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P. Daisuke Narui SVD, Fachmann für ethische Geldanlage und ernannter Bischof von Niigata (Japan) P. Daisuke Narui SVD, Fachmann für ethische Geldanlage und ernannter Bischof von Niigata (Japan) 

Gut investieren ist gerecht investieren: Gespräch mit einem Bischof und Anlageberater

Die Nächstenliebe der Kirche wird sinnlos, wenn sie zwar den Armen hilft, aber zugleich Spenden von Unternehmen nimmt, die die Umwelt zerstören. Darauf verweist der Steyler Missionar Daisuke Narui, ein Fachmann für ethische Geldanlage. Papst Franziskus hat den japanischen Ordensmann kürzlich zum Bischof von Niigata in Japan ernannt. Zum wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronakrise mahnt der Investmentberater dazu, ein waches Auge auf Menschenrechte zu haben.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Das Armutsgelübde, das Pater Daisuke Narui abgelegt hat, zeigt ihm den Weg: Alles aufzuopfern und zu teilen, für Gott, mit den Armen – so fasst der Ordenspriester sein Versprechen zusammen. Ein Versprechen, das ihn in die Welt der ethischen Geldanlage geführt hat. Seit 2018 wirkte der japanische Steyler Missionar für die Steyler Ethik Bank in Sankt Augustin bei Bonn. Er saß dort im achtköpfigen Anlagerat, der die Entscheidungshoheit über die Investments der Bank hat. In seiner Ordensgemeinschaft war der 46-jährige Pater Narui zugleich verantwortlicher Koordinator für das Themenfeld Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

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„Wir schließen uns der Armut von Jesus an, der sich selbst arm machte und die Armen liebte“, erklärt der Ordensmann seine Berufung. „Wir folgen seinem Beispiel. Deshalb müssen wir eines bedenken, wenn wir Geld investieren oder auch nur Spenden erhalten wollen: dass Geld und Güter in Solidarität mit den Armen eingesetzt werden müssen. Wenn wir den Armen helfen und gleichzeitig die Umwelt und das Leben armer Menschen durch Investitionen zerstören, indem wir Spenden von Unternehmen erhalten, die die Umwelt zerstören, dann wird unsere Arbeit sinnlos.“

Umwelt, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, gutes Wirtschaften, gutes Leben: Alles hängt mit allem zusammen, das ist der Kern der Sozialenzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus, die vor fünf Jahren erschien und zum Markstein des Pontifikats wurde. Wie sich dieser große Horizont auf Investment-Strategien in einem ethisch orientierten Geldinstitut niederschlagen? Seine Aufgabe in der Bank sei es gewesen, die Beobachtungen seiner Mitbrüder aus 80 Ländern einzubringen. „Es ging darum, realistische Informationen über die ethische Leistung von Großkonzernen zu sammeln. Die Steyler Bank hört zu und nutzt die Informationen, um ihre Geldanlage ethischer zu machen.“

Zwei Wege, Geld gut anzulegen

Grundsätzlich, erklärt Pater Daisuke Narui, gibt es zwei Wege, Investitionen ethisch zu gestalten. Einen Weg, der Dinge vermeidet, und einen anderen, der Dinge fördert. „Der erste Weg ist die Verhinderung von Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Investitionen. Um dies zu erreichen, vermeiden wir Investitionen in unethische Geschäfte wie Umweltzerstörung, Abtreibung, Embryonenforschung, Militärindustrie oder in Konzerne, die Arbeitsrechte verletzen. Der zweite Weg ist das Fördern von ethischem Wirtschaften, also solcher Produkte und Dienstleistungen, die der Umwelt und den Menschen nutzen und für sie sorgen. Zum Beispiel: erneuerbare Energie, gleiche Beschäftigungschancen, Beitrag für die lokale Gemeinschaft, soziale Verantwortung der Unternehmen.“ Ethische Geldanlage bedeute also, das Anlage-Portfolio jedes Investitionsproduktes daraufhin zu überprüfen, ob das Geld, das da hineingesteckt werden soll, wirklich ethisches Wirtschaften fördert oder nicht.

Wie weiter nach Corona?

Eine der Sorgen der Welt derzeit ist der Wiederaufbau nach den Einbrüchen der Corona-Pandemie. Die Situation muss so bald wie möglich wieder auf den Vor-Corona-Stand gebracht werden, um Armut zu verhindern, sagen die einen. Andere sehen – mit demselben Ziel - den Zeitpunkt für eine neue Form des Wirtschaftens gekommen. An welchen Kriterien soll man sich aus katholischer Sicht orientieren? „Wie Papst Franziskus sagt, sollten die Armen, die verletzlichsten Menschen, nicht im Stich gelassen werden”, erklärt Pater Narui. „Es gibt so viele Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, und viele von ihnen haben keinen Zugang zu sozialer Sicherheit, Migranten etwa. Die Ortskirche sollte diesen Menschen gegenüber aufmerksam sein und mit den örtlichen Regierungsstellen zusammenarbeiten, um die soziale Sicherheit zu gewährleisten.“ Und, wichtiger Punkt, gerade in der Krise: „Die Menschenrechte müssen in dieser Zeit respektiert werden.”

