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Ein Bild der Unruhen vom Sonnntag in Port-au-Prince Ein Bild der Unruhen vom Sonnntag in Port-au-Prince 

Haiti: Chaos, Gewalt und Sehnsucht nach Frieden

Die Bevölkerung des kleinen Karibikstaates lebt derzeit - wieder einmal – in einer äußerst gespannten Lage. Neben Naturkatastrophen und bitterer Armut kommt es nun auch noch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, weil die Menschen nicht akzeptieren, dass sich Präsident Moise, einst als Hoffnungsträger angetreten, turnusgemäßen Neuwahlen verweigert. Eine, die die Situation des Landes aus erster Hand kennt, ist die italienische Missionarin Maddalena Boschetti. Wir sprachen mit ihr.


„Alle haben sich diese Spannungen erwartet“, sagt uns die Fidei Donum–Missionarin. Die Bevölkerung Haitis lebt schon lange in bitterer Armut und in einer prekären Sicherheitslage, Naturkatastrophen taten ein Übriges, um die Situation noch schwieriger zu gestalten. Hinzu kommen nun die politischen Spannungen. Tausende Menschen haben auch an diesem Sonntag in der Hauptstadt Port-au-Prince demonstriert, um ihren Unmut darüber kundzutun, dass Präsident Jovenel Moise nicht verfassungsgemäß Neuwahlen ausrufen lassen will. Trotz internationaler Proteste griffen die Sicherheitskräfte auch diesmal hart durch, Tränengas kam zum Einsatz und rund zwei Dutzend Demonstranten wurden verhaftet. Die Organisation Amerikanischer Staaten OAS forderte bereits ohne Umschweife Neuwahlen und verlieh ihrer Besorgnis über die Missachtung von Menschenrechten Ausdruck. 

Maddalena Boschetti mit den Familien, die das Zentrum für behinderte Kinder besuchen
Maddalena Boschetti mit den Familien, die das Zentrum für behinderte Kinder besuchen

Auf Messers Schneide

Maddalena Boschetti lebt seit 18 Jahren im Land. Die aus Genua stammende Ordensfrau kümmert sich in der Mission von Mare-Rouge im Nordosten Haitis um behinderte Kinder. Sie zeigt sich vor allem darüber besorgt, wie mutlos und resigniert die Menschen im Land sich zeigen.

„Seit 2019, vor allem seit den Geschehnissen im September 2019 (als es zu ersten gewalttätigen Massenprotesten kam, Anm.) lebt das Land auf Messers Schneide und das, was in den letzten Tagen passiert ist, ist schlicht und ergreifend die Konsequenz daraus, die keine Überraschung für diejenigen darstellt, die in Haiti leben.“

Zum Nachhören: Unruhen in Haiti, Interview mit einer Missionarin

Nach den Protesten im September war die Hauptstadt Port-au-Prince praktisch abgeriegelt worden, Banden blockierten Straßen auch mit Waffengewalt, um Zutritte zu verhindern, lässt die Missionarin die Ereignisse Revue passieren. Waren gelangten nicht an ihren Zielort, Medikamente und Nahrungsmittel wurden auch in ihrer Mission immer knapper – kurz, eine Notlage, die sich zu der bereits chronischen Krise des Landes summierte, hält Maddalena Boschetti fest.

Demonstranten in Haiti machen ihrem Unmut Luft
Demonstranten in Haiti machen ihrem Unmut Luft

Menschen nehmen Corona-Maßnahmen nicht ernst

„Von dieser Situation aus ging es mit zusätzlichen Problemen wie dem Coronavirus weiter, und die Maßnahmen, die damit einhergingen, also zusätzliche Kontrollen und Restriktionen, wurden von den Menschen nicht ernst genommen, denn sie sahen darin eines der zahlreichen Manöver, die die Regierung durchführte, um Demonstrationen zu verhindern.“

Sie sehe es als ihre Pflicht an, Zeugnis abzulegen, so die Ordensfrau. Denn sie teile das Leben der Menschen hier vor Ort, so auch in der ruralen Umgebung ihrer Mission, wo die Landwirte mit harter Arbeit ein kleines Auskommen erwirtschaften und für das tägliche Brot kämpfen müssen.

„Die Armen werden immer ärmer. Die Menschen wollen leben! Die Schüler wollen nicht auch nicht dieses Jahr verlieren. Die Menschen wollen arbeiten. Ich muss leider auch sagen, die Reichen werden immer reicher. Diejenigen, die in diesem Moment leiden, sind wie immer die Ärmsten.“

Die natürliche Reaktion der Menschen auf diese Situation bestehe in reinem Selbsterhaltungstrieb, zeichnet die Missionarin ein dramatisches Bild der Lage. Man versuche, zu überleben, so gut es geht, ohne aufzufallen, aber eines sei klar: „Die Menschen glauben nicht mehr an die Regierung.“

Die andauernden Zusammenstöße und gewalttätigen Auseinandersetzungen zeigten dies deutlich auf, so Maddalena Boschetti, die gleichzeitig unterstreicht, dass sie keine „politische Analystin“ sei. Doch augenscheinlich glaubten die Menschen nicht mehr an die Möglichkeit eines Dialoges.

Zeugen des Evangeliums und der Sehnsucht nach Frieden

„Unser Zeugnis  als Missionarinnen in diesem Moment kann kein anderes sein als das, an der Seite der Zerbrechlichsten, der Ärmsten und Bedürftigsten zu stehen, um einen gemeinsamen Weg zu ermöglichen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich dafür zu entscheiden, Friedensstifter zu sein. Wir leben mit den Menschen, in dem Versuch, so gut wie möglich das Evangelium und die Sehnsucht nach Frieden zu bezeugen, der in uns wohnt.“

(vatican news - cs)

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16. Februar 2021, 12:26