ÃÛÌÒ½»ÓÑ

Seit 60 Jahren setzt sich Misereor weltweit gegen Armut ein Seit 60 Jahren setzt sich Misereor weltweit gegen Armut ein 

Misereor feiert 60 Jahre „Abenteuer im Heiligen Geist“

Unter dem Motto „Abenteuer im Heiligen Geist“ hatte der Kölner Kardinal Josef Frings 1958 in einer Rede in Fulda die ungleichen Lebenschancen und Ungerechtigkeiten in verschiedenen Teilen der Welt angeprangert. Daraus entstand Misereor, das heute weltweit größte Entwicklungshilfswerk der katholischen Kirche.

Das bischöfliche Entwicklungshilfewerk entstand in einer Zeit mit zahlreichen Umbrüchen: Der Kalte Krieg entzweite Ost und West, im globalen Süden suchten viele Länder nach einem Umgang mit ihrer neugewonnen Unabhängigkeit vom Kolonialismus, und in diesem Prozess kamen auch einige Diktaturen auf.

In diesem Jahr feiert Misereor sein 60jähriges Jubiläum. Noch immer steht das Netzwerk „Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen“, wie es der Titel der Fastenaktion 2008 beschreibt. Dabei geht es nicht (nur) um finanzielle Unterstützung, sondern hauptsächlich um Hilfe zur Selbsthilfe. Der Geschäftsführer für interne Dienstleistungen, Thomas Antkowiak, erzählt uns, wie sehr das Netzwerk in dem halben Jahrhundert seit seiner Gründung gewachsen ist.

Pope: Welcher Moment aus 60 Jahren Misereor ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Antkowiak: Ich bin seit gut 12 Jahren bei Misereor. In dieser Zeit sind mir vor allem die Begegnungen mit den Partnern in Erinnerung geblieben, yum Beispiel eine Begegnung mit Straßenkindern in Delhi, die ich besucht habe. Die saßen in einer Runde beisammen im Freien und haben dort mit einer Disziplin ihre Hausaufgaben gemacht, waren mit einem Eifer bei der Sache, der mich sehr beeindruckt hat.

Wenn man auf Misereors Gesamtzeit blickt, war ein wichtiger Moment eine besondere Fastenaktion, 1983 für Südafrika. Es ging um die Abschaffung der Apartheid. Damals war ich noch im Bistum Hildesheim im BDKJ-Vorstand uns wir haben und mitbeteiligt. Ich kann mich erinnern, dass das viel Wirbel verursacht hat und Misereor auch einigen Ärger bekommen hat, aber letztendlich war die Sache, wie wir alle wissen, ja erfolgreich.

Pope: Welches Projekt liegt Ihnen heute besonders am Herzen?

Antkowiak: Seit einigen Jahren entsenden wir junge Menschen im Rahmen des „Weltwärts“-Programmes als Freiwillige. Das sind junge Leute, die in der Regel gerade ihren Schulabschluss gemacht haben. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein und gehen von Misereor aus für zehn Monate in Projekte unserer Partner. Sie machen dort einen Lerndienst, lernen andere Kulturen kennen und die Arbeit der Partner, können eigene Aktivitäten entfalten… Das ist für uns ein wichtiges Vorhaben, um junge Menschen für unsere Arbeit zu interessieren und ihnen Gelegenheit zu geben, unsere Arbeit kennen und, wie ich hoffe, auch schätzen zu lernen. Wir profitieren sehr davon, dass sich diese jungen Leute auch nach ihrer Rückkehr für unsere Themen engagieren. Sie sind dann als Multiplikatoren unterwegs und berichten ganz konkret über die Arbeit unserer Partner.

 

 [ Uns ist wichtig, auch hierzulande immer wieder ins Bewusstsein zu rücken, wie wichtig Entwicklungszusammenarbeit ist. ]

 

Pope: Misereor gilt als eine der erfolgreichsten Entwicklungshilfeorganisationen weltweit. Wie unterscheidet sie sich als christliche Organisation von anderen?

Antkowiak: Natürlich steht der christliche Gedanke der Nächstenliebe im Vordergrund. Das ist für mich natürlich kein Argument, zu sagen, dass das, was wir machen, besser ausfällt, als das was andere tun. Wir leugnen aber keineswegs,, das wir einen konkreten Hintergrund haben, der sich aus der Option für die Armen ergibt, die wir aus dem Evangelium herleiten können. Wir orientieren uns an wichtigen Werken der Kirche, wie zum Beispiel der Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus, die ja weit über die kirchlichen Zusammenhänge hinaus große Beachtung findet. Wenn wir soziale und ökologische Zusammenhänge auf dieser Basis gemeinsam angehen, auch mit unseren Partnern, dann wird natürlich unsere christliche Ausrichtung deutlich. Ein wesentlicher Anknüpfungspunkt ist auch, dass wir immer den Menschen in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen, nie ein Projekt oder einen Staat.

