Kirche und Indigene: Worüber wird bei der Synode gesprochen?
P. Bernd Hagenkord - Vatikanstadt
Die Kirche in Amazonien ist herausgefordert: Von der Ausbeutung der Schöpfung Gottes, vom Verschwinden indigener Kulturen, von evangelikaler Konkurrenz. Besonders letztere ersetzen vielerorts katholische Gemeinden, auch tief drinnen im Amazonasgebiet, gerade weil dort Priester kaum hinkommen.
Bischof Wilmar Santin (O. Carm.) ist seit 2010 Leiter der Apostolischen Prälatur von Itaituba, eines riesigen Bistums von der Größe von Halb-Deutschland, mit nur 21 Priestern. Er versucht auf die Veränderungen zu reagieren, zum Beispiel durch die Ausbildung von Laien zu Gemeindeleitern, aber auch durch die Betonung der Bibel im Leben der Gemeinden.
Lernende Kirche sein
Pope: Dom Wilmar, lernen Sie von den Pfingstkirchen, von den Evangelikalen und den anderen „neuen Kirchen“ in Amazonien? Lohnt es sich, deren pastorale Strategien zu adaptieren?
Dom Wilmar Santin: „Nicht nur, sondern ich lerne da auch aus meiner persönlichen Erfahrung im Umgang mit den Menschen. Ich spüre, dass sie einen großen Hunger haben, das Wort Gottes kennen zu lernen. Wir arbeiten seit einiger Zeit vermehrt mit Bibelkreisen in Dörfern und Pfarreien.
Da der Papst diesen Punkt, die Suche nach neuen Wegen für die Kirche, festgelegt hat, denke ich, dass es viele Vorschläge geben wird, die unser Amt und unsere Kirche in Amazonien revolutionieren könnten. Weil viele schöne Dinge passieren, viele gute Dinge, von denen wir nichts wissen. Nicht nur hier in Brasilien, sondern auch in anderen Ländern, die Teil des Amazonasgebiet sind. Erfahrungen aller Art, die uns helfen können, Licht zu spenden und zu erwachen, um ähnliche Dinge zu tun oder einen Einblick zu haben, um neue Dinge zu tun, die über das hinausgehen, was uns vielleicht die Synode vorschlägt.“
Erwartungen an die Synode: Viri Probati?
Pope: Wenn wir von Veränderungen sprechen, dann müssen wir auch über Erwartungen reden. Die Europäer erwarten Synode auch zum Thema viri probati – also zu verheirateten Priestern – einiges an Ergebnissen. Sie werden selber ja bei der Synode dabei sein, wird das Thema auf die Tagesordnung kommen?
Dom Wilmar Santin: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses Thema aufkommen und diskutiert werden wird, aber ich weiß nicht, was passieren wird. Ich kann nicht sagen, ob es positiv aufgenommen wird, aber es wird diskutiert werden. Aber es ist ja keine Frage Amazoniens alleine, sondern der Kirche als Ganzes. Da kann es hier vielleicht ad experimentum den Versuch geben und später kann dann für den Rest der Kirche die Erlaubnis erteilt werden. Es wird einen Einfluss auf die ganze Kirche haben, nicht nur auf den Amazonas.“
Pope: Was ist in Ihren Augen das wichtigste Thema, dass bei der Synode auf die Tagesordnung kommen muss?
Dom Wilmar Santin: „Ich sehe, dass ein großes Problem der relative Verlust der indigenen Kultur ist, der durch den Kapitalismus, durch den Konsumismus oder andere externe Ursachen verursacht wird. In diesem Sinne ermutigen wir die Indigenen immer, ihre eigene Kultur nicht zu verlieren. Es ist nicht so, dass sie die guten Dinge der sogenannten Zivilisation oder des Kapitalismus nicht annehmen können, sondern dass sie dabei nicht die echten Werte verlieren, die sie haben. Da gibt es aber einen Unterschied zwischen uns und etwa den Evangelikalen.
