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Brennender Urwald in Amazonien Brennender Urwald in Amazonien 

Brasiliens Waldbrände: Bewusstsein für Stellenwert des Amazonas wächst

Brasilien hat eine derzeit zutiefst gespaltene Gesellschaft, und das wird nicht zuletzt an den Reaktionen auf die vernichtenden Waldbrände im Amazonas deutlich. Inzwischen hat sich aber das Bewusstsein dafür, dass der Amazonas nicht nur ein Gebiet zur wirtschaftlichen Nutzung ist, breit in der Bevölkerung verankert.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Die „schweigende Mehrheit in Brasilien“ sei „zu der Erkenntnis gekommen, dass das Amazonasgebiet mehr ist als ein reines Operationsfeld für irgendwelche Wirtschaftsinteressen“, sagte im Gespräch mit uns der Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Klemens Paffhausen. Der Bischofskonferenz des Landes stellt er ein gutes Zeugnis für ihren Einsatz an der Seite der Indigenen und der bedrohten Schöpfung aus.

Pope: Welche Ursachen hat die enorme Zunahme von Waldbränden in Amazonien?

Paffhausen: Zwei wesentliche Ursachen sind zu nennen. Zum einen beginnt im Moment im brasilianischen Amazonasgebiet die Trockenheit, und was lang anhaltende Trockenperioden mit Wald anrichten können, erleben wir derzeit ja auch hautnah in Deutschland. Zum anderen ist Brandrodung und das Abfackeln von Waldparzellen schon immer ein beliebtes Mittel im Urwald gewesen, um Ackerbauflächen und Flächen für Viehzucht zu gewinnen.

Pope: Das heißt, es gibt klar auch Gruppen, die von den dramatischen Waldbränden profitieren?

Paffhausen: In erster Linie profitieren die, die ihre Ackerbauflächen ausweiten wollen, das sind Großgrundbesitzer, aber auch multinationale Konzerne, die sich vom wirtschaftlichen Aufschwung - unter Anführungszeichen - in der Region viel versprechen. Da sind die Verladehäfen in Richtung Santarem zu nennen, wo das Soja hin transportiert wird, aber auch ganze Flotten von LKW-Verbänden, die den Soja aus dem Mittelwesten quer durch das Amazonasgebiet und später bis nach Europa oder China transportieren.

Pope: Und wer zahlt drauf?

Paffhausen: Vor allem die Indigenen, deren Lebensraum immer mehr beschnitten wird, aber auch viele Flussuferbewohner. Das sind Bevölkerungsgruppen, zu denen die katholische Kirche einen guten Kontakt im Amazonasgebiet pflegt, und daher fühlen wir mit in dieser schweren Situation, wo ringsum der Urwald brennt.

„Die Spaltung geht auf das Konto von Bolsonaro“

Pope: Papst Franziskus hat am Sonntag beim Angelus zum Gebet dafür aufgerufen, dass „mit dem gemeinsamen Einsatz aller“ die Brände bald gelöscht sein mögen. Politisch und gesellschaftlich scheint Brasilien derart gespalten, dass auch neutrale und allgemeine Stellungnahmen Anlass zu Streit sind. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Paffhausen: Ich glaube, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, so eine mahnende Stimme zu erheben, wie Papst Franziskus das jetzt getan hat. Mein Eindruck ist, dass die schweigende Mehrheit in Brasilien doch zu der Erkenntnis gekommen ist, dass das Amazonasgebiet mehr ist als ein reines Operationsfeld für irgendwelche Wirtschaftsinteressen. Das Amazonasgebiet hat weltweite Bedeutung. Am Wochenende gab es z.B. auch am Stand von Ipanema, Rio de Janeiro, Kundgebungen, zu denen sich Künstler, aber auch immer mehr einfache Leute versammeln. Das heißt, das Bewusstsein wächst. Gespalten ist das Land mit Sicherheit, die Spaltung geht auf das Konto von Bolsonaro, der, was das Amazonasgebiet angeht, eine sicher sehr rückwärtsgewandte Politik betreibt. Das hatten wir in den 90er Jahren unter der Militärregierung, dass es einfach darum geht, das Amazonasgebiet strategisch zu erschließen, um an die Bodenschätze heranzukommen und auch den Riesenwald zunehmend für Agroindustrie zu nutzen.

Pope: Ist mit Blick auf die Waldbrände die Linie innerhalb der großen brasilianischen Bischofskonferenz einheitlich?

Paffhausen: Die Kirche hat sich immer den besonderen Problemen des Landes gestellt, da ist zunächst einmal die soziale Frage zu nennen, die in Brasilien eine große Rolle spielt. Der Unterschied zwischen reich und arm ist groß. Es gibt viele Menschen, die im absoluten Elend leben. Die ökologische Frage gewinnt aber [in der Bischofkonferenz] immer mehr an Bedeutung. Bereits vor zehn Jahren etwa wurde in Brasilien eine Kommission für das Amazonasgebiet gegründet, da geht es um partnerschaftlichen Austausch, aber auch darum, gezielt die Sorgen und Nöte der dort lebenden Bevölkerung in den Blick zu nehmen. Wir gehen davon aus, dass gut 20 Millionen Menschen im brasilianischen Amazonasgebiet leben, und dort sind alle Phänomene vertreten, die kritikwürdig sind - Sklavenarbeit zum Beispiel: auch hiergegen hat sich die Bischofskonferenz ausgesprochen. Sie hat auch den indigenen Missionsrat CIMI gegründet, sodass ich doch sagen kann, dass in dieser Hinsicht, was die Verteidigung der Menschen im Amazonsgebiet und auch das Ökosystem als solches angeht, sich die brasilianische Bischofskonferenz als solche weitgehend einig ist. 

(vatican news)

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26. August 2019, 14:46