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Auf den Straßen von Aleppo Auf den Straßen von Aleppo 

Syrien droht neuer Bürgerkrieg, sagt Pfarrer von Aleppo

Große Sorge angesichts der jüngsten Gewaltexzesse in Syrien mit zahlreichen auch zivilen Todesopfern hat der Gemeindepfarrer von Aleppo, P. Bahjat Elia Karakach, geäußert.

„Wieder einmal stehen die Syrer am Rande eines Bürgerkrieges", warnte der Franziskanermönch der Kustodie des Heiligen Landes gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur SIR (Samstag). Insbesondere in Regionen, die von drusischer und alawitischer Bevölkerung geprägt seien wie as-Suwaida, Dscharamana und Küstenstädten wie Dschabla, herrsche ein angespanntes Klima. Karakach rief die internationale Gemeinschaft auf, das Land nicht im Stich zu lassen.

Von Donnerstag bis Samstag wurden laut der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte über 1.000 Menschen getötet, darunter 745 Zivilisten, 125 Mitglieder der syrischen Sicherheitskräfte sowie 148 Kämpfer, die Assad loyal gegenüberstehen. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Es handle sich um die schlimmsten Gewalttaten seit Jahren, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdulrahman. Die Gewalt eskaliere weiter, da bewaffneter Widerstand gegen die offiziellen Sicherheitskräfte geleistet wird. Letztere würden laut Karakach von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt, da ihnen Gewalt und Rache an Minderheiten vorgeworfen wird.

Bei den Tätern soll es sich vor allem um ausländische Dschihadisten aus den Reihen der sunnitischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) handeln. Deren Kämpfer hatten im Dezember den syrischen Diktator Baschar al-Assad vertrieben und die Macht übernommen.

Assad und ein Großteil der gestürzten Herrschaftselite entstammen der religiösen Minderheit der Alawiten, einer Sekte mit Bezügen zum schiitischen Islam. Von Regierungsseite hieß es am Samstag, bewaffnete Anhänger Assads hätten am Donnerstag in der Küstenprovinz Latakia eine koordinierte Militäraktion gegen die Sicherheitskräfte gestartet, woraufhin letztere am Freitag größere Truppenkontingente mit Artilleriegeschützen, Panzer und Raketenwerfern dorthin verlegt habe. Beobachtern zufolge sollen dann von diesen Kräften Massaker an Zivilisten verübt worden sein.

Großmächte mischen mit

Die internationale Gemeinschaft stehe in Syrien in massiver Kritik, da sie ihrer Verantwortung gegenüber Syrien nicht gerecht wird, wie der Ordensmann P. Karakach im Interview erklärte. Das Land bleibe ein Schauplatz geopolitischer Konflikte, bei denen Großmächte um Einfluss ringen. So sei die militärischen Aktionen durch die Anhänger des alten Regimes von Akteuren wie Israel, dem Iran und Russland beeinflusst worden, die jeweils eigene Interessen in Syrien verfolgen.

Doch auch die neue Regierung unter Präsident Ahmed Al-Sharaa sehe sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie habe trotz Versprechungen keine ernsthaften Schritte unternommen, um öffentliche und faire Prozesse für Kriegsverbrecher zu gewährleisten oder eine Regierung zu bilden, die alle Teile der syrischen Gesellschaft repräsentiert. Stattdessen bleibe die Übergangsregierung über ihre Amtszeit hinaus im Amt, bestehend aus Mitgliedern mit wenig politischer Erfahrung und stark religiöser Prägung.

Die Enttäuschung über die politische Stagnation sei groß. Ein geplanter „nationaler Dialog" zur Stabilisierung des Landes blieb ergebnislos, und die Bevölkerung wartet weiterhin auf klare Aussagen der Behörden. „Die Menschen hier sind müde und wir wissen nicht mehr, wie wir ihnen Mut machen können", so der Franziskanermönch.

Kirchen fordern Frieden

Am Samstag hatten auch drei syrische Patriarchen - Johannes X. (griechisch-orthodox), Ignatius Aphrem II. (syrisch-orthodox) und Joseph Absi (melkitisch-griechisch-katholisch) in einer gemeinsamen Erklärung das an Zivilisten verurteilte „Massaker" scharf verurteilt und deren sofortiges Ende sowie Maßnahmen zu einer nationalen Versöhnung gefordert. Die Zukunft des Landes könne nur durch Gleichberechtigung, Bürgerrechte und echte Partnerschaft aller Bevölkerungsgruppen gesichert werden. „Die Kirchen fordern dringend die Schaffung von Bedingungen, die eine nationale Versöhnung fördern, und den Aufbau eines Staates, der alle seine Bürger respektiert", so die Kirchenführer. Der Geist der Vergeltung und Ausgrenzung müsse überwunden werden.

Die Patriarchen bekräftigten in ihrer Erklärung auch ihre Ablehnung jeglicher Pläne zur Teilung des Landes und betonten die territoriale Einheit Syriens. „Wir bekräftigen die Einheit Syriens und lehnen jede Form der Teilung entschieden ab", erklärten sie. Sowohl gegen ausländische Interventionen als auch gegen innerstaatliche Machtkämpfe sprachen sich die Kirchenführer aus. Alle beteiligten Akteure müssten ihrer Verantwortung gerecht werden, um den Gewaltkreislauf zu beenden und eine friedliche Lösung zu finden.

Appell des Übergangspräsidenten

Am Sonntag erneuerte Syriens Übergangspräsident al-Scharaa seinen bereits am Freitag getätigten Appell zu Frieden und Einheit im Land. „Wir müssen die nationale Einheit, den inneren Frieden so weit wie möglich bewahren und, so Gott will, werden wir in der Lage sein, in diesem Land so weit wie möglich zusammenzuleben", sagte er vor den Fernsehkameras.

(kap – gs)

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09. März 2025, 16:08