Das wichtigste Thema: indigene Kultur
Im konkreten Fall der Kultur möchte ich als Beispiel anführen: Ich lade etwa bei Firmungen die jungen Leute ein, sich in ihre traditionelle Festtagskleidung zu kleiden. Also, normalerweise kleiden sich die meisten von ihnen auf traditionelle Weise. Ich ermutige sie auch, immer ihre Sprache zu sprechen. Und ich sage denen, die gefirmt werden: Ihr habt nun die Pflicht, Krieger Gottes zu sein, und ein Krieger Gottes ist auch derjenige, der seine eigene Kultur verteidigt, denn diese ist eine Vision der Welt, eine Vision von Gott, eine Vision des Lebens. Krieger Gottes, das ist ein Bild aus ihrer eigenen Kultur.
Es gibt die Evangelische Kirche oder einige Pastoren, die sogar sagen, dass die Munduruku-Sprache die Sprache des Teufels ist, so dass sie die Sprache nicht mehr sprechen. Und der Verlust der Sprache ist von grundlegender Bedeutung, damit verlieren sie auch ihre eigene Kultur und ihre eigene Identität. Wie der Papst sagt: Der Verlust einer Kultur ist viel schlimmer als der Verlust einer Tier- oder Pflanzenart.“
In Kontakt mit Indigenen
Pope: Veränderung ist ja auch immer persönlich, haben Sie sich in Ihren 18 Jahren als Bischof hier verändert? Durch die Begegnungen mit der Kultur der Munduruku, welche die Mehrheit in ihrem Bistum sind?
Dom Wilmar Santin: „Bis ich hierher kam, hatte ich null Kontakt mit Indigenen, keinen. Also hatte ich eine sehr allgemeine Vorstellung von den Indigenen. Es war für mich eine ferne Realität. Wir lesen etwas ... aber was das Auge nicht sieht, das fühlt das Herz nicht.
Am Tag meiner Weihe war eine kleine Gruppe Munduruku dabei. Es war mein erster Kontakt mit ihnen. Fünfzehn Tage später kam dann das, was ich meine Amazonas-Taufe nenne, denn ich war 400 Kilometer zu den Munduruku unterwegs, auf Straßen ohne Asphalt, der Bus blieb zweimal stecken, was hier die normalen Straßenverhältnisse bei Regenwetter sind. Dann ging es einen ganzen Tag von Jacareacanga aus zum Dorf, in einem kleinen wackeligen Boot. Es war für mich ein einschneidendes Erlebnis!
Bei den Feierlichkeiten dort hat sich mir dann das Herz für ihre Wirklichkeit geöffnet. Ich interessierte mich mehr für die Situation der Indigenen im Allgemeinen, ihre Geschichte und Kultur - besonders der Munduruku. Das beeinflusste mich sehr, sie mehr zu lieben, mich mehr zu sorgen und ihre Stimme zu sein, in ihrer Verteidigung in diesen kritischen Momenten. Mich hat das beeinflusst, immer mehr unter ihnen präsent zu sein.“
Gott und die Schöpfung
Pope: Glauben Sie jetzt anders als noch vor 18 Jahren?
Dom Wilmar Santin: „Meinem Glauben, also dem, was ich von meinem Vater und meiner Mutter erhalten habe, und im Ordensleben vertieft habe, kam die Vision hinzu, dass ich Gegenwart Gottes mehr in der Natur wahrnehmen muss. Natürlich hatte ich immer Kontakt zur Natur, wenn ich am Flussufer oder am Strand war, aber es war immer eine Natur, die nicht mehr so intakt war wie hier.
Es bringt ich immer wieder dazu, wenn ich bei ihnen bin Gott für die Schöpfung zu preisen. Dass ist eine besonders starke Erfahrung, wenn ich etwa Dörfer Ariri-Fluss besuche, der einer der unberührtesten Regionen ist, die ich hier im Amazonasgebiet gesehen habe. Da kommt man am Fluss vorbei und sieht absolut nichts Zerstörtes. Man sieht die Pflanzen und alles so, wie Gott es geschaffen hat. Und das bringt mir regelmäßig dazu, dass ich innerlich Hymnen des Lobpreises auf Gott singe."
(vatican news)
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