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Die Katholische Uni Lublin Die Katholische Uni Lublin 

Polen: Hier unterrichtete der spätere Papst Johannes Paul

Unsere Radio-Akademie beschäftigt sich in den Monaten Juni und Juli mit der katholischen Kirche in Polen - und natürlich gehört auch ein Besuch an Polens Katholischer Universität (KU) in Lublin dazu. Hier unterrichtete einst Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II. Der Namensgeber der KU ist allerdings derzeit Gegenstand einer kontroversen Debatte...

Wir sind in Lublin, einer beschaulichen Stadt im östlichen Polen, nicht sehr weit von der ukrainischen und der belarussischen Grenze entfernt. Hier ist der Sitz von Polens Katholischer Universität. In den eher nüchtern-zweckmäßigen Gebäuden empfängt uns der Hausherr, MirosÅ‚aw Kalinowski, Priester und Rektor der KU. „Unsere Katholische Universität Lublin wurde 1918 von einem Priester gegründet; sie bekam von Anfang an besondere Unterstützung durch die polnische Bischofskonferenz.“ 1918 – das war auch der Moment, in dem Polen seine Unabhängigkeit wiedererlangt hat. „Diese zwanzig Jahre waren die beste Zeit unserer Geschichte, denn dann kam der Zweite Weltkrieg, und anschließend die Kommunisten.“

Einzige freie Uni im Ostblock

Die KU Lublin war in den Jahrzehnten des kommunistischen Regimes die einzige Uni zwischen Berlin und Wladiwostok, die vom Staat unabhängig war. Finanziert wurde sie von 1944 bis zum Wendejahr 1989 durch Spenden – nicht nur aus Polen, sondern auch aus den USA, Kanada, England oder nicht zuletzt Deutschland. Seit der Wende fließen immerhin staatliche Subventionen aus Warschau nach Lublin.

„1989 – das war die neue Zeit.“ Seit damals hat die KU ein Netz von Kooperationen gespannt, innerhalb Polens wie innerhalb der EU. „Und ich freue mich, dass wir zum Beispiel eine Kooperation mit der Katholischen Universität in Eichstätt haben!“

Breit aufgestellt

Richtig stolz ist Kalinowski auf das, was die KU in den Jahrzehnten des kommunistischen Regimes bedeutet und geleistet hat. „Unsere Universität war in einer ganz besonderen Situation, weil sie dieselben Diplome ausstellte wie zum Beispiel amerikanische und kanadische Universitäten. Das war ganz interessant – wir waren die einzige Universität mit so einer speziellen Erlaubnis!“ Möglich wurde das durch eine Stiftung der Freunde und Förderer der KU Lublin, die in den USA und Kanada als Non-profit-Organisation anerkannt war.

Der Priester Mirosław Kalinowski ist Rektor der KU
Der Priester Mirosław Kalinowski ist Rektor der KU

Seit der Wende von 1989 ist die Lehranstalt in Lublin breit aufgestellt. „Sie ist nicht nur eine philosophische, theologische und humanistische oder sozialwissenschaftliche Universität – wir haben auch Naturwissenschaften, Medizin, Psychologie und Pädagogik.“

Ein Besuch an der Katholischen Uni Lublin - Radio Vatikan

Wojtyla brachte frischen Wind an die KU

Berühmtester Professor an der KU war Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II. „Ja, er ist 1953 aus Krakau nach Lublin gekommen, auf den Lehrstuhl für Ethik an der Philosophischen Fakultät. Das war eine neue Situation für Lublin, denn dort dominierte an der Philosophischen Fakultät der Thomismus (auf der Basis der Schriften des hl. Thomas von Aquin). Wojtyla hingegen hatte in Krakau Erfahrungen mit Max Scheler, Heidegger, also in der Phänomenologie gesammelt. Das ergab ganz interessante Diskussionen zwischen den Fakultäten.“

 

Das hört sich fast so an, als hätte der spätere Papst in Lublin im Zentrum wilder Kontroversen gestanden. Das sei, so sagt es der heutige Rektor lachend, Wojtylas „beste Zeit“ gewesen: „Er ist als ein Rohdiamant zu uns gekommen – und nach ein paar Jahren war er ein Brillant!“ In gewisser Hinsicht sei Wojtyla von der Kathedra in Lublin auf die Kathedra des Petrus übergewechselt, scherzt Pater Kalinowski. Übrigens habe Johannes Paul als Papst, 1987, seine frühere Hochschule noch einmal besucht. Heute ist die KU nach ihm benannt.

