Venezuela: Macht um jeden Preis
Johanna Mack und Christine Seuss - Vatikanstadt
Dies verdeutlicht abstrakte Angaben des Internationalen Währungsfond (IWF), nach denen die Inflationsrate bis Ende des Jahres auf unglaubliche ein Millionen Prozent ansteigen soll. Die größte Banknote – der 500.000 Bolivar-Schein – ist nur 15 Dollarcent wert. Der IWF vergleicht die Situation mit der Weimarer Republik oder mit Mugabes Simbabwe – was düstere Vorahnungen für die Zukunft heraufbeschwört. Präsident Maduro regiert mit einer Währungsreform: 5 Nullen sollen aus dem Bolivar gestrichen werden.
Doch diese Maßnahme wird das wirkliche Problem, den Kollaps von 60% der Wirtschaft nach der Verstaatlichung aller wichtigen Unternehmen, kaum beheben können, meint auch Pfarrer Ramón Vinke. Seine Pfarrei liegt im Süden von Caracas; seit 2001 ist er Generalsekretär des Kirchenrates in der Hauptstadt. In dieser Position ist er regelmäßig in Kontakt mit der Bischofskonferenz. Im Interview mit Pope zeichnet er ein erschreckendes Bild von der aktuellen Situation im Land:
„Venezuela war schon immer ein Land, in dem die Gegensätze zwischen arm und reich sehr krass waren. Im Jahr 1957 wies der damalige Bischof von Caracas daraufhin, dass die Mehrheit der Venezolaner unter menschenunwürdigen Bedingungen lebte. Das hat sich mit der Zeit nicht gebessert. Die Gewalt ist allerdings neu. Es kann aber nicht darum gehen, dass Alle arm gemacht werden. Was hat man davon, dass den Reichen ihr Reichtum genommen wird? Hunderte Unternehmen wurden enteignet und einfach stillgelegt, wobei auch Tausende Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Es müsste vielmehr darum gehen, dass ein gewisser Wohlstand für alle erreicht wird - und das ist nur im Rahmen einer gesunden Marktwirtschaft möglich, die aber nicht im Sinne einer kommunistischen Regierung ist.“
Proteste gegen Hunger und Repressionen gegen Demonstranten
Für eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln bräuchte eine durchschnittliche Familie ungefähr 500 Millionen Bolivar im Monat, erklärt er. Der Mindestlohn für Arbeiter liege aber bei nur 5.196.000 Bolivar – umgerechnet 1,50 Euro.
„Viele überlegen sich sogar, ob es sich überhaupt noch lohnt, arbeiten zu gehen. Es ist in der Tat so, dass Viele hungern und unterernährt sind. Dabei lässt die Regierung es nicht zu, dass Hilfe an Lebensmitteln und Arzneimitteln zur Bevölkerung in Venezuela gelangt,“ meint Pfarrer Vinke. Die Lebensmittelknappheit und die Korruption treibt nach wie vor viele Venezolaner auf die Straße. Doch die Regierung von Präsident Nicolás Maduro geht hart gegen Kritiker vor. Immer wieder kam es bei Protesten und Demonstrationen zu Zusammenstößen zwischen der Zivilbevölkerung und den Militär. Vinke:
„Die Lage ist nach wie vor ungeheuerlich. Im vergangenen Jahr 2017 hat es etliche Demonstrationen gegeben. Fast jeden Tag gab es einen oder mehrere Tote, insgesamt 130 Tote.“
Außerdem seien viele Demonstranten fotografiert und im Anschluss bedroht worden. Erst kürzlich hat der Oppositionsabgeordnete José Manuel Olivares mit seiner Familie das Land verlassen, nachdem nicht nur er selbst, sondern auch seine Frau und sein Baby von Militärs eingeschüchtert wurden.
Immer mehr Menschen verlassen das Land
Die politische und wirtschaftliche Krisensituation führt außerdem dazu, dass immer mehr Menschen das Land verlassen. Nach Angaben des UNHCR hat sich die Zahl der Asylanfragen von Venezolanern im Ausland seit 2014 um 2000 Prozent erhöht.
„Heute haben die Leute Angst. Was geschieht jetzt? Viele Venezolaner wandern aus. Es wird ausgerechnet, dass allein im Jahr 2017 über drei Millionen ausgewandert sind. Diese Massenauswanderung begann 2014, als die Wirtschaftskrise richtig ausbrach. Auch im Jahr 2018 werden mindestens drei Millionen auswandern – und es sind nicht nur die bisher besser gestellten, es sind auch viele, viele Arme. Es wird geschätzt, dass insgesamt schon über sieben Millionen das Land verlassen haben und dieser Trend wird sich halten, falls sich die Situation in nächster Zeit nicht erheblich bessert.
Seit 2016 versuche die katholische Kirche, einen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition zu vermitteln – vergeblich. Aber zwischen der Regierung und der Bischofskonferenz gibt es große Spannungen, da die Bischöfe ihre regimekritische Meinung immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht hätten. Eine Besserung der Lage ist laut Ramón Vinke derzeit nicht in Sicht – da sie vom Regime Maduro auch gar nicht gewollt sei:
„Das geht so einfach nicht! Die Regierung ist im ideologischen Schema des Kommunismus gefangen. Das bedeutet, dass die Regierung nicht einmal daran interessiert ist, dass die Dinge in Venezuela sich bessern. Die Regierung ist nicht daran interessiert, den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenzukommen.“
Das Projekt des Lateinamerikanischen Kommunismus habe nicht das Ziel, die Länder Lateinamerikas zu entwickeln und der Bevölkerung einen gewissen Wohlstand zu sichern. Vielmehr gehe es lediglich um die Macht, so die Anklage des Kirchenmannes: „Es geht darum, die Macht in den Ländern Lateinamerikas zu ergreifen und um jeden Preis zu erhalten. Ist der Preis die Armut und der Hunger weiterer Schichten der Bevölkerung, einschließlich der Kinder, dann ist das eben der Preis.“
(vatican news)
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