Pope: Misereor setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe. Mit welchen Mitteln lässt sich dies umsetzen?

Antkowiak: Wir gehen nicht umher und machen den potentiellen Projektpartnern irgendwelche Vorschläge. Wir bauen auf ihre Fähigkeiten, Erfahrungen und Pläne. Wir setzen also bei den Ideen der Partner im Süden an. Wenn sie uns ihre Vorschläge vorstellen, versuchen wir, sie gemeinsam zu entwickeln, zu gucken,. Ob sie förderfähig sind, und sie dann so durchzuführen, das sie entsprechend den Möglichkeiten, die vor Ort bestehen, nach Ablauf einer Förderung selbstständig weiterbestehen können. Das gelingt nicht in allen Fällen, aber das ist der Grund-Ansatzpunkt unserer Arbeit: Wir bauen auf die Fähigkeiten und Ideen der Menschen, die die Projekte dann auch durchführen können.

Pope: Oft scheint es so, als würde bei Entwicklungszusammenarbeit Mittel, Ideen und auch Menschen hauptsächlich von Norden nach Süden fließen. Wie vermeiden Sie bei Misereor, dass aus Entwicklungszusammenarbeit eine „Einbahnstraße“ von Norden nach Süden wird?  Können nicht auch die Menschen im Norden von der anderen Seite lernen?

Antkowiak: Das würde ich so unterschreiben! Wir können heute Norden und Süden überhaupt nicht mehr getrennt betrachten; wir hängen alle miteinander zusammen und die wirtschaftlichen, ökonomischen und sozialen Fragen, die uns hier beschäftigen, beschäftigen in viel stärkerem Maße auch die Partner. Diese Zusammenhänge in einer globalisierten Welt sichtbar zu machen, ist eine unserer Aufgaben. Deshalb setzen wir darauf, zusammen mit den Partnern in einem guten Dialog zu sein, in ganz unterschiedlichen Formen; immer wieder von ihnen zu hören, was sie bewegt, was ihre Probleme sind. Es gibt immer wieder Besucherinnen und Besucher, die zu uns nach Deutschland kommen. Die versuchen wir zusammenzubringen nicht nur mit Menschen in Pfarreien, sondern auch  mit Politikern in Berlin und Leuten aus der Wirtschaft, um ihnen aus erster Hand Informationen zu vermitteln und damit auch Zusammenhänge herzustellen. 

Pope: Wie haben sich die Arbeitsfelder, in denen Misereor aktiv ist, seit der Gründung 1958 verändert?

Antkowiak: Wenn man anknüpft an das, was die Bischöfe damals bewegt hat – ein Werk der Barmherzigkeit ins Leben zu rufen, gegen Hunger, Aussatz und Krankheit - dann haben sich die Felder deutlich weiterentwickelt ,weil eben auch die Zusammenhänge andere geworden sind. Zum Beispiel gibt es heute ganz viele Projekte, die mit Bildungsfragen zusammenhängen, weil ohne Bildung Entwicklung nicht möglich ist. Es gibt das ganze Thema des Klimawandels. Dieses Thema hängt so sehr mit allen Kontinenten zusammen, dass wir es als neue Herausforderung zusammen mit unseren Partnern begreifen müssen.

 

[ Wir wissen inzwischen mehr als vielleicht vor 60 Jahren, in welcher Abhängigkeit wir voneinander stehen. ] 

 

Und wenn man anknüpft an das was Papst Franziskus gesagt hat, dann möchte ich gerne das Bild von dem gemeinsamen Haus ins Spiel bringen, in dem wir alle leben als Menschheit. Da kann es uns natürlich nicht egal sein, was in den anderen Etagen des Hauses vorgeht und die Menschen bedrückt.

Pope: Bei einem Jubiläum hält man sicherlich einen Moment inne und reflektiert die eigene Situation. Was sind Ihre Wünsche – wie soll es für Misereor als nächstes weitergehen?

Antkowiak: Wir hoffen weiter auf gute Unterstützung, weil die Probleme, obwohl man sich das wünschen mag, wohl nicht weniger werden, sondern eher mehr, wenn sich nichts ändert. Ich wünsche mir, dass wir weiter engagierte Menschen finden, die uns unterstützen – nicht nur finanziell, sondern auch dadurch, dass sie sich für die globalen Zusammenhänge interessieren und dafür, dass es mit unserem Lebensstil, unserer Art, uns zu ernähren und mit Ressourcen umzugehen so nicht weitergehen kann und dass sie auf eine Veränderung setzen. „Damit alle leben können“ hieß auch mal ein Motto einer unserer Fastenaktionen. Das ist nach wie vor aktuell.

So ein Geburtstag ist natürlich auch eine Gelegenheit, den Menschen zu danken, die sich an verschiedener Stelle engagieren. Es freut uns aber auch, wenn wir kritische Rückmeldungen bekommen, weil uns wichtig ist, im Gespräch zu sein.

(vatican news – jm)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

23. August 2018, 10:39