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Aserbaidschaner blockieren den Latschin-Korridor - Aufnahme von Ende Dezember Aserbaidschaner blockieren den Latschin-Korridor - Aufnahme von Ende Dezember  (AFP or licensors)

Berg-Karabach: Harte Prüfung für die Armenier

Seit dem 12. Dezember ist der Latschin-Korridor - die einzige Straße, die Berg-Karabach mit Armenien verbindet - fast vollständig blockiert.

Valeria Palombaro - Vatikanstadt

Die Blockade einer für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wichtigen Arterie nach armenischer Auffassung; eine friedliche Demonstration von Umweltschützern zur Beendigung illegaler Bergbauaktivitäten in Berg-Karabach nach aserbaidschanischer Auffassung. Die Positionen der Parteien zu den Geschehnissen im Latschin-Korridor, dem einzigen Gebietsstreifen, der Armenien mit Berg-Karabach verbindet, könnten unterschiedlicher nicht sein - und sind ein Lackmustest für die nach wie vor prekäre Sicherheitslage in dieser Region im Kaukasusgebirge.

Am 12. Dezember errichtete eine Gruppe aserbaidschanischer Bürger, die sich als militante Ökologen ausgeben, eine Straßenblockade, die die Bewegungen entlang des Latschin-Korridors überwacht. Damit befinden sich die rund 120.000 Armenier von Berg-Karabach seit fünfzig Tagen im Belagerungszustand, und ihr Leben wird von Tag zu Tag schwieriger.

„Ein Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen“

„Die De-facto-Blockade des Latschin-Korridors ist ein Verstoß gegen das im November 2020 von Armenien, Aserbaidschan und Russland unterzeichnete dreiseitige Waffenstillstandsabkommen“, erklärt der armenische Journalist Marut Vanyan telefonisch aus Stepanakert, der Hauptstadt der armenischen Gemeinschaft in Berg-Karabach, gegenüber der Vatikanzeitung ‚L’Osservatore Romano‘.

Demo in Stepanakert vor einer Woche
Demo in Stepanakert vor einer Woche

„Jeden Tag gelangten Hunderte von Tonnen Fracht aus Armenien über den Korridor, eine etwa 30 Kilometer lange Bergstraße, die die armenische Stadt Goris mit Stepanakert verbindet, nach Berg-Karabach. Doch mit der Blockade kam all dies zum Stillstand. Obst- und Gemüseläden haben geschlossen, und es herrscht ein gravierender Mangel an Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern“, sagt Vanyan, dem zufolge die Apotheken jedem Kunden nur jeweils ein Aspirin verkaufen, damit jeder die Chance hat, eines zu bekommen.

Kaum noch Zucker oder Mehl im Supermarkt

Der armenische Journalist räumt ein, dass einige Lebensmittel und Medikamente über Konvois des Internationalen Roten Kreuzes und der russischen Friedenstruppen, die im Rahmen des Abkommens von 2020 die Lage im Latschin-Korridor überwachen, nach Berg-Karabach gelangen. „Aber das ist nur eine begrenzte Menge im Vergleich zum Bedarf der Einwohner. In den Supermärkten fehlen die einfachsten Produkte, vom Zucker bis zum Mehl, es gibt kein Waschpulver, kurzum alles, was man im Alltag braucht. Und Kindergärten wurden wegen des Mangels an Lebensmitteln geschlossen.“

Nach Angaben des Journalisten gab es aufgrund der Schließung des Latschin-Korridors sogar „Fälle von Verstorbenen, deren Leichen nicht von Eriwan nach Berg-Karabach überführt werden konnten, um sie in der Nähe ihrer Angehörigen zu bestatten“.

Folge eines nie richtig gelösten Konflikts

Was jetzt geschieht, ist die jüngste Seite in einer langen Geschichte des Leids in der Region und eine Folge des nie vollständig gelösten, „eingefrorenen“ Konflikts, dessen letzte blutige Episode der 44-tägige Krieg im Jahr 2020 mit rund 7.000 Todesopfern war. Sieger im Konflikt war Aserbaidschan; dort wird mittlerweile das Ende des 44-tägigen „patriotischen Krieges“ als „Tag des Sieges“ gefeiert wird. Es ist ein Nationalfeiertag für Baku, das nach rund 30 Jahren die territoriale Integrität des Landes dank der „Befreiung“ der sieben an Berg-Karabach angrenzenden Bezirke (darunter die Stadt Schuscha, die als „Wiege“ der aserbaidschanischen Geschichte und Kultur gilt) als wiederhergestellt betrachtet.

