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Die Füße eines Neugeborenen Die Füße eines Neugeborenen 

Frankreich: Warum die Bischöfe vor dem Bioethik-Gesetz warnen

Der „vote catholique“, also das katholische Wählerpotential, ist durchaus ein Faktor in der französischen Politik. Jetzt riskiert Präsident Emmanuel Macron, es sich mit dieser Wählergruppe zu verscherzen – so wie das seinem Vorgänger Francois Hollande wegen der Einführung der „Ehe für alle“ passiert war.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Diesmal geht es aber nicht um gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sondern um das bioethische Feld. Der Senat wird am Dienstag in Paris über ein Bioethik-Gesetzvorhaben abstimmen, das u.a. künstliche Befruchtung auch für lesbische Paare und für alleinstehende Frauen vorsieht. Aus katholischer Sicht wird damit einmal mehr an Ehe und Familie gerüttelt.

Der Erzbischof von Rouen, Pierre d’Ornellas, ist der Bioethik-Verantwortliche unter Frankreichs Bischöfen (auch wenn der Pariser Erzbischof Michel Aupetit, von Hause aus Arzt und Bioethiker, sich gleichfalls gern zu dem Thema einlässt). In einem offenen Brief warnt d’Ornellas die Regierung vor den Folgen, die das (in erster Lesung vom Parlament schon gebilligte) Gesetz für den Sozialpakt im Land hätte.

„Das Projekt einer anderen Gesellschaft“

„So, wie das Gesetzesvorhaben das Parlament verlassen hat, kommt in ihm beim Thema Unfruchtbarkeit kein Kriterium der Pathologie mehr vor“, erklärt uns der Erzbischof in einem Interview. „Als ob es keine Unterschiede gäbe zwischen Personen, die sozusagen krankhaft unfruchtbar sind, und Personen, denen das nicht so geht. Auf diesem Unterschied allerdings beruht auch unser Sozialpakt. Denn bleibt das Kriterium bestehen, dann sind wir eine Solidargemeinschaft, die sich um Kranke kümmert. Aber gilt das auch bei Leuten, die einfach bestimmte Wünsche haben? Doch offensichtlich nicht!“

Zum Nachhören

Also habe es doch etwas mit dem Sozialpakt und dem sozialen Frieden in der französischen Gesellschaft zu tun, ob künstliche Befruchtung für Menschen gelte, die eine medizinische Indikation hätten, oder unterschiedslos für alle. Hinter dem Gesetzesvorhaben aus dem Hause Macron wittert der Erzbischof „das Projekt einer anderen Gesellschaft“.

„Ich stütze mich ganz einfach auf ein ethisches Argument“

„Und zweitens schreibt mir Premierminister Edouard Philippe, dass Kinder, die ohne biologischen Vater im Reagenzglas entstanden sind, sich allen Studien zufolge genauso gut entwickeln wie die anderen. Aber das ist ja gar nicht die Frage! Ich argumentiere nicht von soziologischen Studien her (die gar nicht immer unbedingt glaubwürdig sein müssen, nebenbei bemerkt – man weiß ja, wer solche Studien erstellt, und im Auftrag von wem…) Nein, ich stütze mich ganz einfach auf ein ethisches Argument. Darf das Zivilrecht vorschreiben, dass Kinder keinen Vater haben, keine Abkunft von einem Vater? Genau das bestreite ich. Woher hätte denn das Zivilrecht diese Ermächtigung?“

In Paris sei vor Jahrzehnten feierlich die Menschenrechtserklärung unterzeichnet worden, so der Erzbischof, und im Artikel 1 stehe, dass alle Menschen frei und gleich an Rechten geboren würden. Sein Kommentar:

„Ich warte noch darauf, dass man mir das Gegenteil nachweist“

„Das war’s dann! Wir würden nicht mehr im Einklang mit dieser Erklärung stehen, wenn es Kinder gäbe, die ohne Vater geboren würden. Aus meiner Sicht ist es ein grundlegendes Recht, einen Vater zu haben. Ich warte noch darauf, dass man mir das Gegenteil nachweist! Es ist eine fantastische Ungerechtigkeit, dass das Gesetz sich einfach selbst das Recht herausnimmt, zu dekretieren, ob ein Kind einen Vater haben darf oder nicht.“

Noch unter Präsident Hollande hatten die katholischen Gegner der „Ehe für alle“ davor gewarnt, dass dieser Eingriff ins klassische Ehemodell auf längere Sicht auch zur Freigabe der künstlichen Befruchtung für lesbische Paare führen würde. Tatsächlich droht jetzt genau das – wenn der Senat das Projekt abnickt und zur endgültigen Abstimmung ins Parlament, die „Assemblée Nationale“, zurückschickt.

