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3D-Darstellung des Mannes auf dem Grabtuch von Turin 3D-Darstellung des Mannes auf dem Grabtuch von Turin 

Falsches Blut auf Turiner Grabtuch? Unser Interview

Mindestens die Hälfte der Blutflecken auf dem Turiner Grabtuch soll „falsch“ sein: Das hat eine Studie der Universität Liverpool ergeben, die jetzt im „Journal of Forensic Sciences“ erschien.

Stefan von Kempis und Federico Piana - Vatikanstadt

Kippt damit die Annahme, dass das berühmte, im Turiner Dom aufbewahrte Leinen den Abdruck des gekreuzigten Jesus Christus zeigt? Das fragten wir eine der bekanntesten Grabtuch-Expertinnen, die Naturwissenschafts-Professorin Emanuela Marinelli, die mehrere Bücher über die Turiner Reliquie vorgelegt hat.

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„Also, zunächst einmal erschließt sich einem nicht richtig, warum ein Fälscher oder Künstler nur die Hälfte der Flecken hätte fälschen sollen. Was sollte das denn bedeuten, so ein Objekt zur Hälfte mit echten Blutflecken und zur anderen Hälfte mit falschen? Aber die Meldung der Nachrichtenagenturen stützt sich, wenn man genau hinsieht, auf eine längst bekannte Studie, die vor vier Jahren auf einem Kongress vorgestellt wurde… Was soll das also heißen: ‚zur Hälfte falsch‘? Die Autoren der Studie sagen: Die Hälfte der Blutflecken entspricht der Position eines Gekreuzigten am Kreuz, die andere entspricht dem nicht.“

„Jesus starb an einem Infarkt“

 

Beispiel: der Fleck, der auf der Brust des Mannes auf dem Grabtuch zu sehen ist. Das aus einer Lanzenwunde ausgetretene Blut – so etwas würde jedenfalls exakt zum biblischen Befund über die Kreuzigung Jesu passen. Das Johannes-Evangelium berichtet, aus der Seite des bereits verstorbenen Herrn seien beim Lanzenstich „Blut und Wasser“ herausgeflossen.

„Kardiologen sind heute auf der Basis des biblischen Berichts und des Turiner Grabtuchs zu dem Schluss gekommen, dass Jesus an einem Infarkt gestorben und nicht, wie sonst häufig bei Gekreuzigten, erstickt ist. Das ist also ein spezieller Fall: Jesus ist bereits tot, der Körper bleibt noch eine Weile am Kreuz hängen, und der Lanzenstich lässt nun dunkles, verdicktes Blut und eine Art Serum herausfließen, das sich um das Herz herum gebildet hat. Was tun nun die Autoren der Liverpooler Studie? Man sieht es genau, denn ihrem Aufsatz sind Fotos beigefügt: Sie nehmen eine Schaufensterpuppe, wie man sie in Kleidungsgeschäften sieht, befestigen an ihrer rechten Brust ein Säckchen mit künstlichem Blut und drücken darauf – das ist das ‚wissenschaftliche‘ Experiment...“

Das Experiment mit der Schaufensterpuppe

 

Als sie vor Jahrzehnten angefangen habe, sich mit dem Grabtuch zu beschäftigen, habe es noch gewissenhafte Experimente an wirklichen Leichen gegeben – jetzt hingegen reiche offenbar eine Schaufensterpuppe, kritisiert Emanuela Marinelli. Die Autoren der Liverpooler Studie hätten nichts weiter getan, als die Blutflecken an ihrer Puppe mit denen auf dem Grabtuch zu vergleichen, und hätten aus den Unterschieden geschlossen: Das Blut auf dem Grabtuch ist teilweise falsch.