Russische Soldaten Ende Dezember am Latschin-Korridor
Russische Soldaten Ende Dezember am Latschin-Korridor

Aserbaidschan hat die an Berg-Karabach angrenzenden Bezirke, die Armenien in dem nach der Auflösung der UdSSR entstandenen Konflikt erobert hatte, wieder in Besitz genommen, während im Rahmen der Vereinbarungen vom November 2020 1.960 russische Friedenstruppen in der Region stationiert wurden. Diese Präsenz wird voraussichtlich fünf Jahre, d.h. bis 2025, andauern und kann um weitere fünf Jahre verlängert werden, wenn keine der Parteien Einwände erhebt.

Nur vier Stunden Strom am Tag

Andererseits fanden Tausende von Berg-Karabach-Armeniern nach dem letzten Konflikt Zuflucht in Armenien, und die Verbliebenen „verschanzen“ sich zunehmend rund um die Hauptstadt Stepanakert. Der künftige Status dieser Gebiete, in denen Armenier leben, bleibt eine offene Frage, über die Eriwan und Baku verhandeln sollten, um einen umfassenden Friedensvertrag zu erreichen. Aserbaidschan, das sich als diplomatisch und militärisch stärker erwiesen hat, hat auch die Tatsache auf seiner Seite, dass Berg-Karabach, obwohl es mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird, nie international anerkannt worden ist.

Nach einem Luftangriff auf Stepanakert im Oktober 2020
Nach einem Luftangriff auf Stepanakert im Oktober 2020

In der Kälte von Stepanakert hingegen geht das Leben weiter, auch wenn die grundlegendsten Dinge wie Strom und Heizung nicht gesichert sind. „Es gibt etwa vier Stunden Strom pro Tag. Zu bestimmten Zeiten versinkt die Stadt in Dunkelheit, und die Menschen laufen mit leuchtenden Handys durch die Straßen“, sagt Vanyan. Wegen des Strommangels haben viele Unternehmen geschlossen und Tausende von Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Die gesamte Infrastruktur verläuft durch Gebiete unter aserbaidschanischer Kontrolle, so dass es regelmäßig zu „Unfällen“ mit Stromleitungen, Internetkabeln und Gaslieferungen kommt. „Und sie erlauben den Armeniern nicht, sich zu nähern, um das Problem zu beheben.“

Schwieriger geopolitischer Kontext

Die Situation in der Region ist auch eine Folge des breiteren geopolitischen Kontexts. Für Armenien ist es derzeit schwierig, einen Verbündeten zu finden, der Russland ersetzen könnte. Die EU wird in ihren Vermittlungsbemühungen immer aktiver und hat erst in den letzten Tagen beschlossen, eine zivile Mission nach Armenien zu entsenden, die in der Nähe der Grenze zu Aserbaidschan (nicht in Berg-Karabach) stationiert werden soll. Die EU selbst befindet sich jedoch in einer heiklen Lage: Auf der Suche nach Energiepartnern, die Russland ersetzen könnten, unterhält sie seit Jahren eine enge Partnerschaft mit Aserbaidschan, von dem sie über die Trans-Adria-Pipeline (Tap) kaspisches Erdgas bezieht.

Und so scheinen die Armenier von Berg-Karabach zunehmend isoliert. „Wir sind nicht geboren, um zu leiden; wir wollen ein würdiges Leben in unseren Häusern führen“, erklärt der armenische Journalist. „Es gibt Menschen, die darüber nachdenken, auszuwandern. In der gegenwärtigen Situation ist es jedoch nicht einmal möglich, auszuwandern, da der einzige Weg für die Menschen (nach Armenien) geschlossen ist. Die Menschen werden einfach ihrer Bewegungsfreiheit beraubt, obwohl es sich dabei um eine der grundlegendsten Freiheiten handelt, wenn man sie mit den Verletzungen anderer Rechte vergleicht.“

(osservatore romano – sk)
 

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28. Januar 2023, 11:43