Assisi: Jordaniens König empfängt Friedenslampe von Angela Merkel
Vor Ort ist unsere Kollegin Gudrun Sailer, die sich die Zeremonie angesehen hat. Gudrun, wie war das?
Gudrun Sailer: Eine schöne Feier in einem fast intimen Rahmen, wenn man bedenkt, was für ein politisch hochrangiges Treffen das war. Angereist waren nicht nur der jordanische König und seine Frau, Königin Rania, sondern auch Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte und der Präsident des EU-Parlaments Antonio Tajani. Und es ging um eminent politische Fragen, nämlich die, wie in Zeiten einer tiefen Krise der Humanität angesichts des Massendramas von Flucht und Migration zwischen Nahost, Afrika und Europa Politik und Staatswesen angemessen und vernünftig reagieren können. Also: große Fragen, intimer Rahmen. Dafür hat natürlich dieses franziskanische Element gesorgt, das kleine mittelitalienische Städtchen, das so tief von den Spuren des Heiligen Franz von Assisi duchzogen ist und von den Franziskanern, die in all diesen Jahrzehnten das christliche Kunststück bewerkstelligt haben, im Auftreten klein und bescheiden zu sein und im Denken weiträumig.
Pope: Abdullah II., der König von Jordanien, hat die Friedenslampe ausdrücklich für die Politik erhalten, die er in der Flüchtlingsfrage gestaltet hat, so sagten die Franziskaner zur Begründung. Wie stark kam das in Assisi inhaltlich zum Tragen?
Gudrun Sailer: Die Flüchtlingsfrage ist wirklich das Rückgrat der ganzen Sache. Jordanien nimmt seit 70 Jahren palästinensische Flüchtlinge auf, die Hälfte der zehn Millionen Jordanier heute haben palästinenische Wurzeln, und in dem unseligen Syrienkrieg sind in den letzten acht Jahren mehr als 700.000 Menschen aus Syrien nach Jordanien geflüchtet. Kanzlerin Merkel hat das in ihrer Rede sehr stark betont: wenn man das auf Deutschland hochrechnen würde, wären das 5,7 Millionen syrische Kriegsflüchtlinge heute in Deutschland statt 800.000. „Wir Europäer tun gut daran, uns dise Dimension vor Augen zu führen”, sagte Merkel. Da sei nicht nur Respekt für Jordanien angezeigt, sondern auch Solidarität. Im Übrigen hat diese ganze Veranbstaltung wieder einnmal deutlich gemacht, dass der politische und menschliche Einsatz für Flüchtlinge und Migration heute in Europa im Mittelpunkt der Frage des Friedens steht.
Pope: Und die interreligiöse Komponente? Immerhin erhält da ein muslimischer König von einem katholischen Bettelorden eine Auszeichnung für Frieden...
Gudrun Sailer: Genau deshalb ist der König sehr gewürdigt worden für die Harmonie zwischen den Religionen, die er versucht herzustellen. Zunächst einmal hat er sich selbst in aller Deutlichkeit in Assisi dazu bekannt: Christen gehörten von Anfang mit dazu zum Nahen Osten und sie müssen da auch bleiben können. Und dann wurde auch die Rolle des jordanischen Königs für ein bemerkenswertes Dokument gewürdigt, „Ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch”. Das war der offene Brief, den 138 Muslim-Gelehrte im Jahr 2007 an christliche Kirchenführer geschickt haben, darunter auch Papst Benedikt, der im Jahr davor mit der „Regensburger Rede” die muslimische Welt ungewollt in Aufruhr versetzt hatte. Dieser Brief war gewissermaßen von Jordanien ausgegangen, unter Führung des Königs. Sowohl Angela Merkel als auch der Kustode des Heiligen Konvents von Assisi, Pater Mauro Gambetti, haben das lobend erwähnt. Ein solches Dialogangebot ist in den 1400 Jahren der christlich-muslimischen Geschichte einzigartig, sagte Angela Merkel. Und sie erwähnte auch, dass der jordanische König 2010 bei der UNO die Einrichtung einer Woche der interreligiösen Harmonie zwischen den Religion angeregt hatte, die seither jedes Jahr im Februar begangen wird. Und direkt an Abdullah gewandt, sagte sie: „Sie stärken Verständingug, Sie stiften Hoffnung, Sie setzen sich für den Frieden ein. Damit sind Sie ein Vorbild über den Nahen Osten hinaus. Sie sind ein Weltstifter des Friedens”.
Pope: Klingt das nicht ein wenig dick aufgetragen?
Gudrun Sailer: Mag sein, aber es war ehrlich. Angela Merkel und der jordanische König kennen einander seit langem und ziemlich gut. Übrigens, die Inhaber der Lampe des Friedens können den Franziskanern jeweils vorschlagen, wem sie die Auszeichnung als nächstes geben sollten. Offenbar hat Frau Merkel Abdullah II. vorgeschlagen. Und das passte auch den Franziskanern sehr gut, weil eben in diesem Jahr 800 Jahre Begegnung zwischen Franz von Assisi und dem Sultan von Ägypten Al-Maliki gefeiert werden.
Pope: Als Gastgeschenk hatte Angela Merkel ein schweres Stück deutscher Geschichte dabei...
Gudrun Sailer: Gudrun Sailer: Ein Stück Berliner Mauer. Das gab sie den Franziskanern von Assisi. Als Zeichen dafür, dass man lange und hartnäckig an friedlichen Veränderungen arbeiten muss, auch wenn man glaubt, dass man sie selber nicht mehr erlebt. Das Stück Mauer, bunt bemalt, wurde in Assisi enthüllt, und zwölf weiße Friedenstauben in die Freiheit entlassen. Angela Merkel erzählte dann etwas Persönliches, wie sie nämlich, als sie als junge Frau in Ostberlin arbeitete, jeden Abend an der Mauer von der Arbeit nach Hause ging, und die Mauer stand da und wirkte ewig und sie, Angela Merkel, hätte nie geglaubt, dass sie einmal auf die andere Seite kommen würde, so wie die wenigsten Menschen in der DDR dachten, dass die Mauer zu ihren Lebzeiten einmal wegkommen könne. Und dann sei eben diese Mauer auf friedliche Weise gefallen. Die Kanzlerin verband das dann mit dem Gedenken an Franz von Assisi, das sei „Ein Ort, wo in Jahrhunderten gedacht wird” und der „Teil friedlicher Veränderung ist”, auf die lange hingearbeitet wurde.
(vatican news)
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