Illuminati in Rom: „Und wenn es nicht stimmt, ist es gut erfunden"
Ines Schaberger – Vatikanstadt
Auch wenn Illuminati auf Deutsch „die Erleuchteten“ heiße - „Erleuchtung“ gäbe es nicht, so Johannes Fürnkranz gleich zu Beginn des Abends. Dafür einen Spaziergang zu einigen Schauplätzen des Filmes und Buches, die so viele Menschen faszinieren.
Der gebürtige Österreicher Johannes Fürnkranz leitet die Abteilung für Ehefragen in der Glaubenskongregation und ist Seelsorger in der deutschsprachigen Gemeinde in Rom. Studierende und Interessierte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz ließen sich von Wind und Regen nicht abschrecken – sie wollten wissen, was wahr ist an den Geschichten.
„Ich war sehr interessiert daran, den Geschichten auf den Grund zu gehen und zu sehen, was überhaupt wahr daran ist“, sagt Schweizergardist David S. „Mir hat das Buch ausgezeichnet gefallen, die Stadt Rom gefällt mir sowieso. Die Orte, die man unter anderen Gesichtspunkten schon betrachtet hat, mit dem Buch und der Realität zu vergleichen, ist sehr spannend“, bestätigt Isabell E., die ein Jahr in Rom studiert.
Eine Schnitzeljagd durch Rom
Die Geschichte von Film und Buch ist schnell erzählt: Der Vatikan ist bedroht. Hochexplosive Antimaterie, das sogenannte Gottesteilchen, wurde aus dem Schweizer Partikelbeschleuniger CERN gestohlen – es ist nun irgendwo auf dem Gebiet des Kirchenstaates versteckt und droht um Mitternacht in die Luft zu gehen.
Dahinter stecken die sogenannten Illuminaten, die noch dazu vier Kardinäle entführt haben, von denen sie jede Stunde einen öffentlich hinrichten wollen – mit den vier Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser. Die Orte der Hinrichtungen liegen entlang eines geheimen Illuminaten-Pfades, der quer durch Rom führt.
Symbolforscher Professor Robert Langdon (Tom Hanks) und CERN-Wissenschaftlerin Vittria Vetra (Ayelet Zurer) machen sich auf die Suche nach diesem Pfad. Dazu müssen sie die Rätsel in einer Schrift des Ur-Illuminaten Galileo Galilei entschlüsseln. Eine spannende Schnitzeljagd durch Rom beginnt...
Fake News oder künstlerische Freiheit?
„Wenn man Rom ein bisschen kennt, muss man bei vielem schmunzeln, wenn man das Buch liest und den Film sieht. Wenn man manche Orte näher betrachtet, sieht man, mit welcher künstlerischen Freiheit der Autor und auch der Regisseur des Films mit Rom und den Bräuchen hier umgehen“, erklärt Johannes Fürnkranz.
„Wenn man vor dem Brunnen steht, sieht man, dass der Sockel viel zu niedrig und die Häuser viel zu hoch sind, dass sich das wirklich ausgehen würde. Der Kardinal, der in Rom zu Tode gebracht werden soll, wird mit einem VW-Bus ganz in die Nähe des Brunnens geführt – wo allerdings in der Realität eine Absperrung ist. Das kann nicht ganz funktionieren.“
Der Kardinal wird außerdem im Brunnen versenkt – dabei ist der Brunnen auf der Piazza Navona maximal 50 Zentimeter tief. „Und dass für die Rettung des Kardinals aus diesem flachen Brunnen eine ganze Tauchaktion von Professor Langdon notwendig wird, fällt ebenso unter die künstlerische Freiheit des Autors und Regisseurs“, sagt Fürnkranz.
Ein Geheimbund auf der Suche nach Erleuchtung
Auf dem Spaziergang begegnen uns Spuren von Bernini, Papst Urban VIII und der Medici-Familie. Was haben die historischen Illuminati damit zu tun? „Gar nichts“, lautet die Antwort des Experten.
