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Gebäude des Schulwerks Fe y alegria Gebäude des Schulwerks Fe y alegria 

Venezuela: Zwischen unverschämten Oligarchen und resignierten Bischöfen

Jesuitenpater Klaus Väthröder kennt Venezuela. Zwölf Jahre hat er dort gelebt und erst kürzlich war er wieder dort, um sich selbst ein Bild von der desaströsen Lage des Landes zu machen. Im Interview mit Pope spricht er über eine unvorstellbare Misere mit lächerlichen Mindestlöhnen und Massen unterernährter Kinder, über unverschämte Oligarchen und resignierte Bischöfe – aber auch über Menschen, die trotz allem immer weitermachen.

Pope: Kürzlich haben Sie Venezuela einen Besuch abgestattet und sich mit eigenen Augen ein Bild von der dortigen Lage machen können. Mit seiner ruinierten Wirtschaft und dem bankrotten Staat befindet sich das Land auf einer steilen Talfahrt. Können Sie die Verschlechterung der Situation bestätigen?

Väthröder: Nach 2014 ging die Produktion und der Preis des Erdöls zurück, und da hat man richtig gemerkt, wie der Staat die Versorgung der Leute – Infrastruktur, medizinische Versorgung etc. - nicht mehr aufrechterhalten konnte. Das ist eine richtige Misere. Die subventionierten Lebensmittel kommen kaum an, sind sehr knapp, oder nur die politischen Freunde der Regierung bekommen sie. Auch die Stromversorgung hat sich unheimlich verschlechtert. Das Blackout vor ungefähr zehn Tagen, bei dem für zwei Tage der Strom ausgefallen ist, ist auch eine Folge mangelnder Investitionen, mangelnder Aufrechterhaltung der Infrastruktur. Bei uns kann man sich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn große Teile des Landes und die Hauptstadt 48 Stunden ohne Strom sind. Ich kann also nur bestätigen, dass sich die Situation für die Leute sehr verschlechtert hat.

Pope: Wie beurteilen Sie die aktuelle politische Lage in Venezuela?

Väthröder: Meines Erachtens kann es mit der politischen Lage nur irgendwie vorangehen, wenn es eine Art Übergangsregierung gibt und innerhalb von einem Jahr oder weniger Neuwahlen stattfinden. Der Präsident muss zurücktreten und die Übergangsregierung möglichst viele politische Fraktionen und Mitspieler miteinschließen, darunter auch Chávisten. Chávez ist neben Bolívar immer noch der „Heilige“ des Volkes. Ich glaube, dass es sehr viele gemäßigte Chávisten gibt, die sich von dieser Regierung abgewandt haben, und auch die muss man in die Zeit der Übergangsregierung einschließen. Aber ich glaube, dass das sehr schwierig werden wird, denn die Oligarchie, die sich unverschämt am Land bereichert, wird die Macht nicht so leicht hergeben. Die große Frage ist, ob sich die Militärs, die noch der letzte Halt Maduros sind, von ihm abwenden werden. Innerhalb des Militärs gibt es zu viele Gruppen mit verschiedenen Interessen.

Pope: Wie positioniert sich die Bischofskonferenz zur aktuellen Regierung?

Väthröder: Die Position der Bischöfe zur Lage in Venezuela ist relativ eindeutig. Vor ein paar Monaten war der Präsident der venezolanischen Bischofskonferenz, Bischof José Luis Azuaje von Barinas, hier. Mit ihm hatten wir ein ganztägiges Gespräch bei Adveniat. Die Bischofskonferenz hat natürlich sehr stark auf Dialog gesetzt, wurde aber immer wieder über den Tisch gezogen und falsch zitiert. Irgendwann haben sie die Lust verloren – was ich auch verstehen kann – und haben gesagt: „Ein Dialog mit dieser Regierung ist nicht möglich.“ Im Januar haben sie sich klar geäußert, indem sie gesagt haben, dass sie als einzige legitime politische Vertretung des Landes nur die Nationalversammlung, das Parlament, anerkennen. Das heißt, es anerkennt weder den wiedergewählten Präsidenten Maduro noch Guaidó. Aus dieser Diskussion halten sie sich ein wenig heraus und sagen, dass das Parlament die legitime Vertretung des Landes ist. Und natürlich versuchen sie, über ihre Netzwerke mit den Pfarreien und der Caritas den Leuten vor allem im humanitären Sektor zu helfen, vor allem in den Bereichen Medikamente und Ernährung.

Pope: Das venezolanische Schulwerk der Jesuiten „Fe y alegría“ setzt unter der Leitung von Pater Gregorio Terán alles daran, seinen Betrieb am Laufen zu halten. Inwieweit macht die Krise dem Werk zu schaffen?

Väthröder: Das Werk Fe y Alegría ist ein gutes Beispiel für die Krise und wie man einigermaßen dagegen ankämpfen kann. Es ist ja das große Schulwerk der Jesuiten mit über 100.000 Schülern im Land, besonders für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Das große Problem bei Fe y alegría ist meines Erachtens der Verlust an Humankapital. Viele Lehrer, die von Fe y alegría ausgebildet wurden und der Ideologie von Fe y alegría sehr nahestehen, die sich für die Kinder einsetzen – denn sie unterrichten oft in ärmeren Gebieten –, gehen weg und sind dann schwer ersetzbar. Bezüglich der Kinder, 90 Prozent von ihnen sind unterernährt, von leicht über schwer bis kritisch unterernährt. Das spiegelt auch die Situation im Land wieder. Fe y alegría teilt etwa einem Drittel der Schüler, also etwa 30.000 Schülern, eine warme Mahlzeit am Tag zu. Selbst wenn man Geld hat, ist es natürlich schwierig, diese Sachen zu besorgen, wo es nichts gibt, und die Transportlogistik und so weiter aufzubauen.

Pope: Gibt es inmitten all dieser Widrigkeiten auch positive Entwicklungen?

Väthröder: Auf alle Fälle gibt es auch positive Entwicklungen. Fe y alegría ist ja schon seit 60-70 Jahren ein großes Schulwerk, in dem Solidarität herrscht. Viele Lehrer bleiben auch. Es geht nicht jeder weg, nur, weil er anderswo einen besseren Lohn bekommen kann. Viele stehen auch zu ihrem Einsatz für die Armen. Das ist die eine Sache. Zum anderen bekommen wir natürlich jetzt gerade viele Spenden für Fe y alegría und auch für den Flüchtlingsdienst an den Grenzen, der in Brasilien, Kolumbien und Venezuela mit den venezolanischen Flüchtlingen arbeitet. Die Hilfsbereitschaft ist auch gerade hier in Deutschland sehr groß.

Das Gespräch führte Angela Prämassing.

(vatican news)
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19. März 2019, 14:38