Haiti: „Kein Handel mit Menschenleben“
Christine Seuss und Federico Piana- Vatikanstadt
Die Arbeit als Missionar in Haiti wird immer gefährlicher. Während das Land unter der Last einer galoppierenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise zusammenbricht, nimmt die Gewalt bewaffneter Banden ständig zu. Dabei machen die Kriminellen auch vor jenen nicht Halt, die materielle und moralische Hilfe für eine Bevölkerung leisten, der es an grundlegenden Gütern fehlt – darunter vor allem an Lebensmitteln und Medikamenten -, und die sich noch nicht von den Folgen des verheerenden Erdbebens vom vergangenen August erholt hat.
Lösegeld gefordert
Die Geschichte der 17 mennonitischen christlichen Missionare, die vor einer Woche am Rande der Hauptstadt Port-au-Prince entführt wurden, ist leider ein Paradebeispiel für die Situation in dem Karibikstaat. Die aus den Vereinigten Staaten stammende Gruppe war mit dem Bau eines Heims für arme und verwaiste Kinder beschäftigt, als sie von einer kriminellen Bande entführt wurde. Pro Geisel forderten die Banditen ein Lösegeld von einer Million Dollar. Während es immer noch keine offiziellen Zahlen über die Zahl der in Haiti entführten oder getöteten Missionare gibt, machen die über die allein im Jahr 2021 in Haiti mehr als 100 entführten Frauen und Kinder sprachlos. Das Ziel der Entführer: Lösegelderpressung. Es handelt sich bereits jetzt um mehr Opfer als im gesamten vergangenen Jahr.
Entführungen in Zusammenhang mit Armut und Chaos
Über die Situation der 17 entführten Missionare und deren Angehörige - darunter Frauen und Kinder, ja sogar ein acht Monate altes Baby - gibt es derzeit keine gesicherten Informationen. Neben der Polizei ist auch die Diözese von Anse-à-Veau-Miragoâne an der Suche beteiligt. Der Bischof, Pierre-André Dumas, hat einen seiner Priester gebeten, an den Ermittlungen teilzunehmen: „Mit großer Diskretion versucht dieser von mir delegierte Priester, mit der kriminellen Gruppe in Kontakt zu treten“, erklärt er, „aber bisher haben wir noch keine Nachricht erhalten.“ An die Adresse der Entführer richtete der Bischof einen eindringlichen Appell: „Im Namen der Verteidigung des Lebens bitten wir Sie, diese Menschen sofort freizulassen! Wir bitten Sie zu verstehen, dass man mit Menschenleben keinen Handel treiben darf.“
Der Bischof ist nicht in der Lage zu erklären, ob diese kriminelle Handlung „nur“ darauf abzielt, Geld für den Erwerb von Waffen zu erpressen, oder ob sie auch einen politischen Hintergrund hat, also eine indirekte Botschaft an die Vereinigten Staaten sein soll. „Das Einzige, was sicher ist, ist, dass die Gewalt zu einem Weg führt, wo es kein Zurück gibt“, sagt der Bischof, der jedoch einräumt, dass die Entführungen und Gewalttaten, auch gegen Missionare, in direktem Zusammenhang mit der Armut und dem Chaos stehen, in die Haiti geraten ist. „Die Länder, die sich als Freunde Haitis bezeichnen, müssen ihre Verbundenheit zeigen, indem sie uns helfen, diese tragischen Momente der Schwierigkeiten zu überwinden. Es ist schrecklich zu sehen, dass die Kinder einer Nation wie der unseren, die als Antwort auf die Sklaverei entstanden ist, nun andere versklaven wollen.“
(vatican news - cs)
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