Im Brennpunkt: Ukraine
Pope: Wie sieht die derzeitige Situation in der Ukraine aus?
Andrej Waskovicz: Seit dem Beschuss des ukrainischen Kriegsschiffes seitens der russischen Streitkräfte hat die politische Anspannung sehr zugenommen. Die Leute haben befürchtet, dass es einen weiteren Vorstoß seitens der russischen Kräfte gibt. Daher wurde in der Ukraine nach einer Sondersitzung des Rates für Sicherheit und Verteidigung und einer Parlamentsdebatte das Kriegsrecht eingeführt, damit sich die Ukraine auf mögliche Angriffe vorbereiten kann.
Für die Menschen, und das ist das, was uns auch die Caritas Mitarbeiter vor Ort erzählt, wo der Krieg sehr nahe ist, für die Menschen hat sich wenig verändert. Denn die Lage ist in diesen Gebieten schon seit Jahren sehr sehr schwer.
Täglich hören wir von Verletzten und Getöteten. Für die Menschen besteht bereits Krieg. Die Lage verschlechtert sich aber, da die Menschen alle ihre Ressourcen aufgebraucht haben. In vielen dieser Dörfer ist die Lage auch schwierig hinsichtlich der Wasserversorgung. Jetzt in der Winterzeit bekommen wir Temperaturen von minus 11 Grad. In vielen Dörfern reicht das Heizmaterial nicht aus. Die Caritas hat dieses Heizmaterials in den letzten Jahren geliefert, dieses Jahr können wir den Menschen nicht mit Heizmaterial helfen.
Ein wichtiger Punkt, der sich möglicherweise geändert hat, ist, dass sich bisher viele Menschen allein gelassen gefühlt haben, weil die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit nicht mehr auf die Ukraine gerichtet war. Viereinhalb Jahre Krieg, und dieser Krieg wurde eigentlich von der Weltöffentlichkeit vergessen. Die Ereignisse vom letzten Wochenende und dieser Woche haben wieder die Aufmerksamkeit auf die Ukraine gerichtet.
Pope: Wo sehen Sie Möglichkeiten für eine Lösung, für Frieden in der Ukraine?
Andrej Waskovicz: Diese Frage beschäftigt viele Politiker. Allerdings, die Menschen können diese Lösung nicht finden, es müssen die Politiker eine Struktur finden. Was aber in der Ukraine viel diskutiert wird, ist die Frage, warum die Ukraine allein gelassen wird, nachdem die Ukraine ihre Atomwaffenarsenale abgegeben hat, und dafür eine internationale Sicherheitsgarantie erhielt. Diese Frage müsste in der internationalen Diskussion neu durchdacht werden. Die Ukraine ist allein gelassen worden in einem Konflikt, der enorme blutige Folgen hat, der viele Menschen das Leben kostet. Hier ist ein Paradigmenwechsel zu bemerken. Es geht nicht mehr um ein Nullsummenspiel, sondern man kommt jetzt im Parlament über Verhandlungen zu einer gemeinsamen Lösung der Probleme. Das führte dazu, dass dieses Gesetz am Montag im ukrainischen Parlament verabschiedet wurde, das Kriegsrecht. Abgeordnete der kleinen Parteien hatten dagegen Bedenken vorgebracht, weil sie Einschränkungen der Menschenrechte fürchteten. Es ist erstaunlich, dass diese Abgeordneten, die dagegen gestimmt haben, auch Abgeordnete sind, die im Januar 2014 die Aufhebung aller Bürgerrechte in der Ukraine durchdrücken wollten. Das heißt, alle anderen Abgeordneten des ukrainischen Parlaments haben einen Konsens gefunden und haben die Situation in der Gefahr konsolidiert.
Das Gespräch führte Mario Galgano
(vatican news)
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