Nach Papstreise in den Irak: Neues Kapitel für die Christen?
Stefanie Stahlhofen und Hélène Destombes - Vatikanstadt
Nadim Ammann ist Nahostexperte und leitet die Abteilung Weltkirche im Erzbistum Köln. Er hat den Irak 2018 besucht und war auch in Mossul:
?Mossul ist - glaube ich - das Sinnbild der Zerstörung, die dieser Krieg verursacht hat. So etwas hatte ich tatsächlich vorher noch nicht gesehen. Die Bilder erinnern ein bisschen an Köln nach dem Zweiten Weltkrieg. Da ist unheimlich viel kaputt gemacht worden, wohl die einzige Möglichkeit, den IS zu vertreiben. Von daher ist das natürlich unheimlich beeindruckend, dass der Papst genau da hingegangen ist. Da gibt es diesen zentralen Platz, wo mehrere Kirchen verschiedener Riten waren, die jetzt zerstört sind. Und genau in diesen Ruinen hat er dann dieses Gebet vollzogen. Das sind beeindruckende Bilder und das ist natürlich für die Christen, die aus dieser Stadt kommen, auch etwas ganz besonderes.“
Das sagt . Er gibt allerdings zu bedenken, dass sich die Stadt Mossul schon vor der Einnahme durch die Terrorgruppe IS stark radikalisiert habe und viele Christen schon lange nicht mehr dort lebten – auch der syrisch-katholische und der chaldäische Bischof hatten etwa ihren Sitz schon vor langer Zeit aus Sicherheitsgründen von Mossul in andere Städte verlegt.
Keine Rückkehr ohne Perspektiven
Die Reise des Papstes in den Irak sei ein ?starkes Zeichen“ für die Christen vor Ort, dass sie nicht alleine sind, macht die Bedeutung der christlichen Geschichte in der Region bewusst und den Wunsch, dass die Christen bleiben können und dass man dafür auch alles tut.
Doch letztlich, so meint der Nahostexperte, bleibt eine Rückkehr vertriebener Christen in den Irak oder Binnenvertriebener zurück nach Mossul auch nach dem Papstbesuch vorerst wohl nur eine Hoffnung:
?Ich habe viele Flüchtlinge auch in den Nachbarländern, in Jordanien, im Libanon, in der Türkei besucht, mit ihnen gesprochen, und keiner möchte mehr zurück. Es ist einfach so, dass die Christen mehrfach vertrieben worden sind und zunehmend keine Perspektive mehr für ihre Zukunft und für ihre Kinder gesehen haben. Und man muss ja auch ehrlicherweise sagen, dass in den Regionen, in die die Christen zurückgekehrt sind, die Berufsperspektiven und die Sicherheit gar nicht gegeben sind, dass man einfach ein ganz normales Leben führen kann. Und man weiß einfach nicht, was die Zukunft bringt.“
Ermutigung für junge Generation
Die Begegnung von Papst Franziskus mit dem schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani könne jedoch etwas in Bewegung gebracht haben, glaubt Ammann:
?Wenn die Schiiten sagen, die Christen haben eigentlich keinen Grund zur Sorge bei uns, dann ist das schon einmal eine Aussage und man kann nur hoffen - ich glaube, viel mehr als Hoffnung ist es tatsächlich nicht -, dass das Früchte trägt und auch bei den Leuten ankommt, dass das Zusammenleben die bessere Option ist als das gegeneinander Vorgehen.“
Dass die Zukunft der Christen im Irak nun etwas rosiger ist und auch mehr Vertriebene zurückkehren könnten, sagt hingegen Bischof Najeeb Michaeel im Interview mit Radio Vatikan. Der Geistliche ist seit 2018 chaldäischer Erzbischof von Mossul und weiß, wie viele Christen die Jahre des Krieges und Terrors ins Exil getrieben haben:
?Ich bin jetzt trotz allem recht optimistisch, was die Zukunft angeht. Die Reise des Papstes an sich ist ein Schatz, aber jetzt liegt es nicht am Heiligen Vater, diesen Schatz zu heben, sondern zuerst muss der Heilige Geist in den Herzen der Menschen, aller Religionen, wehen. Und dann sind es die Menschen selbst, die diesen Schatz heben müssen. ... Manche Leute sagen mir: ,Wenn der Papst spricht, klingt es, als wäre er ein Engel', das sind die Aussagen, die ich höre. Heute war ich mit einigen Generälen zusammen, und sie sagten mir: ,Er hat unsere Herzen und Köpfe durch seine Worte bewegt, er ist ein wahrer Mann Gottes'. All dies verspricht für die Zukunft, dass die jüngeren Generationen heute ermutigt werden, nach Mossul zurückzukehren, ohne Probleme in der Zukunft zu haben.“
Neues Kapitel für den Irak?
Papst Franziskus hat laut Bischof Najeeb Michaeel mit seiner Irakreise also den Grundstein für friedliches Zusammenleben im Land gelegt und den Christen den Weg zur Rückkehr und für eine bessere Zukunft geebnet. Die Dominikanerin Schwester Youma aus Karrakosch im Irak erklärte im Gespräch mit Radio Vatikan, es sei zwar eine schwierige Mission, im zerrissenen Irak die Wunden zu heilen und Frieden zu schaffen – dem Papst könne dies jedoch gelingen:
?Mit diesem Besuch dieser außerordentlichen Persönlichkeit denke ich ist ein Neustart möglich. Vieles wird sich ändern, die Welt sieht uns heute anders als vorher, als wir gedemütigt wurden. Der Papst hat nicht nur den Christen im Irak die Würde zurückgegeben, sondern auch allen irakischen Gemeinschaften, etwa den Muslimen und Jesiden, die ebenfalls sehr gelitten haben. Es ist wirklich ein neues Kapitel, das sich für den Irak öffnet", zeigt sich die irakische Ordensfrau nach dem viertägigen Papstbesuch im Irak, der diesen Montag endete, überzeugt.
(vatican news/domradio - sst)
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