Der nächste Dammbruch ist schon absehbar

Pierre d’Ornellas glaubt, dass im schlimmsten Fall weitere Dammbrüche absehbar seien. „Der Senat könnte natürlich jetzt beschließen, dass nur die Frau, die das Kind zur Welt bringt, als Mutter anerkannt wird – nach dem alten Prinzip ‚Die Mutter ist die Gebärende‘. Aber wenn das Gesetzesvorhaben so beibehalten wird, wie es das Parlament beschlossen hat, dann werden die beiden Frauen unterschiedslos und gleichwertig als Mütter anerkannt – die Frau, die das Kind geboren hat, und die andere, die es nicht geboren hat. Und damit springt dann das Tor zur Leihmutterschaft weit auf: Dann kann eine Frau, die das Kind nicht zur Welt gebracht hat, sich trotzdem mit Fug und Recht als seine Mutter bezeichnen, solange die Frau, die das Kind ausgetragen hat, gut behandelt und gut bezahlt worden ist…“

Und damit sieht der Erzbischof das Risiko verbunden, dass der Leib von Frauen zur Ware wird. „Das Problem an der Leihmutterschaft ist ja, dass alles mit Vertrag gemacht wird. Da wird nicht nur der Leib der Frau zur Ware, sondern auch der Leib des Kindes. Das Zeugen von Kindern wird zu einer kommerziellen Angelegenheit, über die man Verträge abschließt. Dabei ist das Zeugen in gewisser Hinsicht das Uneigennützigste, das man überhaupt tun kann… Dieser Charakter der Uneigennützigkeit im zur-Welt-Kommen, im Zeugen von Kindern gehört zur Essenz des Menschseins. Wenn das jetzt ins Kommerzielle gezogen wird, dann ist das eine Verirrung im zutiefst Menschlichen.“

„Eine halbe Stunde nach der Abstimmung hatte ich schon eine Werbung bei mir auf dem Computer“

Man solle sich bitte keinen Illusionen hingeben, auf welche schiefe Bahn man gerate, wenn man das Kinderkriegen mit den „Gesetzen des Marktes“ in Verbindung bringe. Hier gehe es um viel Geld, warnt der Erzbischof. „Eine halbe Stunde nach der Abstimmung hatte ich schon eine Werbung bei mir auf dem Computer, um Sperma zu kaufen. Dabei waren zwei Männer abgebildet, die beide wie der Gott Apollo aussahen. Es ist doch klar, dass hinter diesem Spermakauf der Mythos der Eugenik aufschimmert.“

Eugenik – das erinnert an die „Erbgesundheitslehre“ der Nationalsozialisten und in letzter Konsequenz an das Ausmerzen von lebensunwertem Leben, gegen das zur Nazizeit ein Kardinal Galen, der „Löwe von Münster“, aufstand.

Lieber ein striktes Gesetz

Erzbischof Pierre d’Ornellas ist ein geistlicher Begleiter der Bewegung „Arche“ des verstorbenen Jean Vanier; sie kümmert sich um Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen. Er erzählt: „Ich finde in den Arche-Gemeinschaften das Glück, das jeder in seinem eigenen Rhythmus lebt. Man merkt natürlich, dass das alles auch mit Leid verbunden ist – aber es gibt einen echten Weg der Freude in diesen Gemeinschaften. Wir in Frankreich wollen doch eine inklusive Gesellschaft – und gleichzeitig will man nun in dem neuen Gesetz Gen-Prüfungen aller Art erlauben (von denen man gar nicht weiß, ob sie überhaupt sicher sind). Prüfungen, die dazu führen würden, dass Embryonen, die angeblich dies oder jenes haben, gar nicht erst eingesetzt werden. Einige Krankheiten aber lassen sich in diesen Gen-Tests gar nicht nachweisen – und dann brechen die Leute unter der Last zusammen. Mit diesen Gen-Tests wird eine Illusion bedient. Ich glaube, das Gesetz sollte strikt sein, um diesen Charakter der Uneigennützigkeit, wenn man ein Kind zeugt, zu bewahren.“

(vatican news)
 

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03. Februar 2020, 13:01