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Zerstörte Muttergottes-Statue aus Ninive Zerstörte Muttergottes-Statue aus Ninive 

8 Jahre nach dem Angriff auf Ninive: Die Diaspora dauert an

In der Nacht vom 6. auf den 7. August vor genau acht Jahren hat der selbst ernannte „Islamische Staat" gut 100.000 Menschen aus der Ninive-Ebene im Irak vertrieben. Die meisten von ihnen waren Christen. Im Interview mit Radio Vatikan erinnert sich Pater Buols Thatbit und zieht eine traurige Bilanz.

Stefanie Stahlhofen und Antonella Palermo - Vatikanstadt

In der Nacht vom 6. auf den 7. August 2014 besetzte der IS die von Christen bewohnten Dörfer der Ninive-Ebene und befahl der Bevölkerung über Lautsprecher, ihre Häuser zu verlassen. Die meisten nahmen nur mit, was sie bei sich trugen; viele flohen Richtung Erbil und in weitere Orte der Autonomen Region Kurdistan. Pater Buols Thatbit ist Priester im Ort Karamles, etwa 30 Kilometer östlich von Mossul. Jene dunkle Nacht vor acht Jahren ist ihm noch gut in Erinnerung:

Radio Vatikan Podcast: 8 Jahre nach dem Angriff auf Ninive - Pater Buols Thatbit im Interview mit Radio Vatikan zur Lage der Christen damals und heute

„Die Diaspora begann und dauert bis zum heutigen Tag an“

„Ich war mitten im Geschehen, als Mossul 2014 fiel", erzählt er im Telefonat mit Radio Vatikan. „Wir waren ohne Wasser und ohne Strom. Es war eine sehr schwierige Zeit, die am 6. August ihren Höhepunkt erreichte mit dem Angriff auf die Ninive-Ebene. Ich habe versucht, den Menschen Wasser, Unterstützung und Mut zu geben. Es war ein Wendepunkt in der Geschichte der Einwohner von Ninive: Vorher war die Lage trotz der Unsicherheit in der Region recht ruhig, und die Zahl der Christen hatte sogar zugenommen. Doch dann gab es nach 2014 einen Einbruch. Die Diaspora begann und dauert bis zum heutigen Tag an. Fast die Hälfte der Gläubigen sind weg, viele sind noch in Kurdistan oder in Bagdad und so weiter", berichtet der Geistliche. 

Rückkehr? Schwierig

Laut dem Fidesdienst machen Christen immer noch sieben Prozent der mehr als 600.000 Vertriebenen in der Region Kurdistan aus. Nach Angaben örtlicher Behörden sind in den letzten Jahren nur 40 Prozent der Christen, die während der IS-Herrschaft aus Mossul und der Ninive-Ebene geflohen sind, in ihre Wohngebiete zurückgekehrt. Im Zentrum von Mossul leben laut Fides nur noch hundert christliche Familien. Viele der irakischen christlichen Flüchtlinge in Kurdistan sind zudem in den vergangenen Jahren ausgewandert - vor allem nach Nordamerika, Australien und Europa, aber auch in andere Länder des Nahen Ostens. Eine Rückkehr in die Heimat ist schwierig, auch weil dort immer noch viel in Trümmern liegt:

„Die Diaspora begann und dauert bis zum heutigen Tag an“

„Die damalige Zerstörung ist immer noch sichtbar. Wir leben das immer noch im Alltag: Wenn du dein Haus verlässt, um zum Beispiel zur Schule oder in die Kirche zu gehen, musst du durch Viertel gehen, die noch völlig zerstört und verlassen sind. Das ist unser Alltag. Und: Das soziale Gefüge hat sich aufgelöst, viele Fachleute, wie zum Beispiel Ärzte, sind aus dem Land geflohen. Viele, so viele sind weggegangen. Auch viele Familien mussten sich trennen: Einige sitzen noch immer im Libanon, in Jordanien oder in der Türkei fest und haben nicht einmal die Hoffnung, nach Kanada oder Australien oder sonstwohin auszuwandern."

Das Logo der historischen Reise von Papst Franziskus in den Irak
Das Logo der historischen Reise von Papst Franziskus in den Irak

Chance durch Papstbesuch vertan

Auch wenn es immer wieder Berichte über eine Rückkehr irakischer Christen in ihre Heimat und zu ihren historischen Wurzeln gibt, sind Zahlen umstritten und schwer zu belegen. Lokale Medien berichten laut Fides über eine anhaltende Abwanderung. Pater Thatbit beklagt zudem chronische Instabilität und Unsicherheit, Spannungen sowie die Präsenz illegaler Milizen im Land. Die Regierung habe die Chance verpasst, den historischen Besuch von Papst Franziskus im Irak vom 5. bis 8. März 2021 als Impuls zum Wandel zu nutzen, meint der Geistliche:

„Es mangelt an Aufmerksamkeit für die Situation der christlichen Minderheit. Die Regierung hat keinen wirklichen Wunsch, Probleme zu lösen“

„Es sind viele Milizen im Umlauf, es gibt viele Checkpoints, viele Menschen sind arbeitslos, die Wirtschaft ist am Boden. Viele Häuser sind zerstört und noch nicht wieder aufgebaut. Es gibt kaum Möglichkeiten für gesellschaftliche, soziale, kulturelle Aktivitäten. Die Regierung hat es versäumt, den Besuch des Heiligen Vaters zu nutzen, um wirklich eine konkrete Verbesserung zu schaffen. Ja, einige Arbeiten wurden in Angriff genommen, aber sie sind durch Korruption beeinträchtigt. Es mangelt an Aufmerksamkeit für die Situation der christlichen Minderheit. Die Regierung hat keinen wirklichen Wunsch, Probleme zu lösen. Nur leere Worte", lautet das bittere Fazit von Pater Buols Thatbit.

(vatican news/fides-sst)

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08. August 2022, 10:38