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Zahlreiche bei dem Bootsunglück ertrunkene Migranten wurden leblos geborgen, die anderen sind im Meer verschollen... Zahlreiche bei dem Bootsunglück ertrunkene Migranten wurden leblos geborgen, die anderen sind im Meer verschollen... 

Ertrunkene Migranten: Sant'Egidio fordert EU zum Handeln auf

Europa darf sich nicht länger schuldig machen, indem es dabei zusieht, wie verzweifelte Migranten ohne Perspektive in ihren Heimatländern im Mittelmeer ertrinken. Das betont Cesare Zucconi von Sant’Egidio im Gespräch mit Radio Vatikan.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Einen vielversprechenden Lösungsansatz stellt Zucconi zufolge jedoch das Projekt der humanitären Korridore dar, mit dem auf Initiative der Basisgemeinschaft mittlerweile über 3.500 Menschen sicher nach Europa einreisen und integriert werden konnten. 

Die Basisgemeinschaft Sant’Egidio hat angesichts der jüngsten Tragödie von rund 130 im Mittelmeer vor Libyen ertrunkenen Migranten und des Appells von Papst Franziskus, sich nicht länger des Wegschauens schuldig zu machen, für diesen Montagabend zu einer internationalen Gebetswache aufgerufen. Ausgehend von der „Zentrale“ der Basisgemeinschaft, der Kirche Santa Maria in Trastevere in Rom, wird ab 19.30 Uhr weltweit gebetet. Eine Teilnahme ist über Livestream oder vor Ort in den verschiedenen Gemeinden möglich. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan Cesare Zucconi, Generalsekretär der Gemeinschaft.

Hier zum Hören:

Eine Schande

„Papst Franziskus hat ja gestern sehr klare Worte gefunden: Er hat es eine Schande genannt, dass diese Menschen, die auf einem Schlauchboot im Mittelmeer waren, zwei Tage lang um Hilfe gerufen haben und niemand sich gemeldet oder reagiert hat. Als die Hilfen nach zwei Tagen endlich kamen, waren alle ertrunken, man redet von etwa 130 Personen. Also, ich glaube, dass diese Tragödie uns wirklich zu einer Initiative drängt, und die erste Initiative, die wir ergreifen wollen, ist diese Gebetswache für die Opfer, aber auch dafür, dass endlich eine Änderung geschieht in Europa bezüglich dieses Dramas, das schon seit Jahren anhält.“

Gebetswache aus Solidarität und als Mahnung

In mehreren Ländern, darunter auch in deutschsprachigen Gebieten, werden die Gebetswachen durch die Basisgemeinschaft Sant’Egidio organisiert, die einzelnen Veranstaltungen sind auf der abrufbar. Die Gebetswache aus Rom kann im Livestream verfolgt werden. Teilnehmen werden daran auch Flüchtlinge, die durch die humanitären Korridore nach Europa gelangt sind – ein Projekt, das für Cesare Zucconi zumindest den Ansatzpunkt für eine Lösung darstellen kann:

„Seit 2015 haben wir bis heute schon über 3.500 Menschen nach Europa gebracht, zu großen Teilen nach Italien, aber auch nach Frankreich und nach Belgien.“ Im Rahmen der ökumenischen Initiative (auch die protestantische Kirche und die Waldenser sind involviert, ebenso wie karitative Einrichtungen wie die Caritas) werden besonders verletzliche Migranten mit einem berechtigten Asylanspruch in Transitländern wie etwa dem Libanon einwandfrei identifiziert und mit humanitären Visa ausgestattet. So können sie auf einem sicheren und legalen Weg Europa erreichen.  

