Papst in Marokko: „Schönes Zeichen der Würdigung für Franz von Assisi"
Pope: Es war eine unerhörte Geste: Der Bettelmönch, der während des Kreuzzugs dem Sultan Christus predigt. Was schwebte Franz von Assisi vor? Was wollte er beim Sultan erreichen?
Bruder Jürgen Neitzert: „Zum einen wollte er Frieden und nicht den Kreuzzug. Er hat auch den Kreuzfahrern gesagt, dass sie keinen Erfolg haben werden, weil er nicht von dem, was sie da taten, überzeugt war. Er wollte sicherlich Frieden mit dem Sultan schaffen, ihn aber auch zum Christentum bekehren, das ist ganz klar. Das war die damalige Zeit. Es gab keinen Dialog, sondern er wollte ihn zum Christen machen. Das ist ihm nicht gelungen - deswegen vielleicht auch sein Schweigen über das Treffen -, aber aus dem Treffen ist dennoch etwas erwachsen.“
Pope: Er hat sein Ziel nicht erreicht, der Sultan blieb muslimisch. Was waren aber die Folgen dieser Begegnung, für den Orden und überhaupt für den christlich-muslimischen Dialog?
Bruder Jürgen Neitzert: „Die Folgen für uns Franziskaner waren sehr groß. Franziskus hat den Sultan als einen frommen Mann und die Muslime als fromme Menschen kennen gelernt. Zum Beispiel hat er, als er zurückkam, die Christen aufgefordert, mehrmals am Tag Gebetssignale zu geben - ein Vorläufer des heutigen Angelus-Gebets. Er hat an die Leiter der Völker und an die Kustoden geschrieben, sie mögen die Leute dazu aufrufen, zu beten und Gott zu loben. Vielleicht war der Gebetsruf der Muslime, den er erlebt hatte, die Inspiration hierfür. Vor allem hat er ins 16. Kapitel unserer Regel geschrieben, dass wir, wenn wir unter den Muslimen leben, ihnen „substitus“, also dienstbar sein sollen. Das war eigentlich unerhört, denn das durften Christen damals gar nicht. Das ist das gleiche, was er zu unserem Leben unter den Christen geschrieben hat. Wir sollen unter Christen wie unter Muslimen dienstbar leben, also ihnen Dienste tun.“
Pope: Deswegen haben franziskanische Gemeinschaften bis heute Niederlassungen in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit.
Bruder Jürgen Neitzert: „Ja, das war die Grundlage für eine 800-jährige Präsenz der Franziskaner unter Muslimen. Wir tun ihnen Dienste und sind ihnen gut, ebenso wie wir auch von ihnen Güte erfahren.“
Pope: Wo in der Welt sind die Franziskaner präsent?
Bruder Jürgen Neitzert: „Die erste Mission war Marokko. Dort sind wir seit 800 Jahren. Wir waren von Anfang an im Heiligen Land, aber seit ungefähr 1300 sind wir dort die Kustoden der lateinischen Kirche – in der Grabeskirche, in Bethlehem, in Nazareth. Außerdem sind wir in Ägypten, der Türkei, Syrien und Jordanien präsent, in Pakistan und in Indonesien – dem größten muslimischen Land. Auf den Philippinen leben wir unter den Muslimen in Mindanao.“
Pope: Was bedeutet es für die Franziskaner, dass ein Papst namens Franziskus im 800. Jahr dieser Begegnung ausgerechnet nach Marokko reist, wo Sie seit 800 Jahren präsent sind?
Bruder Jürgen Neitzert: „Für uns ist das ein großes und schönes Zeichen der Würdigung dessen, was da passiert ist. Die Kirche hat Franziskus und seine Geste der Begegnung mit dem Sultan in ihren Dokumenten immer erwähnt.“
Pope: Anfang Februar war Papst Franziskus in Abu Dhabi und hat zusammen mit dem Großimam von al-Azhar ein Dokument zur Geschwisterlichkeit zwischen den Menschen unterzeichnet. Was stellt das Dokument für den heutigen christlich-muslimischen Dialog dar?
Bruder Jürgen Neitzert: „Ich finde es ein gewaltiges Dokument, das kann man gar nicht genug würdigen. Frauen, Kinder und alle Menschen, denen man Gutes tun soll, sind darin erwähnt, ebenso wie der Frieden für die Völker und der Einsatz für die Schöpfung. Den darin enthaltenen Reichtum kann ich gar nicht in Worte fassen. Es besagt auch, dass die Religion als Grund für Terrorismus missbraucht wird, eigentlich aber Frieden, Gerechtigkeit und die Ehrfurcht vor der Schöpfung bringt. Dass sich der Terror die Religion und die Gefühle der Menschen zunutze macht, wird in dem Dokument verurteilt. Ich kenne kaum andere Dokumente, die so reich sind. Für mich ist das ein Riesenmeilenstein im Dialog für den gemeinsamen Einsatz von Muslimen und Christen für ein besseres Leben in dieser Welt.“
Pope: Ein Satz des Dokuments wurde verschiedentlich kritisiert. Er besagt, dass es Gottes Wille sei, dass es viele Religionen gibt. Dass das Miteinander und Nebeneinander der Religionen gottgewollt sein soll, hat nicht allen gefallen. Wie schätzen Sie als Islam-Wissenschaftler diese Aussage ein?
Bruder Jürgen Neitzert: „Wir wissen nicht, ob er sie gewollt hat. Wir wissen auch nicht, ob Gott dafür zuständig sind, dass die anderen Religionen entstanden sind, aber wir wissen zumindest, dass er sie zugelassen hat. Damit will er uns etwas sagen. Was das ist, wissen wir nicht. Um das zu erfahren, müssen wir vielleicht in den Dialog treten. Was da herauskommt, wissen wir auch noch nicht. Aber die anderen Religionen existieren und wir gehen davon aus, dass das, was in der Welt passiert, auch Gottes Wille ist.“
Pope: Am Freitag überreichen Ihre Mitbrüder in Assisi dem König von Jordanien, Abdullah, die Friedenslampe, eine Auszeichnung für den Einsatz für Frieden, Dialog und Verständigung. Der König empfängt sie aus den Händen von Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin hat diese Auszeichnung letztes Jahr empfangen. Was ist das am Freitag für eine Begegnung?
Bruder Jürgen Neitzert: „Das Symbol der Lampe des Friedens haben die konventualen Franziskaner, die auch in der Kirche San Francesco, wo das Grab von Franziskus ist, leben, vor einer Reihe von Jahren eingeführt. Dieses Mal bekommt der König von Jordanien die Lampe. Ich finde das ein gutes Zeichen anlässlich 800 Jahren Franziskus und Sultan, auch weil die Könige von Jordanien seit langer Zeit im Dialog mit dem Heiligen Stuhl stehen und sehr viel für das Miteinander zwischen Muslimen und Christen getan haben. Für mich ist das ein sehr schönes Symbol.“
Die Fragen stellte Gudrun Sailer.
(vatican news)
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