Sierra Leone: Salesianer kämpfen gegen Zwangsprostitution Minderjähriger
Nadine Vogelsberg - Vatikanstadt
14.124 Menschen – so viele erkrankten zwischen 2014 und 2016 in Sierra Leone am Ebola-Fieber. Fast 4.000 dieser Erkrankten starben. Sie hinterließen Kinder und Enkelkinder, die niemanden mehr haben, der sich um sie kümmert. Aber selbst die Überlebenden haben es nicht leicht: Kinder, die das Fieber bekamen, werden heutzutage von ihren Mitschülern nicht mehr bei ihrem Namen, sondern nur noch bei der Krankheit, die sie überlebt haben, gerufen.
Diese soziale Ausgrenzung führt zu noch mehr Not – und das fiel den Salesianern Don Boscos auf. Pater Jorge Mario Crisafulli lebt bereits seit 23 Jahren in Afrika, in den vergangenen drei Jahren in Sierra Leone. Dort leitet er in der Hauptstadt Freetown die „Don-Bosco-Fambul“ für Kinder in Not. Wegen der Folgen des Ebola-Fiebers gibt es dort nun ein neues Projekt, berichtet er im Gespräch mit Pope: „Wir haben viele Programme für Kinder in Not. Aber dieses spezielle entstand letztes Jahr auf der Straße, als wir entdeckten, dass viele Jungen auf der Straße leben und viele, sehr viele Mädchen im Alter zwischen neun und siebzehn Jahren auf der Straße leben und sich prostituieren.“
Die Salesianer wollten helfen, denn diese Mädchen prostituieren sich nicht aus freien Stücken. Oft sind ihre Eltern an Ebola gestorben, und so haben sie niemanden mehr, der für sie sorgt. Oder aber sie brauchen das Geld, weil ihre Eltern nicht genug haben, um Lebensmittel oder die Schulgebühren selbst zu bezahlen. 2.500 Mädchen sind alleine in Freetown betroffen, schätzen die Salesianer. Einmal in der Prostitution gelandet, werden die Töchter von ihren Familien häufig verstossen.
Und so haben die Salesianer ein Zentrum eröffnet, in dem die Mädchen willkommen sind, wo sie medizinische Versorgung erhalten, Bildung, Nahrung, Kleidung – vor allen Dingen aber ein Zuhause und die Möglichkeit, wieder zu träumen von dem Leben, dass sie einmal führen wollen. Die Salesianer vermitteln sie dann nach abgeschlossener Schulbildung an eine Ausbildungsstelle weiter. Dabei stoßen sie auf viele Widerstände, wie Crisafulli erzählt: „Wir kämpfen gegen die Mafia. Wir ruinieren ihr Geschäft, und das sorgt für Spannungen zwischen uns und ihnen. Wir erhalten Drohungen über Telephon und WhatsApp ,Hört damit auf, wir werden Euch töten…‘ Selbstverständlich versuchen sie, uns einzuschüchtern, weil wir ihr Geschäft ruinieren. Aber wir geben nicht auf!“
Die Mafia in Sierra Leone ist aber nicht das einzige Problem. Oft fängt es schon dabei an, dass die Männer in dem Land die Frauen mit wenig Respekt behandeln. Die Salesianer versuchen daher, mit ihrem Unterricht nicht nur Mädchen zu erreichen, sondern auch Jungen, damit diese lernen, Frauen als Gleichberechtigte zu behandeln. „Das ist nicht nur ein Problem in Sierra Leone, es ist ein Problem in ganz Afrika, es geht sogar über Afrika hinaus.“
Wichtig ist es daher, dass alle zusammenarbeiten: Salesianer, die Regierung, Polizei und Sicherheitskräfte. Doch auch das ist nicht immer leicht, wie Crisafulli weiß: „Die Regierung sollte aufhören, diese Mädchen als Problem zu sehen, denn sie sind kein Problem, sie sind Kinder!“
Und für diese Kinder setzen sie sich ein, nicht nur in ihrem Zentrum, sondern auch über eine Hotline, die kostenlos und anonym 24 Stunden am Tag erreicht werden kann. Wenn sie können, fahren sie mit ihrem Bus zu den Mädchen und greifen gleich vor Ort ein. Dabei erleben sie das Leid der Mädchen hautnah, doch das ist für sie nicht entmutigend, sondern vielmehr Ansporn, weiterzumachen, erzählt Pater Crisafulli. „Wir wissen, dass es unsere Aufgabe ist, so viel Leid, wie wir nur können, aufzunehmen und es umzuwandeln: In Hoffnung, in Freude, in Lachen.“
Und das scheint zu funktionieren. Nicht immer, freilich. Es gibt Fälle, in denen kehren die Mädchen trotzdem auf die Straße zurück. Aber andere haben jetzt Berufe, sie arbeiten als Köchin oder Verkäuferin. Zu den Salesianern stehen sie nach wie vor in gutem Kontakt: „Wenn sie merken, dass ihr Leben sich verändert hat, kommen sie zurück und bringen den Jüngeren bei, was sie gelernt haben. Sie sind Vorbilder. Obwohl sie sich auf der Straße prostituiert haben, sind sie nun Vorbilder, denn sie zeigen den Mädchen, die jetzt in dieser Situation sind, dass es möglich ist, auszusteigen.“
146 Mädchen konnten sie auf diese Weise seit Beginn des Projekts im September 2016 schon helfen. Mindestens 300 Mädchen pro Jahr von der Straße zu retten lautet die Zielsetzung. Pater Crisafulli ist motiviert, weiter für die Mädchen und gegen ein System, das sie in die Prostitution zwingt, zu kämpfen: „Manche Geschichten handeln von Erfolg, aber mein Ansatz besteht darin, niemals aufzugeben. Niemals, niemals aufzugeben!“
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