600 Kilometer durch den Urwald: Flucht in Lateinamerika
P. Bernd Hagenkord – Manaus/Vatikanstadt
Mexi hat es geschafft. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester und ihrem neunjährigen Sohn ist sie bei der Caritas in Manaus, in Nordbrasilien gelandet. Sie kommt aus Venezuela, 600 Kilometer nördlich der Millionenstadt im Urwald. „Nichts hatten wir dort in Venezuela, nichts, nichts, nur Hunger“, klagt sie. Deshalb mussten sie weg von dort, zu Fuß oder per Anhalter auf einem LKW. Bis es nicht mehr weiterging, bis zum Amazonas, bis Manaus.
Die Caritas kümmert sich, unterstützt von Hilfswerken und auch von ausländischen Regierungen werden Programme aufgelegt, um den Ankommenden unter die Arme zu greifen.
„Sie sind von Boa Vista aus gelaufen oder trampen. Sie kommen hier bei der Caritas mit ihren Koffern, mit den Kindern und ohne jegliche Mittel an´â€œ, berichtet Janaina Paira, Leiterin des Projektes Flüchtlingsaufnahme bei der Caritas Manaus. „Jeden Tag öffnen wir das Tor um 8 Uhr morgens. Sie kommen herein und warten hier. Manchmal kommen sie nur mit dem, was sie am Leib tragen, und alle kommen sie mit großen Schwierigkeiten. Und sie sind alle emotional ziemlich erschüttert.“
In Brasilien bekämen die Flüchtlinge wenigstens Nahrung, außerdem gesundheitliche Versorgung, viele kämen mit Diabetes, HIV oder Krebs, nichts von dem könne in Venezuela noch behandelt werden.
Die erste Anlaufstelle ist der Busbahnhof, rohe Plastikplanen sind alles, was die Menschen dort an Obdach auftreiben können, und das in der Hitze des Urwaldes.
Priorität hat deswegen die Wohnungsvermittlung, berichtet Janaina Paira. Damit kämen die Flüchtlinge heraus aus dem Teufelskreis der Armut und hätten zumindest eine Chance, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, Bildung für die Kinder zu bekommen und ihr Leben weiter zu führen.
Hilfe für drei Monate
Das Programm ist aber streng limitiert, drei Monate bekommen die Flüchtlinge Hilfe.
Alleine hier im Caritas-Zentrum habe man im vergangenen Jahr 7.500 Migranten aufgenommen und insgesamt 8.000 Menschen vermitteln können, aber in den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien die Zahlen vom Vorjahr schon überschritten. Was auch bedeutet, dass das Budget schon fast ausgeschöpft ist.
Für den Norden Brasiliens bedeute die Flüchtlingsbewegung eine Bevölkerungszunahme von bis zu 10 Prozent, und das sei im Vergleich mit den Problemen des Nachbarn Kolumbien noch wenig. Trotzdem seien die Herausforderungen enorm.
„Der Staat lässt uns Helfer mit dem Problem allein“, klagt Alfredo Brito, ständiger Diakon und Leiter der Caritas Manaus. Weder der Bundesstaat Amazonas noch die Regierung in Brasilia kümmere sich um das Problem. Das lässt die Kirche nicht unberührt, berichtet er: „Die ganze Kirche bis zum Erzbischof, alle haben gesagt, dass wir uns jetzt kümmern müssen, das ist das, was jetzt ansteht. Wir haben die Gemeinden einbezogen, wir haben Hilfsaktionen gestartet, wir haben Lebensmittel gesammelt, oder mal einen Gasherd oder so etwas. Die ganze Kirche identifiziert sich mit dem Problem und setzt sich damit auseinander. Das war jetzt nicht nur ein Wunsch und Befehl des Erzbischofs oder ein Appell, sich jetzt darum zu kümmern.“
Angst vor Venezolanern
Was Alfredo Brito von der Kirche berichtet, gilt aber nicht unbedingt für die ganze Gesellschaft, fügt Janaina Paira an. „Es gibt eine gewisse Angst vor Venezolanern, weil Brasilien sich in einer schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation befindet. So ist es bereits für Brasilianer schwierig. Sie fühlen sich ein wenig bedroht. Es gibt ein gewisses Vorurteil, eine gewisse Distanz.“
Die Brasilianer hätten jetzt Angst, dass ihnen die schlechtbezahlten Jobs weggenommen würden, auch ihnen ginge es ja nicht allen gut. Das sei verständlich, und auch diese Nöte müssten gehört werden. Aber über allem steht dann die Überzeugung „Es ist die Sendung der Kirche selbst! Als katholische Kirche ist es unsere Mission, den Schwächsten zu helfen.“
(vatican news)
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