Integration in die Gesellschaft - keine Kosten für den Staat

„Was Sant’Egidio dann macht, ist auch, diese Menschen in der Gesellschaft zu integrieren - alles auf Kosten von Sant'Egidio und dank der Beteiligung vieler Menschen, Familien, Pfarreien, Organisationen und so weiter, die in Italien, in Frankreich und in Belgien und anderswo die Menschen aufnehmen. Also eine Initiative, die keine Kosten für den Staat verursacht, aber Menschenleben rettet, einen sicheren und legalen Weg organisiert und die Menschen auch schnell integriert.“

„Aber das dürfte nicht nur eine Initiative von einigen Organisationen sein“

Mit Frankreich und Belgien wurden die entsprechenden Vereinbarungen erst kürzlich erneuert, so dass der Weg für weitere Migranten über die humanitären Korridore frei ist, berichtet Zucconi. „Aber das dürfte nicht nur eine Initiative von einigen Organisationen sein, wie Sant’Egidio, und einiger Regierungen, wie der italienischen Regierung, sondern es müsste eine europäische Initiative werden, wodurch man eben auch viel mehr Menschen das Leben retten, sie sicher nach Europa bringen und auch gut integrieren kann. Das ist auch kein nebensächlicher Aspekt der ganzen Geschichte. Aber der Weg zu einer europäischen Einigung ist noch mühsam. Diese Arbeit, die sich die Kommission in den letzten Jahren gemacht hat, um eine Änderung auf europäischer Ebene der Flüchtlings- und Migrantenpolitik zu provozieren, ist wirklich noch in den Anfängen, und es hat sich noch nicht viel bewegt.“ 

Flüchtlinge mit der Pandemie nicht verschwunden

Heute sei man in unseren Breitengraden verständlicherweise eher auf die Problematiken konzentriert, die mit der Pandemie zusammenhängen, gesteht Zucconi ein: „Aber die Flüchtlinge sind da, sie sind nicht durch die Pandemie verschwunden, und diese Tragödie im Mittelmeer zeigt uns, dass es die Welt da draußen gibt mit all ihren Problemen und Schwierigkeiten. Und das fordert natürlich zu einem zusätzlichen Einsatz, auch um diese Reisen überhaupt zu vermeiden!“

„Ich glaube, niemand verlässt das eigene Land, wenn es dort eine Perspektive gibt“

Es gelte also, in zwei Richtungen zu arbeiten: Einerseits für Frieden und Stabilität in den Herkunftsländern der Migranten sorgen, damit auch junge Menschen dort eine Perspektive haben – und andererseits einen sicheren und legalen Weg für die Menschen zu schaffen, die auch in Europa letztlich als Arbeitskräfte gebraucht würden. „Ich glaube, niemand verlässt das eigene Land, wenn es dort eine Perspektive gibt“, zeigt sich Zucconi überzeugt. Auch die libyschen Auffanglager für Migranten seien trotz aller politischer Lippenbekenntnisse immer noch Orte, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden, erinnert er. 

Eine Gruppe von Flüchtlingen, die dank der humanitären Korridore nach Italien gekommen sind
Eine Gruppe von Flüchtlingen, die dank der humanitären Korridore nach Italien gekommen sind

Das Mittelmeer hat einen traurigen Ruf als größter Friedhof der Welt, und dies zu Recht, so Zucconi, der darauf verweist, dass neben den bekannten Tragödien auch viele verzweifelte Menschen unbeachtet von der Welt auf ihrer Reise über das Mittelmeer von den Fluten verschlungen werden. Dringend gelte es, die derzeit praktisch nicht vorhandenen Rettungsschiffe in der Region zu verstärken, um ähnliche Tragödien zu vermeiden.

Aber auch humanitäre Korridore oder Private Sponsorship müssten in dieser Gemengelage eine Möglichkeit darstellen, Menschen aus ärmeren Ländern nach Europa zu bringen, so die Forderung des Sant’Egidio-Generalsekretärs: „Und natürlich gibt es auch die Priorität, das Leben der Menschen zu retten. Also, wir können nicht länger dabei zuschauen, wie die Menschen im Mittelmeer ertrinken. Hier muss es Sicherheit und Hilfe geben! Das betrifft Europa als Ganzes, als eine europäische Initiative, um das Leben dieser Menschen zu retten, das ist notwendig und muss schnell geschehen.“ 

(vatican news)

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26. April 2021, 12:34