Gerechte wirtschaftliche Aktivität war schon immer ein Anliegen der katholischen Soziallehre, aber das Thema war noch nie so präsent wie jetzt unter Papst Franziskus, dem ersten Papst aus einem Schwellenland. Liegt es an der Zeit, in der wir leben, oder an diesem Papst? „Schwierige Frage“, räumt der weitgereiste Missionar ein. „Aber ich denke, es ist beides. Offensichtlich ist die wirtschaftliche Ungerechtigkeit gegenüber dem Menschen und der Schöpfung ein Zeichen der Zeit, und Papst Franziskus hat die Welt angeleitet und animiert, dieses Problem anzugehen.
Ich habe etwa 50 Länder besucht, und ich habe immer das Gefühl, dass die Lebensweise und die Botschaften von Papst Franziskus den Menschen sehr nahe kommen und dass die Menschen motiviert sind, auf die Herausforderungen des Papstes zu reagieren.” Er sehe eine solche Haltungsänderung an vielen auch kleinen Beispielen, so der Steyler Missionar: „Ich habe viele Pfarreien auf verschiedenen Kontinenten gesehen, die sich mit Umweltfragen befassen und ihre Wirtschaftsweise als Teil der ökologischen Umkehr überdenken.”

Damals, nach dem Tsunami

Pater Daiskue Narui war zehn Jahre lang Sekretär von Caritas Japan. In diese Zeit fiel die dreifache Katastrophe von 2011: Ein Seebeben, gefolgt von einem Tsunami, der einen dramatischen Reaktorunfall auslöste. Aus dem, was folgte, hat der Ordensmann viel über Fragen von Gerechtigkeit gelernt, wie er sagt. „Mir ist klar geworden, dass jene Menschen, die schon vor der Katastrophe arm und verletzlich waren, nach der Katastrophe noch ärmer und noch verletzlicher werden. Sie sind diejenigen, die am meisten leiden.” Die öffentliche Hilfe gehe in solchen Fällen zuerst an größere Gruppen. Die katholische Kirche sieht der Missionar in der Pflicht, für solche Unterschiede sensibel zu sein: Die Kirche müsse „die am meisten gefährdeten Menschen begleiten”.

Ihre ganz besondere Verantwortung nach Katastrophen wie dieser habe die Kirche ohnehin dann, wenn die sichtbaren Schäden beseitigt sind. „Die katholische Kirche in Japan ist klein, so dass wir nicht dasselbe tun konnten wie große Hilfsorganisationen. Aber wir konnten den Schrei und den Kampf der Menschen begleiten. Unzählige Häuser wurden vom Tsunami getroffen, und alles in ihrem Haus war mit Schlamm und Schutt verseucht. Wenn die Betroffenen zusammen mit Freiwilligen die Häuser aufräumen, arbeiten sie hart, und sie haben die Kraft dazu. Aber sobald ihre Häuser sauber sind, wird die Tatsache, dass ihre verlorenen Familienmitglieder nicht mehr in ihrem Haus sind, sehr deutlich, was unerträglicher Schmerz ist, und die Menschen verlieren ihre Kraft. Wir, die katholische Kirche, begleiten solche Menschen. Nicht nur, um Grundbedürfnisse zu stillen, die Häuser wieder aufzubauen, sondern um die Trauer der Menschen zu begleiten. Die katholische Kirche sieht den Menschen von einem ganzheitlichen Standpunkt aus, der geistige und geistliche Perspektiven einschließt, und es ist sehr wichtig, eine solche Sichtweise in der Zeit der Katastrophe zu haben.”

„Was ich gelernt habe, ist die Kirche in Zusammenarbeit. Besonders mit den Frauen“

Am 22. September wird Pater Daisuke Narui zum Bischof von Niigata geweiht. Die Ernennung durch Papst Franziskus habe ihn „sehr überrascht“, vertraut uns der Ordenspriester an. „Ich bin seit 20 Jahren Priester, habe aber nur zu Beginn drei Jahre als Gemeindepfarrer gewirkt. Ich weiß wirklich nichts über die Arbeit in einer Pfarrei und in einer Diözese!“ Genau das sehe er als Chance, viel von jenen zu lernen, die mehr wissen als er, sagt der Pater: „von den Mitpriestern, den Gemeindemitgliedern, den Laien, den Lehrenden in den katholischen Schulen. Erst danach kann ich meine Vision vom Dienst eines Bischofs festigen.“ Allerdings habe ihm gerade seine Erfahrung in Rom „eine ganze Menge großer Inspirationen über die Kirche gegeben. Was ich gelernt habe, ist die Kirche in Zusammenarbeit. Besonders mit den Frauen. Ich hoffe, dass ich weiterhin mit Laien, Frauen, in verschiedenen Verantwortungsbereichen zusammenarbeiten kann.“

Und noch etwas sagt der frühere Koordinator der Steyler Missionare für Gerechtigkeit und Frieden: Nach seiner Ernennung zum Bischof hätten ihm viele Bekannte eine Bitte anvertraut. Vergiss die Armen nicht. „Ich hoffe wirklich, dass ich die Arbeit an diesem Thema in meiner neuen Verantwortung fortsetzen kann: Vergiss die Armen nicht.“

 

(vatican news - gs)

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09. Juli 2020, 23:43