Die Illuminaten waren eine Geheimgesellschaft, die sich dem Weltbild der Aufklärung verpflichtet fühlte und die Herrschaft von Menschen über Menschen überflüssig machen wollte. Der Zirkel entstand im universitären Bereich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, hatte kurze Zeit auch politischen Einfluss – wurde aber bald zwangsaufgelöst und verlor an Bedeutung. Zahlreiche Mythen und Verschwörungstheorien über ein geheimes Fortbestehen der Illuminati halten sich jedoch hartnäckig.
Gibt es die Illuminati heute noch?
Das mache auch die Faszination für Verschwörungstheorien und Geheimbünde aus, erklärt Fürnkranz.
„Ich bin skeptisch. Dass sich das über die Jahrhunderte gehalten hätte...“, sagt Jakob K. aus Regensburg, der auf Urlaub hier ist. „Sehr wahrscheinlich gibt es sie noch. Warum sollte es sie nicht mehr geben?“, fragt hingegen David S. „Gegebenenfalls, in Auszügen“, ist Isabell E. unentschlossen.
Es wird langsam dunkel. Während wir vom Piazza del Popolo Richtung Pantheon gehen und immer mehr Stationen des Spaziergangs sehen, lerne ich, dass die Teilnehmenden sehr entspannt mit den „Fake News" in Film und Buch umgehen.
„Wenn man sein ganzes Wissen über Kirche und Theologie aus Dan Brown-Büchern hat, dann ist das sicher kein Qualitätsmerkmal. Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, findet man die Fehler – das ist ja auch spannend“, sagt der Schweizer René O.
„Solange es nicht der Anspruch des Autors ist, die Wahrheit detailliert wiederzugeben, finde ich es völlig im Rahmen der Kunstfreiheit, dass man ein bisschen etwas anpasst – wenn es nicht gegen die Würde der Beteiligten geht“, findet Malin F .
„Es ist immer spannend, der Fantasie freien Lauf zu lassen, und das kommt in Verschwörungstheorien besonders gut zum Ausdruck“, so Isabell E.
Die Kirche als Gegnerin der Wissenschaft?
Im Film wird die Kirche als die große Gegnerin der Wissenschaft dargestellt. Langdon darf zuerst nicht in das vatikanische „Geheimarchiv“, um ein seltenes Schriftstück mit der Geheimschrift von Galileo Galilei zu finden. Für Johannes Fürnkranz sind Kirche und Wissenschaft kein Widerspruch:
Aber auch im Film versöhnen sich Kirche und Wissenschaft zuletzt: Der überlebende Kardinal und neu gewählte Papst nennt sich „Lukas I“, nach dem Evangelisten, der nach der Tradition Arzt gewesen sei – also ein Wissenschaftler.
Kirschen, Kanonen und die Königin von Schweden
Eine Station des Spaziergangs ist der Medici-Palast oberhalb der spanischen Treppe. Hier hat Lucullus gewohnt, der erstmals die Kirschen nach Europa gebracht hat. Galileo Galilei war hier während seines Prozesses interniert, „allerdings nicht bei Wasser und Brot, wie es oft dargestellt wird“, so Fürnkranz. Galileo Galilei war auch kein Ur-Illuminat, wie im Film dargestellt – er starb 134 Jahre vor der Gründung des Illuminatenordens.
Als die schwedische Königin Christina zum katholischen Glauben konvertierte, musste sie ihr protestantisch geprägtes Land verlassen. In Rom wurde sie gut aufgenommen und als „Vorzeigekonvertitin" in der Gegenreformation gefeiert.
„Die Delle geht auf die Erzählung zurück, dass sie die Engelsburg besucht und sich dort gewünscht hat, dass eine Kanone abgefeuert wird. Die Kugel flog über die römische Innenstadt – und man erzählt sich, sie habe im Tor der Villa Medici eingeschlagen", schmunzelt Johannes Fürnkranz.
Im Italienischen gibt es den Spruch „Si non e vero, e ben trovato – wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden", erklärt Johannes Fürnkranz.
Das könnte auch das Fazit des Spaziergangs sein – auf den Spuren der Illuminati durch Rom.
(vatican news)
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