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Trump-Darstellung im koreanischen Seoul Trump-Darstellung im koreanischen Seoul  (AFP or licensors)

USA: Wie denkt Donald Trump? Und wie weit wird er gehen?

Donald Trump ist seit Montag wieder Präsident der Vereinigten Staaten – kommt es jetzt zu den von ihm angekündigten Massendeportationen illegaler Einwanderer? Wir haben einen USA-Experten um eine Einschätzung gebeten.

Das UNO-Menschenrechtsbüro erinnert den neuen Präsidenten an diesem Dienstag an die Verpflichtung der USA, die Grundfreiheiten von Migranten zu respektieren. Dazu gehöre auch das Nachsuchen um Asyl. „Alle Staaten haben das Recht, ihre internationalen Grenzen zu schützen, aber sie müssen dies im Einklang mit ihren Menschenrechtsverpflichtungen tun“, sagte eine Sprecherin des Büros der spanischen Nachrichtenagentur efe.

Alle Staaten, auch die USA, müssten „ein humanes und menschenrechtsbasiertes Grenzmanagement gewährleisten“. Migranten hätten „ein Recht auf eine individuelle Bewertung ihrer besonderen Umstände“. Kollektive Abschiebungen und willkürliche Inhaftierungen müssten vermieden werden.

„Nationaler Notstand“ an der Grenze zu Mexiko

Trump hat bei seinem Amtsantritt am Montag den „nationalen Notstand“ an der Grenze zu Mexiko ausgerufen und eine Reihe von Verordnungen erlassen. Dabei geht es um die Militarisierung an der Grenze, das Verbot der Einreise von Migranten und Asylbewerbern und die Abschiebung von mehr als elf Millionen Menschen, die ohne legalen Status in den USA leben.

Wie weit kann Trump mit seinen Plänen kommen, etwa was die Massendeportationen betrifft? Hat er freie Hand, weil diesmal ja – anders als in seiner ersten Amtszeit – Kongress wie Senat in Händen seiner Republikanischen Partei sind?

Viel Spielraum für eine konservative Agenda

„Er hat sicher viel Spielraum, um eine konservative Agenda zu entfalten“, sagt uns der französische USA-Experte Jacob Maillet. „Aber wenn es darum geht, eine etwas trumpistischere Agenda zu entfalten, ist Widerstand bereits absehbar: Nicht jeder in seiner Partei wird ihm bedingungslos gehorchen; das kann sich schon an ganz einfachen, technischen Fragen festmachen. Selbst republikanische Politiker, selbst konservative Richter können verlangen, dass die Dinge in der richtigen Reihenfolge erledigt werden, unter Einhaltung der Rechtsprechung oder der Traditionen und Konventionen der amerikanischen Demokratie. Das ist es, was Trump bremsen, was ihn einschränken kann.“

Wie weit wird Trump kommen? Fragen von Radio Vatikan an einen USA-Experten


Man müsse außerdem bedenken, dass es „Interessenkonflikte innerhalb seines Programms“ gebe. Auch das werde die Umsetzung eines eher radikalen Programms verlangsamen, so der Experte.

Allmächtig? Na ja

„Wenn man also sagt, Trump sei allmächtig, dann muss man doch das republikanische Programm ein wenig aufschlüsseln. Das heißt: Wenn es um eine traditionell konservative Agenda geht, wird er tatsächlich allmächtig sein. Sobald es jedoch um etwas Radikaleres geht – da denke ich an alles, was zur Abschiebung von Menschen ohne Papiere unternommen werden soll… Hier lässt sich schwer vorhersagen, wie genau das Gros der republikanischen Abgeordneten reagieren wird.“

Ein weiteres wichtiges Spielfeld wird die Justiz sein. In Trumps erster Amtszeit hatten Bundesgerichte Erlasse des Präsidenten zurückgewiesen, insbesondere den sogenannten ‚Muslim Ban‘. Nun gibt es zwar im Obersten Gericht mittlerweile eine republikanische oder zumindest konservative Mehrheit von 6:3; die Frage ist aber, ob die Justiz auf niedrigerer Ebene so etwas wie eine Gegenmacht darstellen kann.


Die Gerichte können ihn bremsen

„Klar ist, dass die Demokraten bereits in den Startlöchern stehen; sie haben eine ganze Reihe von Klagen eingereicht, um sich den Maßnahmen der Trump-Regierung zu widersetzen. In der Vergangenheit war das ziemlich effektiv. Das hat sich insbesondere bei dem erwähnten ‚Muslim Ban‘ gezeigt, d. h. dem Dekret des Präsidenten, das Bürgern aus einer Reihe von Ländern mit muslimischer Mehrheit die Einreise in die USA verweigern wollte. Solche Verfahren sind also ziemlich effektiv.“

Das Oberste Gericht wird dem Präsidenten bei seinen Maßnahmen voraussichtlich nicht im Weg stehen, doch seine Anrufung dürfte Trump’sche Projekte zumindest verlangsamen. Das habe man, so der Experte, ja auch damals beim „Muslim Ban“ gesehen; da hätten die Richter eine Reihe von Bedingungen diktiert und Trump damit letztlich „geholfen, das Dekret besser zu formulieren“, doch sei dabei auch ein wenig Zeit ins Land gegangen.

