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Kanada: Gefahren des Missbrauchs lauern vor allem online

Die größten Risiken von Missbrauch finden sich heute im Internet. Davon ist die kanadische Kinderschutz-Expertin Judi Fairholm überzeugt. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert sie, wie man in Kanada mit dem Problem umgeht.

Mario Galgano und Sr. Bernadette Reis – Vatikanstadt

Judi Fairholm ist Mutter und Großmutter und lebt in Vancouver. Sie arbeitet seit fünfunddreißig Jahren im Bereich Kinderschutz und -sicherung. Judi Fairholm ist derzeit als Expertin für das Bündnis für Kinderschutz bei einer humanitären Initiative in Kanada tätig.

In einem Interview mit uns spricht sie darüber, wie sich Covid-19 auf Kinder in Missbrauchssituationen zu Hause ausgewirkt habe, und weist auf verräterische Anzeichen dafür hin, dass ein Kind möglicherweise sexuell ausgebeutet oder missbraucht wird. Denn die Kinder seien während des Lockdowns praktisch mit ihren Peinigern, die sich meistens im engsten Familien- oder Bekanntenkreis zu finden seien, eingeschlossen worden, während die über sie wachenden Institutionen wie Schulen geschlossen waren. Insbesondere deutliche Stimmungsschwankungen oder eine Veränderung des Verhaltens müssten zumindest ernsthaft hinterfragt werden, unterstreicht die Expertin.

Sie gibt Eltern nicht nur Tipps, wie sie ihre Kinder vor Missbrauch oder Ausbeutung im Internet schützen können, sondern auch dazu, wie die Eltern selbst während einer Quarantäne für ihr eigenes Wohlergehen sorgen können.

„Um für unsere Kinder und unsere Familien sorgen zu können, müssen wir für uns selbst sorgen. Es gibt immer die großartigen Anweisungen, die man in Flugzeugen bekommt, die besagen, dass man zuerst seine eigene Sauerstoffmaske aufsetzen muss, bevor man sie seinen Kindern aufsetzen kann. Ich denke, das gilt auch hier: Wir müssen auf uns selbst aufpassen. Wir müssen wissen, wie wir uns selbst Grenzen setzen können, wann wir Pausen einlegen müssen; wenn wir herausfinden, dass wir wirklich gestresst sind, wenn wir Ärger verspüren, dass wir Systeme zur Bewältigung haben, um damit umzugehen – entweder indem wir uns aus Situationen heraushalten oder indem wir Unterstützung suchen und darüber reden, was immer eben für uns funktioniert.“

Wenn Kinder nicht zur Schule gehen dürfen

Die Kehrseite des Eingesperrtseins sei, dass sie auch vielerorts „aus Schulen und anderen Einrichtungen ausgesperrt wurden, die sie oft beschützen". Kinder in dieser Situation seien daher anfälliger. Darüber hinaus verbrächten die Kinder bei so viel Zeit, die ihnen zur Verfügung stünde, „längere Zeit online, und Täter, die online sind, haben mehr Zugang zu ihnen".

Die Expertin sagt, dass Kinder durch ihr Verhalten kommunizieren, „was mit ihnen geschieht“. Es sei besonders notwendig, „wachsam und sensibel“ zu sein, um Verhaltensänderungen zu beobachten, rät Judi Fairholm. Das bedeutet, Verhaltensweisen aufzufangen, „die für ein Kind nicht normal sind“, oder „ein Kind zu sehen, das häufig wütend wird“. Fairholm gibt zu, dass Stress in der Familie auch Ärger bei Kindern auslösen könne. „Es gibt viele Gründe für sie, wütend zu werden“, sagt sie, „aber es ist immer etwas, das man erforschen und zu verstehen versuchen muss“. Die Werkzeuge, die Betreuerinnen und Betreuer dafür einsetzen müssen, seien Wachsamkeit, Beobachtungsgabe und Zuhören bei Kindern. Dies könne dazu beitragen, dass sie sicher sind, wo auch immer sie sind, sagt Judi Fairholm.

Diejenigen, die keine unmittelbaren Familienmitglieder seien, könnten diese Zeichen bei Kindern, mit denen sie in Kontakt kommen, aufgreifen. In diesem Fall rät Judi Fairholm, dass die „dritte Person wirklich auf diese Zeichen hören“ und „herausfinden muss, ob es ein Muster zu erkennen gibt“. Wenn es ein Muster von sprunghaftem Verhalten zu geben scheint, „sollten sie Unterstützung für das Kind aufsuchen“, sagt sie.

Die Regeln der drei R

Eltern müssten klar erkennen, welche Erwartungen sie an ihre Kinder stellen und diese klar kommunizieren. Um dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt die Experten die Regel der drei „R“: „Ruhe schaffen, Routine haben und Regulieren“. Das letzte „R“ gilt nicht nur für das Regeln aufstellen für Kindern, sagte sie. Es bedeutet „unsere eigenen Emotionen als Erwachsene zu regulieren und auch Kindern beizubringen, wie man Emotionen reguliert“.

Laut dem internationalen Polizeibündnis Europol hat die Corona-Krise zu einer starken Zunahme bei Fällen sexueller Ausbeutung von Kindern durch Online-Verbreitung von Fotos und Videos geführt. In der Isolation seien Kinder gefährdeter als sonst, in einigen Ländern gebe es auch mehr Fälle von sexuellem Missbrauch, so die europäische Polizeibehörde in einem aktuellen Bericht.

Es liege in der Verantwortung des Erwachsenen zu verstehen, „mit wem das Kind online interagiert und wie viel Zeit es online verbleibt“, unterstreicht die Kinderschutzexpertin Fairholm. Sie schlägt auch Familienregeln vor, die bestimmen, „wann Kinder offline sind und wann die ganze Familie offline ist“, so Judi Fairholm.

Die Beaufsichtigung der Online-Zeit und des Online-Verhaltens von Kindern „ist für die Eltern wirklich schwierig“, sagt Judi Fairholm, „weil die Familien offensichtlich unter Stress stehen“. Familien stehen unter viel mehr Stress, wenn sie eingesperrt sind, und sie bewegen sich über längere Zeiträume in demselben kleinen Raum. „Und so ist es einfach, wenn das Internet verfügbar ist und wenn das Kind ein Gerät hat, da sagt sich ein Vater oder eine Mutter einfach: 'Na ja, wenn sie mit dem Gerät sind, dann sie sind wenigstens ruhig. Wir brauchen uns keine Sorgen um sie zu machen.'“

Es liege in der Verantwortung des Erwachsenen zu verstehen, „mit wem er online interagiert und wie lange er online ist“. Sie schlägt auch Familienregeln vor, die regeln, „wann sie offline sind und wann die ganze Familie offline ist“.

(vatican news)

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29. Juni 2020, 11:03