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Die Menschheitsgeschichte kennt Innovationsschübe, die unaufhaltsam wie ein Tsunami alles verändern – die landwirtschaftliche Revolution, die Dampfmaschine, das Internet. Und jetzt steht die Künstliche Intelligenz an. Der Untertitel des jetzt auf Deutsch erschienenen Buchs von Mustafa Suleyman sagt schon viel aus: Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts. Mustafa Suleyman ist Mitgründer von DeepMind und gehört zu den wichtigsten Kennern der neuen Technologien. Er weiß wie nur wenige andere, was KI kann... und was sie anzurichten vermag.

Nun weiß Suleyman sicherlich, wie man IT-Systeme aufbaut; aber seine Ausführungen zu Logik, Wirtschaft, Kriegsgeschichte, mittelalterlicher Geschichte und vielem mehr zeigen auch eine gewisse Unkenntnis dieser Themenbereiche und teils begrenztes Wissen. Auch ein KI-Guru weiß nun mal nicht alles. Etwas peinlich wird es, wenn er die Schlacht von Poitiers zwischen Franken und Sarazenen als Argumentationshilfe heranzieht. Offensichtlich weiß er nicht, was wirklich geschehen ist, denn streng genommen könnten die tatsächlichen Vorgänge auf dem Schlachtfeld genau das Gegenteil seiner These beweisen. In der Schlacht von Tours und Poitiers im Oktober 732 besiegten die Franken unter dem Kommando von Karl Martell die nach Gallien vorgestoßenen muslimischen Araber und stoppten deren Vormarsch im Westen.

Übertreibungen und Verdrehungen

In seinem Versuch, unser Gefühl der Dringlichkeit zu wecken, „predigt“ er außerdem ständig und übertreibt oder verdreht dabei die Tatsachen. In seinem Eifer, den Leser zu erschrecken, erwähnt er in Teil 2 und 3 die potenziellen negativen Fähigkeiten von KI-Systemen, als wären sie eine unausweichliche Bedrohung, während er in Teil 4 die für jeden Informatik-Experten offensichtlichen Abhilfemaßnahmen gegen diese lauernden Katastrophen aufzählt.

Dennoch ist die Lektüre zu empfehlen, vor allem ein aufmerksames Lesen, wenn er über technische Fakten spricht. So ist Teil 4 besonders empfehlenswert. In seinem vielgelobten Buch verortet der KI-Pionier die kommende Welle in der Geschichte der Menschheit, spielt die politischen und gesellschaftlichen Folgen der neuen Technologien durch und stellt sich dem größten Dilemma des 21. Jahrhunderts: wie wir von ihnen profitieren, ohne die Kontrolle zu verlieren.

Unser Buchtipp

Der Autor hat sich zweifelsohne große Mühe gegeben, dem Leser eine wirklich facettenreiche Analyse dessen zu liefern, was hinter den neuen Technologien steckt, bei denen die KI sicher eine Art zentrale Rolle spielt und andere neue Bereiche wie Biotechnologien und Quantencomputer hervorbringt. Was man also von der Lektüre hat, ist die Erkenntnis, dass es trotz des akribisch konstruierten Szenarios, das zuweilen erschreckend ist, wohl unerlässlich ist, etwas über die großen, sich überschneidenden techno-ökonomischen Wellen (im Stil der venezolanischen Wissenschaftlerin Carlota Perez) zu erfahren, die im Begriff sind, die Grenzen der Nationen, die Privatsphäre und die Demokratisierung des Zugangs zu Technologien mit so tiefgreifendem Potenzial weiter zu untergraben.

Noch ein Hinweis für jene, die jetzt denken, dass das Buch nur für IT-Kenner gedacht ist: Es ist kein Werk mit rein technischen Details. Es lohnt sich, auch wenn es in der Gesamtargumentation des Buches ein wenig wiederholend klingt und als Fortsetzung des jüngsten Weltwirtschaftsforums von Davos verstanden werden könnte, das dem KI-Thema gewidmet war.

Suleyman, Mustafa / Bhaskar, Michael (Übersetzung): The Coming Wave - Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts. Erschienen im C. H. Beck-Verlag 2024.

Eine Rezension von Mario Galgano.

(vatican news – mg)