Neue EU-Kinderschutz-Regeln: Ein „Hohn für Kinder"
Adriana Masotti und Anne Preckel – Vatikanstadt
Das Anfang vergangener Woche verabschiedete Regelung erlaubt Web-Providern, Kinderpornografie im Internet entgegenzuwirken, indem sie solche Inhalte in Webmails, Chat- und Messaging-Diensten entfernen und den zuständigen Behörden melden. Allerdings ist die neue, zunächst auf nur drei Jahre angelegte Regel keine Meldepflicht: der Verweis auf bedenkliche Inhalte bliebt freiwillig und erfolgt unter weitgehender Achtung der „Privatsphäre“ der Nutzer. Ein Vorgehen gegen den Missbrauch von Kindern und dessen digitale Vermarktung bleibt damit letztlich erschwert.
Für den italienischen Kinderschutzaktivisten Fortunato Di Noto dringt der Schritt der EU deshalb „nicht zum Kern“ des Problems vor. Mit seinem Kinderschutzverein „Meter“ kämpft der Priester seit drei Jahrzehnten gegen den Missbrauch von Kindern und die Kinderpornografie, steht in engem Kontakt zu Polizei und Ermittlern und weiß gut um die erschreckende Zunahme solcher Verbrechen vor allem in der Corona-Zeit. Di Noto sagte im Interview mit Radio Vatikan:
„Vergessen wir nicht, dass bei der Online-Kinderpornografie Fotos und Videos abgebildet sind, auf denen bereits missbrauchte Kinder zu sehen sind. Wir sprechen also nicht von einfachen Bildern, die vermarktet oder verkauft werden, sondern von Bildern, die von Menschen produziert werden, die zu einem Prozentsatz von etwa 40,44 Prozent auch direkt Kinder missbraucht haben und das Material dann verkaufen. Die jetzige Gesetzgebung berücksichtigt nicht die Ernsthaftigkeit des Problems.“
Nach Einschätzung des Experten ist eine Meldepflicht für Internetprovider unerlässlich – dass ausgerechnet bei diesem Thema die Privatsphäre der Nutzer über das Kindeswohl gestellt werde, sei „ein Hohn und eine Beleidigung für Kinder“, zeigt sich Di Noto empört. Europa sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und Internetprovider im Fall von Kinderpornografie zur Weitergabe von User-Daten verpflichten, um Missbrauchsverbrechen und deren Vermarktung aufdecken und ahnden zu können, schlägt der Priester vor.
„Wir sprechen hier über Server-Provider, die in Neuseeland, Brasilien oder in den so genannten Kinderpornografie-Häfen angesiedelt sind. Warum also nicht ausgehend von Europa über eine Meldepflicht nachdenken, warum könnte Europa nicht ein Beispiel für die ganze Welt werden? (…) Die Frage der Privatsphäre kann nicht gestellt werden, wenn es um das Problem missbrauchter Kinder geht, es kann keine Privatsphäre geben, wenn es um abscheuliche Verbrechen gegen Kinder geht!“
Nach Ansicht von Di Noto haben sich bei der Abstimmung im EU-Parlament die Interessen der Server-Anbieter durchgesetzt. Auf Seiten der Politik ortet der Experte ein fehlendes Bewusstsein für die „Ernsthaftigkeit des Problems“. Die Politiker sollten sich doch einmal die Videos ansehen, in denen „Babys vergewaltigt“ und „Kleinkinder zu den abscheulichsten Formen des sexuellen Missbrauchs verleitet würden“, fordert der Kinderschutzexperte. Laut Beobachtungen von Meter versicherten viele Provider zwar eine Zusammenarbeit mit den Behörden, die aber de facto nicht geleistet werde: Kritische Nachfragen würden routinemäßig mit Standard-Emails abgespeist, Aktionen blieben aus.
Zunahme zur Zeit der Corona-Pandemie
Zur Zeit der Corona-Pandemie sind Online-Verbrechen gegen Minderjährige um 77 Prozent gestiegen, wie der jüngste Bericht der „“ bestätigt. Laut neuster Erhebungen werden allein in Europa 18 bis 19 Millionen Kinder sexuell missbraucht. Papst Franziskus hatte den Einsatz des Kinderschutz-Vereins Meter gegen Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch und andere Formen von Gewalt im Mai gewürdigt. Bei der Audienz am 15. Mai bezeichnete der Papst das Problem als „globale Geißel“.
(vatican news – pr)
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