„Wenn das Wissenschaft ist, dann gebe ich meinen Universitätsabschluss zurück! Aber man muss eben wissen, für wen Luigi Garlaschelli, einer der Autoren dieser Studie, arbeitet. Er hat selbst in einem Interview mit einer italienischen Zeitung 2009 erzählt, dass seine Arbeiten zum Grabtuch von Atheisten-Verbänden bezahlt würden. Aber Geld stinke eben nicht, hat er dann noch hinzugefügt, er wäre auch bereit, einmal für die katholische Kirche eine Studie durchzuführen. Daraus schließe ich: Wenn er immer noch von falschen Blutflecken spricht, kann das nur daran liegen, dass die Kirche ihn nicht finanzieren wollte. Sonst wäre er auf die andere Seite übergelaufen.“

Viele Sensationsmeldungen sind „Fake News“

 

Frau Marinelli kann noch einiges über den Chemiker Garlaschelli, der an der Universität Pavia lehrt, erzählen – zum Beispiel, dass er „lustige Experimente“ gemacht habe, bei denen er ein „falsches Deutsch“ gesprochen habe. Man bekommt beim Zuhören den Eindruck, dass es unter Sindologen – den Wissenschaftlern zum Grabtuch – menschelt und eifersüchtelt wie in anderen Wissenschaftszweigen auch.

Viele Sensationsmeldungen rund ums Grabtuch seien einfach „Fakes“ – etwa, dass das Grabtuch aus dem Mittelalter stamme.

„Das ist die berühmteste Falschmeldung, von 1988. Sie stützt sich auf die Untersuchung eines Grabtuchzipfels, den man im Lauf der Jahrhunderte immer wieder – etwa zu den öffentlichen Ausstellungen des Grabtuchs – angefasst hatte, durch die Radiokarbon-Methode; dabei wurde vorab gar nicht geklärt, ob diese Methode für die Untersuchung dieses Materials überhaupt tauglich war. Das größte Forschungszentrum, das diese Methode anwendet – es liegt in Miami – sagt auf seiner Homepage, es führe keine Untersuchung an Stoffen durch, weil Stoffe, die etwa mit Konservierungsmitteln behandelt worden sind, mit der Radiokarbon-Methode ein ganz falsches Datum ergeben. Nun ist das Turiner Grabtuch aber im Lauf von zweitausend Jahren viel herumgekommen, es war Kerzenrauch ausgesetzt und wurde von vielen Menschen berührt – man kann also diese Methode ganz einfach bei einem solchen historischen Leinenstoff nicht anwenden.“

Mit Grabtuch-Dummheiten könnte man ganze Bibliotheken füllen

 

Ihr erstes Buch habe sie, vor dreißig Jahren, über diese Falschdatierung des Grabtuchs ins Mittelalter geschrieben, erinnert sich die Forscherin. Dem Buch folgten viele weitere Veröffentlichungen und Vorträge auf Kongressen.

„Wir Katholiken können in aller Gemütsruhe am Grabtuch forschen – für einen Nichtglaubenden dagegen ist das Grabtuch etwas Verstörendes“

„Mit Grabtuch-Dummheiten könnte man ganze Bibliotheken füllen. Leider. Ich halte mich da an einen Satz, den einmal ein Kardinal aus Bologna gesagt hat: Wenn das Grabtuch falsch ist, dann ändert das für einen Katholiken nichts, weil sich unser Glaube natürlich nicht auf das Grabtuch stützt. Aber wenn es echt ist, dann ändert das für einen Atheisten alles… Da liegt der Unterschied. Wir Katholiken können in aller Gemütsruhe am Grabtuch forschen – für einen Nichtglaubenden dagegen ist das Grabtuch etwas Verstörendes. Atheisten sind für mich wie Raucher, es gibt zwei Kategorien davon. Die einen sind die Netten, die fragen: Stört es Sie, wenn ich rauche? Und die anderen sind die, die einem den Rauch einfach ins Gesicht blasen. Dementsprechend gibt es auch solche und solche Atheisten. Ich habe Atheisten-Freunde, die haben mich sogar zu Vorträgen eingeladen; die sagen: Wir glauben, dass das Grabtuch den Menschen Jesus von Nazareth zeigt.“

(vatican news)
 

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17. Juli 2018, 13:23