Pfarreireform: Andere Länder, andere Prioritäten
Renardo Schlegelmilch - Köln
Vor allem die deutschsprachige Kirchenszene hat sich auf die Fragen der Leitung von Pfarrgemeinden sowie deren Zusammenlegung und Schließung konzentriert. Zweifelsohne sind das wichtige Themen im neuen Vatikan-Dokument, andere Länder interessieren sich aber viel mehr für die Finanzen der Pfarreien, dabei insbesondere für die Frage, ob Spenden an die Pfarrgemeinde anonym geleistet werden sollten, aber auch für die Frage, wie eine missionarische Kirche im 21. Jahrhundert aussehen kann - wie eine internationale des Kölner Domradios zeigt.
Ein Satz, den man immer wieder liest: Papst Franziskus gehe es um Inspiration und darum, auf die Menschen am Rande zuzugehen, nicht um schlichte Mangelverwaltung von Gemeindestrukturen. Die Rolle der Laien wird meist eher am Rande thematisiert.
Vereinigte Staaten: Auf neue Kreise zugehen!
So stellt das „", eine katholische Publikation der Jesuiten in den Vereinigten Staaten, fünf Punkte des Dokuments heraus, die für den Leser wichtig sind. An erster Stelle findet sich hier - wie auch in anderen US-Medien - die Feststellung, dass eine Gemeinde nicht mehr wie früher unbedingt an einen physischen Ort gebunden sein soll. Die Gemeinde soll weniger versuchen, Strukturen am Ort am Leben zu erhalten, sondern mehr missionarisch wirken und auf neue Kreise zugehen, im analogen wie digitalen Leben. „Eine missionarische Gemeinde sei aufgerufen, sich an jeden und jede zu richten, ohne Ausnahme, insbesondere auch an die Armen“, schreibt das Magazin in seiner Online Ausgabe.
Die Frage der Laien wird hier auch erwähnt, allerdings erst in den Punkten drei und vier der Aufzählung. Der fünfte und abschließende Punkt befasst sich mit einer Frage, die in Deutschland so gut wie gar keine Rolle spielt: Kirchen sollen für Taufen oder Hochzeiten keine direkten Spenden annehmen, sondern eher ein anonymes Spendenmodell nutzen. Da in den USA im Gegensatz zu Deutschland keine Kirchensteuer existiert, ist das für viele Pfarreien eine wichtige Einnahmequelle. Durch die Anonymisierung soll vermieden werden, dass es zu Abhängigkeitsverhältnissen in der Pfarrgemeinde kommt.
Italien: Aufs Geld achten!
Der Aspekt der anonymen Spenden bewegt auch Italien: So sehr, dass die italienische Tageszeitung „“ ihn als erstes in ihrem Artikel erwähnt. „Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Sakramente, insbesondere die Heilige Eucharistie, tarifpflichtig sind“, zitiert die Zeitung das neue Vatikan-Dokument.
Überhaupt stellt „La Stampa" das Geld in den Mittelpunkt. Die Finanzen der Pfarrgemeinde sollen transparent gehalten werden. Für die Verteilung sollen „Wirtschaftsräte“ eingesetzt werden (was in Deutschland ja üblich ist). Den Pfarrern und Priestern wird sehr ans Herz gelegt, einen einfachen Lebenswandel zu führen, und auf „Exzesse" zu verzichten. Damit sollen die Armen und ihre Bedürfnisse der Gemeinde näher stehen - und sich nicht der Pfarrer „oder eine kleine Gruppe“ persönlich bereichern.
Frankreich: Klare Rollen finden!
Das französische Magazin „“ findet in seiner Meldung zum Dokument gar keine Erwähnung für die Rolle der Laien in der Leitung von Pfarreien. „Eine missionarische Erneuerung“ sei die wichtigste Aufgabe einer Gemeinde im 21. Jahrhundert. Dabei stellt der Text mehrfach heraus, dass es sich hier um keine neuen Regeln handelt, sondern um eine Erinnerung und eine Betonung des bereits existierenden Kirchenrechts.
Der Pfarrer möge ein echter „Pastor", ein Hirte im Dienst seiner Gemeinde sein und nicht die Gemeinde als Diener oder Untergebene des Pfarrers betrachten. Ebenso sollen sich Diakone und Mitglieder geistlicher Gemeinschaften auf ihre eigenen pastoralen Aufgaben konzentrieren und nicht zum „Assistenten" des Pfarrers werden. Sie seien nicht „Halb-Priester und Halb-Laien".
Polen: Klassische Gemeinde schützen!
Das Polnische Online-Magazin „“ veröffentlicht einen Text, der das neue Vatikan-Dokument als Verteidigung der klassischen Gemeindeformen betrachtet. Papst Franziskus wird hier mit einem Satz zitiert, den er den polnischen Bischöfen bei ihrem letzten Vatikan-Besuch gesagt habe: „Die Pfarrei ist immer noch auf dem neuesten Stand! Es ist eine Struktur, die wir nicht aus dem Fenster werfen dürfen.“ Dafür sei eine „pastorale Bekehrung“ der Gemeinden erforderlich, von einer "konservativ-geschlossenen“ auf eine „missionarisch-offene Seelsorge“. Weiterführende Details und Inhalte des Vatikan-Dokuments werden hier nicht erwähnt.
Spanien: Digital sprachfähig werden!
Die Gemeinde der digitalen Zeit stellt das spanische Portal „" in den Mittelpunkt. Die Gemeinden müssen in 21. Jahrhundert fähig sein, auch im "globalen und pluralisierten Dorf" unterwegs zu sein. Die Sprache und das Verhalten der jüngeren Menschen habe sich verändert. Die Kirche müsse auch hier sprachfähig bleiben und die „digitale Kultur“ verstehen.
Ein wichtiger Punkt sind auch hier die Finanzen. Ebenfalls wird erwähnt, wie die Pfarrgemeinden mit anonymen Spenden umzugehen haben, und dass dafür keine Gegenleistung zu erwarten sei. Auch wünsche sich der Vatikan, dass ein Pfarrer mindestens fünf Jahre an seiner Pfarrstelle bleiben solle, um einen Einfluss auf das Gemeindeleben zu haben.
Großbritannien: Auf Franziskus-Linie bleiben!
Versöhnliche Worte schlägt das Magazin „“ aus London an. Die Zeitschrift sieht die Anweisung aus Rom auf der klaren Linie von Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika „Evangelii Gaudium" betont habe, dass die Kirche eine missionarische Rolle habe und sich nicht nur um sich selber drehen sollte. Diese Aspekte findet der Artikel auch im neuen Dokument wieder. Es rege die Gemeinden an, kreative Lösungen zu finden und nicht an alten Strukturen zu hängen - was viele Gemeinden insbesondere in der Corona-Krise gut gemeistert hätten.
Dabei sei es allerdings wichtig, nicht in Extreme zu verfallen. Eine alleinige Machtstellung des Pfarrers sei ebensowenig angebracht, wie eine Pfarrgemeinde, die von „Funktionären“ geleitet werde und wo der Priester nur für die Spendung der Sakramente zuständig sei.
(domradio)
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