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Afghanische Kinder verkaufen Plastiktüten in Zeiten von Coronavirus (Kabul, Afghanistan) Afghanische Kinder verkaufen Plastiktüten in Zeiten von Coronavirus (Kabul, Afghanistan) 

Corona: „Hunger, Gewalt und sexueller Missbrauch werden zunehmen“

Die Folgen der Corona-Pandemie können für Kinder in Entwicklungsländern verheerend sein. Diese Warnung kommt vom Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘. Dessen Gesundheitsexpertin Bärbel Breyhan weist darauf hin, dass es insgesamt zu einer Zunahme von Gewalt gegen Kinder und einer Zunahme von Kinderehen und Kinderprostitution sowie sexuellem Missbrauch kommen könnte.

Aktuell erreichten das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ täglich zahlreiche Anfragen seiner Partner aus der ganzen Welt, deren Situation sich aufgrund der Corona-Krise verschärfe, berichtet Bärbel Breyhan.

Verunsicherung und Angst

„Eines ist allen Anfragen gemein: Es herrscht eine sehr große Verunsicherung und Angst, weil die Menschen überhaupt nicht einschätzen können, wie stark sich das Virus bei ihnen verbreitet und welche Folgen dies haben wird. In vielen Ländern, in denen wir Projekte unterstützen, sind mittlerweile Kontakt- und Ausgangssperren verhängt worden. Dadurch können einige unserer Partner ihrer Arbeit nicht mehr in dem Maße nachgehen, wie sie es gerne täten, oder müssen ihre Hilfe für die Menschen vor Ort komplett einstellen, zum Beispiel in Nepal, wo ein generelles Arbeitsverbot gilt.”

Zum Nachhören

Andere Partner des Kindermissionswerkes wiederum hätten ihre Hilfe der Situation entsprechend angepasst und den Schwerpunkt ihrer Arbeit verlagert, zum Beispiel auf Nahrungsmittelhilfen und Hygienemaßnahmen, führt Breyhan weiter aus. In Entwicklungsländern sei das Virus besonders gefährlich für die Menschen, da Generationen übergreifende Familien normalerweise auf engem Raum in prekären Verhältnissen leben, gibt die Gesundheitsexpertin zu bedenken. Zudem seien viele Menschen Tagelöhner, so dass Ausgangssperren gleichzeitig dazu führten, dass die Familie ohne Gehalt dasteht. Vorsichtsmaßnahmen, wie sie mit dem Social Distancing und Ausgangssperren in westlichen Ländern durchgeführt werden, seien unter diesen Umständen kaum möglich.

Auch Geberländer sind von der Pandemie betroffen

Hinzu kommt, dass auch die Geberländer von der Pandemie betroffen sind – dies führe dazu, dass Hilfsorganisationen ihre Fachkräfte aus dem Ausland abzögen und diese somit vor Ort, bei den Ärmsten, fehlten. Ganz zu schweigen von den Gesundheitssystemen, die bereits unter normalen Umständen überlastet sind und kaum über Plätze in der Intensivtherapie verfügten, gibt Breyhan Einblick in die Schwierigkeiten, vor denen die ärmeren Länder des Südens in verschärfter Form stehen. Doch wie stark sind die Kinder in diesen Ländern durch die Ausbreitung des Corona-Virus betroffen?

„Die bisherigen Erfahrungen mit dem Virus zeigen zwar: Kinder und Jugendliche erkranken sehr viel weniger an Covid-19 und überstehen die Infektion meist ohne größere Komplikationen. Sie haben eine andere Immunantwort als Erwachsene. Dies könnte ein Hoffnungsschimmer für die Gesellschaften in den Ländern des Südens mit einem großen Anteil an Kindern und Jugendlichen sein. Andererseits sind viele Kinder in diesen Ländern mangelernährt und haben der Infektion weniger entgegenzusetzen.” Es sei insofern schwer abzuschätzen, wie sich die Viruserkrankung direkt auf die Kinder auswirken wird, erläutert Breyhan.

„Wenn die Gesundheitssysteme am Rande des Kollaps stehen, fehlen die Ressourcen, um Kinder, die an anderen Krankheiten wie einer schweren Malaria leiden, zu versorgen“

 

Eines sei jedoch sei klar: „Wenn die Gesundheitssysteme am Rande des Kollaps stehen, fehlen die Ressourcen, um Kinder, die an anderen Krankheiten wie einer schweren Malaria leiden, zu versorgen. Diesen Umstand konnten wir schon 2015 bei der Ebola-Epidemie in Westafrika beobachten. Die Folge ist eine erhöhte Kindersterblichkeit. Große Sorgen bereiten uns und unseren Partnern auch die Länder, die stark von der Aids-Epidemie betroffen waren. Viele Kinder haben dadurch ihre Eltern verloren. Jetzt bedroht das Coronavirus die Großeltern, die sich häufig seither um die Kinder kümmern. Die Gefahr steigt, dass die Kinder im schlimmsten Fall ein zweites Mal ihre wichtigsten Bezugspersonen verlieren.”

