Niederländische Kirche: Von Säkularisierung bis Synode
Anne Preckel - Vatikanstadt
Ende 2021 waren 20,8 Prozent der niederländischen Bevölkerung römisch-katholisch, geht aus Angaben der Ortskirche hervor. Die Katholiken seien die größte Gruppe von Gläubigen in den Niederlanden, jedoch „schon lange keine große Volkskirche mehr“, heißt es in einem .
Wie in vielen anderen europäischen Ländern sind auch in den Niederlanden die Katholikenzahlen rückläufig, so halbierte sich ihre Anzahl innerhalb von vierzig Jahren fast und sank von 5.620.000 auf 3.667.000. Die evangelischen Kirchen verloren in etwa derselben Zeit noch mehr Anhänger, so dass heute die Mehrheit der Niederländer als konfessionslos gilt.
Sinkende Mitgliederzahlen und Säkularisierung
Auch beim Kirchgang und beim Priesternachwuchs sind die Zahlen dramatisch: Nur etwa ein Prozent der Katholiken besucht regelmäßig die Sonntagsmesse. Auch die sichtbare Präsenz der katholischen Kirche schwindet stetig. Christliche Symbole sind aus dem öffentlichen Leben weitgehend verschwunden, kirchliche Krankenhäuser und Schulen und sind eine Rarität. Religion und ethische Sichtweisen kämpften um Gehör, halten die Bischöfe ihrem Ad-limina-Vorbericht dazu fest. Dies spiegele sich auch in einer schwindenden Repräsentanz christlicher Abgeordneter in der Politik, heißt es mit Verweis auf immer weniger Parlamentssitze der Christdemokraten in den Niederlanden. In dem Land, wo aktive Sterbehilfe 2002 legalisiert wurde, ist die Kirche etwa eine wichtige Stimme im Bereich des Lebensschutzes.
Die römisch-katholische Kirche in den Niederlanden „erfüllt ihren Auftrag in einer stark säkularisierten Gesellschaft“, formuliert die Bischofskonferenz. Dabei wolle sie sich „nicht wie auf eine Insel zurückziehen, sondern im Dialog sein mit der Regierung, der Gesellschaft, anderen Christen und Anhängern anderer Religionen und Weltanschauungen“, wird bekräftigt. Ein Schwerpunkt des kirchlichen Engagements sei die Neuevangelisierung und Vertiefung des Glaubens. Dabei sei man „klar in der katholischen Identität verankert“ und trete für eine Vielfalt der Ämter und Dienste ein.
Missionarische Initiativen, lebendige Einwanderergemeinden
Auch in den Niederlanden werden immer mehr Kirchengemeinden zusammengelegt und neue Einheiten gebildet. Diese Umstrukturierung sei „finanziell und personell unumgänglich“, halten die Bischöfe in ihrem Bericht fest. Dieser Wandel biete aber auch Möglichkeiten, Kirchengemeinden lebendig umzugestalten. Von größeren Gemeinden und Zusammenschlüssen aus hätten Gläubige etwa „missionarische Initiativen“ ergriffen, um Menschen neu mit Christus und dem Evangelium in Berührung zu bringen.
Weitere Felder kirchlichen Wirkens mit aktuellem Bezug, die der Bericht aufzählt, sind die kirchliche Hilfen und Maßnahmen im Zuge der Coronapandemie sowie die Solidarität mit Armen und Flüchtlingen. So seien etwa Kollekten für die Ukraine-Hilfe durchgeführt und ein Gebetstag für Flüchtlinge organisiert worden.
Positiv hervorgehoben werden die zahlreichen Einwanderergemeinden und -Pfarreien in den Niederlanden, die „oft sehr lebendig“ seien und „Erfahrungen und Ausdrucksformen“ aus ihrer Herkunftskultur mitbrächten: „Dadurch tragen sie zum Elan innerhalb der katholischen Kirche in den Niederlanden bei“, halten die Bischöfe fest. Viele Einwanderer hätten sich in die niederländischen Kirchengemeinden integriert und trügen durch ihre aktive und tiefe Erfahrung des katholischen Glaubens in dieser Hinsicht positiv zum Gemeindeleben bei.
