen und Gesundheitseinrichtungen sowie staatliche Einrichtungen.
Der IICSA-Vorsitzende Alexis Jay erklärte zum Abschlussbericht: „Es handelt sich hier nicht nur um vergangene Fehler, die sich vor Jahrzehnten ereignet haben, sondern um ein ständig wachsendes Problem und eine nationale Epidemie."
20 Empfehlungen
Der Bericht gibt 20 Empfehlungen etwa zu Meldepflicht, Entschädigung und Einführung neuer Behörden und Maßnahmen für den Kinderschutz. So müsse die Regierung dringend ein Gesetz auf den Weg bringen, um jeden, der mit Kindern arbeitet und sexuellen Missbrauch nicht anzeigt, strafrechtlich verfolgen zu können, erklärte Jay. Zu beobachten sei eine „unangemessene Ehrerbietung" von Polizei, Staatsanwälten und Parteien gegenüber Prominenten, die des Missbrauchs beschuldigt werden. „Wir haben immer wieder gehört, dass Missbrauchsvorwürfe ignoriert, Opfern die Schuld gegeben wurde und Institutionen ihren Ruf über den Schutz von Kindern stellten", sagte Jay. Zudem werde das Problem durch die „aktuelle und künftige Bedrohung durch das Internet" verschärft.
Missbrauch im religiösen Kontext
Der Bericht bescheinigt der römisch-katholischen Kirche demnach eine „traurige Geschichte des sexuellen Missbrauchs von Kindern". Zwischen 1970 und 2015 habe es 3.000 Beschwerden und 133 Verurteilungen gegeben mit Entschädigungen in Millionenhöhe an die Opfer. In der anglikanischen Kirche von England erfolgten laut Bericht 390 Verurteilungen, die bis in die 40er Jahre zurückreichen. Opfer wurden nicht unterstützt und mutmaßliche Täter geschützt. Ein wesentlicher Grund seien die Machtstrukturen der Kirchen, in denen der Klerus oft als unantastbar galt. In anderen Religionen habe es „erhebliche Hindernisse für eine wirksame Anzeige von sexuellem Missbrauch von Kindern gegeben, einschließlich Schuldzuweisungen an das Opfer und Vorstellungen von Scham und Ehre", so die Kommission. Sekten schützten ihren Ruf, indem sie die Misshandlung von Kindern vertuschten. Bei den Zeugen Jehovas würden Vorwürfe nur dann ernst genommen, wenn es zwei Zeugen gebe, was erfahrungsgemäß selten sei.
Engagement für Missbrauchsprävention bekräftigt
Der Katholikenrat, den die Katholische Bischofskonferenz von England und Wales zur Missbrauchsaufarbeitung eingerichtet hat, würdigte die Untersuchung und betonte, den Inhalt und die Empfehlungen des Berichts zu prüfen. Er versicherte auch, dass die Kirche sich weiterhin um den Schutz aller und besonders der Schwachen bemühen werde: „Die Kirche wird nie aufhören, sich engagiert für den Schutz aller, die Mitglieder der römisch-katholischen Kirche in England und Wales sind oder mit ihr in Kontakt kommen, einzusetzen. Wir engagieren uns dafür, dass das Leben und die Arbeit der Kirche für alle sicher ist."
In der Erklärung wird auch darauf hingewiesen, dass die Kirche im Vorfeld der Veröffentlichung des IICSA-Fallstudienberichts über die Schutzmaßnahmen der Kirche, der bereits im November 2020 veröffentlicht wurde, eine eigene unabhängige Überprüfung in Auftrag gegeben habe. Die Catholic Safeguarding Standards Agency (CSSA) nahm ihre Arbeit im April 2021 auf und soll sicher stellen, dass die Schutzstandards in der Kirche in England und Wales eingehalten werden.
Die Kirche bekräftigte dabei auch ihren Wunsch, auf die Stimmen von Opfern und Überlebenden von Missbrauch zu hören: „Die Kirche bleibt verpflichtet, denjenigen, die durch die Handlungen von Kirchenmitgliedern verletzt wurden, mit Demut zuzuhören, damit ihre Erfahrungen in unsere Arbeit einfließen können." Der Katholikenrat erneuerte zudem seine „uneingeschränkte Entschuldigung" gegenüber allen Menschen, die durch Missbrauch in der Kirche in England und Wales verletzt wurden und bekräftigte sein „Engagement für die kontinuierliche Verfeinerung und Verbesserung unserer Schutzarbeit zum Schutz aller Kinder und Schwachen".
(vatican news/kna - sst)
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