Direkte und indirekte Folgen für Kinder

Doch die Gefahren für Kinder in Entwicklungsländern beschränken sich nicht nur auf die direkten Folgen des Corona-Virus: Solche Krisen seien Herde für eine Zunahme von Gewalt gegen Kinder, von Kinderehen und Kinderprostitution, sexuellem Missbrauch und Teenagerschwangerschaften, zeichnet Breyhan ein dramatisches Bild. „Wenn Eltern ihren Job verlieren und ihnen dadurch die Lebensgrundlage wegbricht, steigt in den Familien der ökonomische Druck. Die Familien haben schlichtweg kein Geld mehr zum Leben, kein Geld für Essen. Diese Situation führt zu einer sozialen Gefährdung für die Kinder, denn in den Familien kommt es dann vermehrt zu Gewalt und Spannungen. Diese werden verstärkt, wenn die Familien die Häuser nicht mehr verlassen dürfen und auf engem Raum, oft ohne Rückzugsmöglichkeiten, für ungewohnt lange Zeit zusammenleben müssen.“

Weitere Probleme brächten die Schulschließungen in vielen Entwicklungsländern mit sich. Denn oft seien die Schulmahlzeiten für die Kinder die einzige Möglichkeit, am Tag etwas Warmes zu essen. „Zum anderen besteht die Gefahr, dass es zu einer langen Unterbrechung der Bildung kommt und die Kinder infolge des ökonomischen Drucks zum Lebensunterhalt beitragen müssen und nicht wieder zurück in die Schule gehen. Vor allem ältere Mädchen, die jetzt im Haushalt mithelfen müssen, laufen Gefahr, am Ende der Krise nicht wieder in die Schule zu gehen, sondern stattdessen zu Hause zu arbeiten.“

Besonders gefährdete Kinder nicht aus dem Blick verlieren

 

Einem besonders hohen Risiko ausgesetzt seien in Krisenzeiten jedoch Kinder mit Behinderung, genauso wie Kinder von ethnischen Minderheiten, Kinder auf der Flucht und Kinder, die bereits in normalen Zeiten durch die Maschen des Systems fielen, wie etwa Straßenkinder, gibt Breyhan zu bedenken: „Partner, die mit solch gefährdeten Mädchen und Jungen und ihren Familien arbeiten, brauchen eine besondere Förderung.”

All diese Probleme der Kinder habe das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ im Blick, erläutert die Gesundheitsexpertin der Hilfsorganisation. Unsere Expertise ist der Kindesschutz. Kinder vor Gewalt, sexueller Ausbeutung und Vernachlässigung zu schützen, darauf liegt der Fokus unserer Hilfe. In dieser Krise, die das Potenzial hat flächendeckend zu einer schweren Krise mit langanhaltenden Folgen zu werden, ist es wichtig, von Anfang an den Kindesschutz zu stärken und in die Hilfsmaßnahmen zu integrieren. Dies beginnt schon bei der Unterstützung mit Nahrungsmitteln und der medizinischen Versorgung.”

„Die größte Sorge der Menschen besonders in den Ländern mit einer Ausgangssperre ist, das tägliche Überleben der Familie zu sichern“

Doch auch die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie stellten eine große Gefahr für die Kinder dar, unterstreicht Breyhan. „Wir beraten und unterstützen unsere Partner aktuell auf vielfältige Weise. Die größte Sorge der Menschen besonders in den Ländern mit einer Ausgangssperre ist, das tägliche Überleben der Familie zu sichern. Wie sollen Lebensmittel beschafft werden, wenn kein Geld vorhanden und die Arbeit verboten ist? Hier kann das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ mit seinen Partnern helfen und etwa die Schulmahlzeiten den Familien nach Hause bringen.“

Vermehrte körperliche und psychische Gewalt

Der vermehrten körperlichen und psychischen Gewalt und der Zunahme von Stress und sexuellem Missbrauch in den Familien gelte es hingegen mit einer engen Begleitung und Beratung der Familien durch die Partner vor Ort zu begegnen, unterstreicht Breyhan: „Dazu zählen beispielsweise digitale Gesprächsangebote via Internet und Telefon, um den Stress und die existenziellen Sorgen der Eltern abzufedern und die Kinder somit zu schützen. Unser Ziel ist es zudem, die Bildung der Mädchen und Jungen während der Corona-Krise bestmöglich zu sichern, unter anderem mit digitalen Schulangeboten. Und ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt ist die Aufklärung über das Virus. Die Angst vor Corona ist riesig. Falschinformationen und Mythen, die rund um das Virus in vielen Ländern existieren, schüren diese Angst und erschweren die Eindämmung. Daher ist Aufklärung, beispielsweise über korrekte Verhaltensmaßnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung, ein wichtiger Bestandteil der Arbeit unserer Partner.“

Eine Entwicklung über die nächsten Monate vorherzusagen, sei schwierig und hänge maßgeblich von den politischen Entscheidungen der Regierungen in den einzelnen Ländern ab, gibt Breyhan zu bedenken. „Länder, die einem klaren Präventionsplan folgen, wird es vermutlich nicht so schwer treffen, wie Länder, die keine Kontakt- oder Ausgangssperren verhängen. Diese können aber nur wirksam werden, wenn den Bedürfnissen und Nöten der Bevölkerung Rechnung getragen wird. Menschen, die hungern, lassen sich nicht einsperren. Sie werden versuchen, ihre Familien zu ernähren. Hier müssen entsprechende Hilfsleistungen von Anfang an integriert werden. Entscheidend ist, dass wir die Menschen – und vor allem die Kinder – in dieser Pandemie nicht alleine lassen, ihnen beistehen und unsere Partner bei ihrer Arbeit vor Ort bestmöglich unterstützen.“

Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ – das Hilfswerk der Sternsinger


Mehr als 1.800 Projekte für benachteiligte Kinder weltweit werden jährlich vom Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ unterstützt. Einnahmen in Höhe von insgesamt rund 78,4 Millionen Euro standen dem Hilfswerk der Sternsinger 2018 für seine Arbeit zur Verfügung. Gefördert wurden Projekte in 111 Ländern. Neben der Förderung der Kinder-Hilfsprojekte zählen der Einsatz für die Rechte von Kindern weltweit sowie die Bildungsarbeit zu den Aufgaben. 

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23. April 2020, 11:02