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Syriens Präsident Assad (r.) am 6. April mit einem Besucher in Damaskus Syriens Präsident Assad (r.) am 6. April mit einem Besucher in Damaskus 

Nahost: Assads schleichende Rehabilitierung

Nach mehr als einem Jahrzehnt der Ächtung aufgrund von Unterdrückung und Krieg soll Damaskus bald wieder in die Arabische Liga aufgenommen werden: eine Rehabilitation für das syrische Regime von Baschar al-Assad.

Olivier Bonnel und Stefan von Kempis – Vatikanstadt

2011 ist Syrien aus der Arabischen Liga ausgeschlossen worden. Grund dafür war die Art und Weise, mit der Damaskus den Volksaufstand gegen das Regime niederschlug. Jetzt wandeln sich Assad und seine Leute allmählich wieder vom Paria zum akzeptierten Player auf der internationalen Bühne, vor allem im Nahen Osten.

An diesem Freitag treffen sich die Außenminister des Irak, Ägyptens, Jordaniens und der Länder des Golfkooperationsrates in Dschiddah, Saudi-Arabien, um über eine Rückkehr Damaskus' in die Arabische Liga zu beraten. Formalisiert werden soll das Comeback der Syrer dann am 19. Mai, auf dem Gipfeltreffen der panarabischen Organisation, das das saudische Königreich ausrichten wird.

„Ein Auslöser waren die Erdbeben“

„Ein Auslöser waren die Erdbeben in der Türkei und vor allem in Syrien im Februar.“ Das sagt uns Hasni Abidi, Direktor des Genfer Studienzentrums zur arabischen Welt und zum Mittelmeerraum (Cermam), in einem Interview.

In der Provinz Aleppo, nach dem Erdbeben vom Februar
In der Provinz Aleppo, nach dem Erdbeben vom Februar

„Wir haben ein beispielloses Engagement der Golfmonarchien, aber auch anderer arabischer Länder erlebt, um sowohl die von der Opposition kontrollierten Gebiete als auch die vor allem vom Regime kontrollierten Gebiete zu unterstützen. Dabei fand sogar eine Koordinierung mit dem syrischen Regime statt. Diese Katastrophendiplomatie war meiner Meinung nach ein wichtiges Element beim Auftauen der Beziehungen zwischen den Golfstaaten und Syrien.“

Annäherung zwischen Riad und Teheran hat Karten neu gemischt

Hinzu kam dann die Verbesserung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die im März unter chinesischer Schirmherrschaft einer langen regionalen Eiszeit ein Ende gesetzt hat. Das hat nach Ansicht des Forschers bei den Saudis die Bereitschaft geweckt, Syrien zu seinem Gipfeltreffen der Arabischen Liga einzuladen.

Assads triumphale Rückkehr auf die Weltbühne - eine Analyse von Radio Vatikan

„Syrien hatte früher eine wichtige Position in der Arabischen Liga inne. Und klar ist auch, dass Syrien mit seiner Nähe zum Irak, aber auch zu anderen arabischen Ländern, der neuen Außenpolitik, die der saudische Kronprinz bin Salman eingeleitet hat, sehr schaden oder ihr Schläge zufügen könnte. Da hat Salman wohl beschlossen, die Verständigung mit Teheran zu nutzen, um auch mit dem Regime in Damaskus wieder in Kontakt zu treten.“

„Front der Ablehnung der USA“

Was bedeutet es für die internationale Politik, wenn Syrien jetzt wieder Mitglied in der Arabischen Liga wird? Zum einen, so glaubt Abidi, wird es eine „Front der Ablehnung der USA“ verstärken. So trat Syrien nämlich schon vor seinem Ausschluss aus dem Verband auf. Das würde dem Saudi Bin Salman in die Karten spielen: Auch er wendet sich schleichend von den USA ab, will die Beziehungen des Königsreichs diversifizieren, wendet sich deswegen auch China und Russland zu. Es liege im Interesse Saudi-Arabiens, das die neue Führungsmacht in der arabischen Welt sein wolle, ein Land wie Syrien an seiner Seite zu haben, das sich durch eher antiamerikanische und antiwestliche Positionen auszeichne.

Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman
Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman

„Ein weiteres Element, das bei den neuen Entscheidungen Saudi-Arabiens berücksichtigt werden muss, ist die Zentralität Syriens, seine wichtigen Beziehungen und sein Einfluss im Libanon, der ebenfalls ein Einflussstaat für Saudi-Arabien ist. Damaskus hat wichtige Beziehungen zu den schiitischen Milizen, natürlich zur Hisbollah und zur Amal-Bewegung.“

Katars Widerstand

Zu den wenigen Ländern, die sich gegen eine syrische Rückkehr in die Arabische Liga aussprechen, gehört Katar, der Rivale Saudi-Arabiens. „In den Golfstaaten wird gerne der Satz wiederholt: ‚Die Entscheidung liegt bei Riad‘. Katar ist neben Kuwait der einzige Staat, der bei der Unterstützung der syrischen Opposition sehr weit gegangen ist. Doha beherbergt immer noch wichtige syrische Oppositionsführer und unterhält gute Beziehungen zur syrischen Opposition, sowohl zu säkularen als auch zu religiösen Oppositionsmitgliedern. Daher kommt Riads Paradigmenwechsel in Katar sehr schlecht an. Doha hat immer den Rücktritt von Baschar al-Assad oder die Einleitung echter demokratischer Reformen gefordert, wie sie in den Resolutionen der Vereinten Nationen gefordert werden.“

Doch Katar stehe in dieser Hinsicht auf verlorenem Posten. Außerdem hätten sich seine Beziehungen zu Saudi-Arabien in jüngster Zeit aufgehellt; da wolle Katar sicher nicht riskieren, Riad jetzt in der Syrien-Frage vor den Kopf zu stoßen.

Riesenerfolg für Assad

Für Assad ist seine Rehabilitierung ein Riesenerfolg. Es sei immerhin „das Schwergewicht der sunnitischen Welt“, nämlich Saudi-Arabien, das seine Ächtung rückgängig mache.

Idlib nach einem Luftangriff am 9. April 2023
Idlib nach einem Luftangriff am 9. April 2023

„Die Folgen sind vor allem politischer Natur. Es ist vorbei mit der Isolation Baschar al-Assads, da Syrien seinen Sitz bald auch in allen anderen regionalen Organisationen, die von der Arabischen Liga abhängen, wieder einnehmen dürfte. Dies wird die Wiedereröffnung aller arabischen Botschaften in Damaskus und auch die Wiedereröffnung der syrischen Botschaften im Ausland zur Folge haben. Damit sind wir wieder bei der Ausgangssituation angelangt.“

Westliche Position unverändert

Für das syrische Regime sei diese Dynamik sehr wichtig. „Syrien befindet sich in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage, und die Golfmonarchien wollen davon profitieren.“

Die europäische Position ist bislang unverändert geblieben: Sie lehnt eine Zusammenarbeit mit Assad ab und fordert freie Neuwahlen. Die amerikanische Position ist noch radikaler – vor allem seit der Verabschiedung des „Cesar“-Gesetzes durch den Kongress, das es allen staatlichen Einrichtungen verbietet, mit dem syrischen Diktator zu verhandeln.

„Das ist ein echter Verrat“

Für die syrische Opposition ist Assads absehbares Comeback ein schwerer Schlag. „Das ist ein echter Verrat. Er wird von der Opposition als solcher erlebt, insbesondere von der säkularen Opposition, die immer einen politischen Übergang gemäß den Bedingungen der Resolutionen des Sicherheitsrats gefordert hat. Die syrische Opposition im Exil fürchtet sogar um ihre Zukunft. Wird das Regime von Baschar al-Assad nicht ihre Ausweisung fordern? Ein weiterer Teil der Opposition lebt in der Türkei, und auch die türkische Regierung bereitet sich auf eine Aussöhnung mit dem Assad-Regime vor.“

Hasni Abidi spricht von einem „echten Sieg für das syrische Regime“. Und auch für seine Sponsoren Moskau und Teheran, die Damaskus militärisch, wirtschaftlich und politisch unterstützt haben.

 

Das Interview führt Olivier Bonnel, Pope

 

(vatican news)
 

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17. April 2023, 11:09