„Muss man von einem von Trump ernannten Richter erwarten, dass er alle Entscheidungen des Präsidenten unterstützt?“

„Was mich persönlich beunruhigt, ist, dass es im Unterschied zur ersten Amtszeit jetzt auf allen Ebenen des föderalen Apparats viel mehr von Trump ernannte Richter gibt, die im Allgemeinen radikaler sind. Wir haben ja schon in den Prozessen gegen Trump selbst erlebt, dass ein von Trump am richtigen Ort eingesetzter Richter großen Einfluss auf den Obersten Gerichtshof haben kann. Muss man von einem solchen von Trump ernannten Richter erwarten, dass er alle Entscheidungen des Präsidenten unterstützt? Oder sind das letztendlich Richter, die, auch wenn sie von Trump ernannt werden, langfristig im Amt sind und eine gewisse Form der Unabhängigkeit beanspruchen? Es wird sicher beides geben; es hängt wirklich von den einzelnen Richtern ab.“

Was das Oberste Gericht angeht, sieht zwar auch unser Experte die konservative Mehrheit unter den Richtern. Er glaubt aber, dass sie dennoch großen Wert auf ihre Unabhängigkeit legten und Trump nicht in allem folgen werden. „Jeder Richter dort ist ein hervorragender Jurist und hat seine eigene Meinung“, so Meillet. Im Übrigen tue auch der Präsident des „Supreme Court“, John Roberts, viel dafür, dass der Gerichtshof nicht parteiisch wirkt, „um die Institution und ihre Glaubwürdigkeit nicht langfristig zu gefährden“.


Antidemokratisches Projekt?

Vor allem zum Schluss von Trumps erster Amtszeit hat die ganze Weltöffentlichkeit gesehen, dass er sich über demokratische Normen hinwegsetzt – Beispiel: der Sturm auf das Kapitol. Die Frage ist: Hat er ein antidemokratisches Projekt oder ein Projekt, das alle Machtgleichgewichte, wie sie heute in den USA bestehen, untergraben könnte? Unser Experte wägt da ab.

„Was die Schädigung der amerikanischen Institutionen, der Institutionen im verfassungsrechtlichen Sinne angeht, bezweifle ich, dass Trump eine Bedrohung darstellt. Aber da gibt es noch eine zweite Ebene: die der Machtausübung, und was man unter Konventionen versteht. Trump hat hier eindeutig ein Projekt, das auf eine Maximierung der exekutiven Gewalt abzielt. Er wird viel mehr Einfluss auf die Einrichtungen der Bundesregierung nehmen, um ein ziemlich radikales Programm umzusetzen, sei es im Bereich der Umwelt oder der Gesundheit und natürlich auch im Zusammenhang mit der Einwanderung.“


Der neue Ethno-Nationalismus

Wenn man bei der Definition von Demokratie auch Rechtsstaatlichkeit, Rechte und grundlegende Normen miteinbeziehe, dann könne man durchaus sagen, dass Trump sehr weit gehen und rote Linien überschreiten werde. Etwa im Bereich der Pressefreiheit; hier werde Trump voraussichtlich im Interesse der großen Internetkonzerne Mauern einreißen.

„Es ist bekannt, dass Trump eine Art Dealmaker ist, der gerne Geschäfte macht, also mit Industriekapitänen verhandeln kann, um Zugeständnisse in eine Richtung zu bekommen, und so weiter. Wenn man also von Rechtsstaatlichkeit spricht, dann gibt es eine echte Bedrohung, zweifellos. Die große Unbekannte im Allgemeinen ist, inwieweit Donald Trump selbst an die Ideologie glaubt, die er vorantreibt. Das heißt, es ist sehr schwer zu wissen, ob Donald Trump jemand ist, der wirklich von einer Form des Ethno-Nationalismus überzeugt ist. Dieser hat seine Quellen in den traditionellen Nationalismen, aber verfügt gleichzeitig über eine etwas neue Form, mit vielen Verschwörungstheorien, mit viel Gebrauch von sozialen Netzwerken, etc. Die Frage ist, inwieweit er selbst daran glaubt und deshalb extrem radikale Dinge umsetzt. Oder ob er das alles nur benutzt, um Macht und Raum in den Medien zu erlangen.“

„Man muss bei ihm die ganze Zeit zwischen Reden und Handeln unterscheiden“


Wie denkt Donald Trump wirklich? Das scheint offenbar die am schwersten zu beantwortende Frage zu sein. „Man muss bei ihm die ganze Zeit zwischen Reden und Handeln unterscheiden. Wenn man zum Beispiel die Frage der Einwanderung und die Frage der Abschiebungen nimmt, finde ich es sehr schwierig zu wissen, wie weit er gehen wird. Es scheint mir sicher, dass er eine gewisse Anzahl von Menschen abschieben wird; dazu hat er sich in seinen Ansprachen im Wahlkampf selbst verpflichtet. Aber wird es sich um eine begrenzte Anzahl von Deportationen aus symbolischen Gründen handeln, oder wird dies wirklich ein Schwerpunkt seiner Amtszeit sein? Das wissen wir heute nicht.“

Das Interview mit Jacob Maillet führte die Radio-Vatikan-Redakteurin Marie Duhamel

(vatican news – sk)
 

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21. Januar 2025, 11:48