Papst Johannes Paul II. (1978-2005) bei einem Besuch in seiner polnischen Heimat
Papst Johannes Paul II. (1978-2005) bei einem Besuch in seiner polnischen Heimat

„Warum verwandte der Geheimdienst damals die Akten nicht gegen Wojtyla?“

Allerdings ist der polnische Papst, der 2014 heiliggesprochen wurde, unlängst ins Zwielicht geraten: Ein Buch und ein Film werfen ihm auf der Grundlage von Geheimdienst-Akten vor, in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau Missbrauchsfälle vertuscht zu haben. Die KU Lublin hat sich auf einer Studientagung Ende März 2023 eingehend mit diesen Anschuldigungen befasst. Dabei kamen nicht nur Stimmen zu Wort, die Johannes Paul verteidigten. Der Historiker Robert Derewenda, der an der KU unterrichtet, erklärte, die Akten seien „eine sehr schwierige Lektüre, die starke Emotionen hervorruft“.

Wenn sich aus den Akten allerdings wirklich ein Fehlverhalten Karol Wojtylas ergebe, hätte der Geheimdienst doch diese Dokumente schon damals gegen den Erzbischof von Krakau verwenden können. Die eigentliche Frage sei aus seiner Sicht, warum das unterblieben sei. „Wir wissen von vielen verschiedenen (Geheimdienst-)Operationen gegen Kardinal Wojtyla, aber dieser Fall wurde vom Geheimdienst nicht aufgegriffen.“

Zu den Besonderheiten der Lubliner Uni gehört das Heschel-Zentrum, mit dem die katholisch-jüdischen Beziehungen neu angeschoben werden sollen (siehe Folge 4 unserer Radio-Akademie). Oder auch ein weltweit einmaliges Projekt namens „Universität im Gefängnis“.

Unterrichten hinter Gittern

„Ich habe 2013 ein ganz besonderes Angebot des Justizministeriums bekommen, und daraufhin haben 36 Häftlinge bei uns an der Universität ein Studium in Sozialarbeit aufgenommen. Nach drei Jahren haben 16 von ihnen dieses Programm erfolgreich beendet und ein Lizenziats-Diplom bekommen. Im Jahr darauf haben fünf von ihnen auch das Magisterstudium in Angriff genommen, und derzeit haben wir vierzig Studenten für die Fachrichtung Familienwissenschaften.“

Moderne Gebäude: Die KU Lublin
Moderne Gebäude: Die KU Lublin

Dreißig Häftlings-Studenten hinter Gittern sind schon fertig mit ihrem Studium und haben auch ihre Haftstrafen abgesessen. Jetzt können sie, so sagt es Kalinowski, künftigen Arbeitgebern ein konkretes Diplom vorzeigen, um zu beweisen, dass sie ihre Zeit im Gefängnis nicht vertrödelt, sondern etwas Sinnvolles gemacht haben.

„Angenommen, ein Student im Gefängnis wäre mein Bruder, mein Vater, meine Tochter...“

Die Professoren und Dozenten gehen übrigens für den Unterricht ins Gefängnis. Frage an Pater Rektor: Machen die das gerne? „Also, am Anfang sagten neunzig Prozent von ihnen Ja, aber zehn Prozent hatten Bedenken, ob das denn auch sicher sei. Immerhin waren unter den Häftlingen dort auch Doppelmörder…“ Kalinowski sagt, er habe den Zweiflern damals Folgendes zu bedenken gegeben: „Angenommen, ein Student im Gefängnis wäre mein Bruder, mein Vater, meine Tochter, dann wäre ich doch stolz, dass sie studieren.“ Jeder Häftling habe eine zweite Chance verdient, sonst bleibe Resozialisierung ein leeres Wort.

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(vatican news - sk)

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26. Juni 2023, 11:59