Weltsynode und all ihre Themen
Auch die niederländische Kirche hatte nach der diözesanen Phase der Weltsynode einen Bericht im Vatikan abgeliefert. Das 132-seitige Dokument enthielt die Ergebnisse aus Befragungen der Gläubigen in den acht niederländischen Diözesen. Darin war, ähnlich wie beim deutschen synodalen Prozess, der Ruf der Gläubigen nach mehr Beteiligung von Laien und Frauen und nach einer offeneren und gastfreundlichen kirchlichen Gemeinschaft laut geworden. Niemand dürfe etwa wegen seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung ausgegrenzt werden, betonten sie.
Die Berichte aus den Diözesen und allen katholischen Organisationen seien von den Bischöfen in einer nationalen Synthese zusammengefasst worden, halten die Bischöfe in ihrem Ad-limina-Bericht zu den Rückmeldungen eher knapp fest. Mit dem Bericht nach Rom ende der synodale Prozess aber keinesfalls, wird versichert. So würden viele Kirchengemeinden und Gruppen ihre Diskussionen fortsetzen, „um den Glauben zu stärken, der uns untereinander antreibt, inspiriert durch das, was der Geist uns sagt“.
In dem vom Papst angestoßenen weltweiten synodalen Prozess hat soeben die kontinentale Phase begonnen. Das dürfte im vatikanischen Gespräch mit den niederländischen Bischöfen auch angesprochen worden sein.
Mit Blick auf Ehe und Familie wünscht sich der niederländische Kardinal Willem Jacobus Eijk eine größere Sprachfähigkeit der Kirche vor allem im Blick auf Gender-Fragen, wie er im Vorfeld des Ad-limina-Besuches bekräftigte. Diese würden „in allen möglichen Organisationen vorangetrieben und wir als Kirche haben noch nicht viel dazu gesagt“, zitierte ihn die Zeitung „Nederlands Dagblad“ an diesem Donnerstag. Eijk hatte wiederholt auf eine „wesentliche Beziehung zwischen biologischer Sexualität und Geschlechterrollen“ verwiesen und vor Verwirrungen diesbezüglich gewarnt.
Missbrauchsaufarbeitung
Breiten Raum nimmt in dem Ad-limina-Papier aus den Niederlanden ein Rechenschaftsbericht der Bischöfe zum Thema sexueller Missbrauch ein. Die römisch-katholische Kirche habe sich „wie keine andere Organisation in den Niederlanden“ um Aufarbeitung der Vergehen in Kirche und Ordensgemeinschaften bemüht, wird festgehalten, auch habe man das im Aufarbeitungsprozess erworbene Wissen und die „best practices“ mit anderen Ländern geteilt.
Als Maßnahmen im Bereich der Prävention werden etwa die Einrichtung von Melde- und Beschwerdestellen sowie die Anwendung eines ab Juli 2014 gültigen, pastoralen Verhaltenskodex für alle Diözesen, Militärordinariate und Ordensinstitute genannt. Auch wurde die Pflicht zur Vorlage eines von den Gemeindebehörden ausgestellten Führungszeugnisses (VOG) für Priester, Diakone, pastorale Mitarbeiter und Ordensleute eingeführt. 2018 sei ein Abschlussbericht zur Missbrauchsaufarbeitung veröffentlicht worden (Management & Supervision Foundation, 2018), der auch dem Heiligen Stuhl übermittelt worden sei.
Gut vorbereitet
Die Bischofskonferenz der Niederlande hatte im Vorfeld des Ad-Limina-Besuches den Ad-limina-Bericht veröffentlicht, der die Lage der Kirche des Landes und aktuelle Herausforderungen skizziert. Dafür hatte jeder Bischof zunächst über die Situation in seiner Diözese berichtet, danach wurde ein Gesamtbericht über die Situation in den Niederlanden erstellt.
Der Vatikan-Besuch der Bischöfe war am 7. November, dem Hochfest des Heiligen Willibrord, des Schutzpatrons der niederländischen Kirchenprovinz in den Niederlanden, gestartet. Die Bischöfe haben in der Ad-Limina-Woche (7.-13. November) mit verschiedenen Abteilungen der römischen Kurie und an diesem Freitag mit Papst Franziskus gesprochen.
(vatican news – pr)
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