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Eine geflüchtete kongolesische Familie Eine geflüchtete kongolesische Familie 

Kongo: Die vergessene Katastrophe

Eine große, aber vergessene humanitäre Krise? Nein, das sind nicht die Rohingya aus Myanmar. Und auch nicht die Menschen im Jemen, denen wegen der Blockade der Grenzen eine Hungersnot droht; auf sie macht immerhin die UNO wortreich aufmerksam. Völlig unter dem Radar der internationalen Aufmerksamkeit fliegt vielmehr… der Kongo.

von Stefan von Kempis

In der Mitte dieses Riesenlandes, in der Region Kasai, hat es seit August letzten Jahres monatelang blutige Zusammenstöße zwischen Armee und Milizen gegeben – und auch wenn mittlerweile wieder einigermaßen Ruhe eingetreten ist, zeichnet sich doch ein Desaster ab. Die meisten Menschen stehen vor dem Nichts; humanitäre Hilfe hat nur die beiden Städte Tshikapa und Kananga erreicht, aber nicht die ländlichen Gebiete.

„Die Lage hat sich nur in der Hinsicht stabilisiert, dass wir im Moment keine Verwundeten zu behandeln haben“, sagt uns Pedro Alvarez von „Ärzte ohne Grenzen“, den wir telefonisch im Kongo erreicht haben. „Allerdings soll es noch einige Zonen geben, in denen weiter gekämpft wird.“

„Die meisten Dörfer sind niedergebrannt“

Die Straßen sind schlecht in Kasai wie im Rest des Landes; eine Übersicht über die genaue Lage ist nur schwer zu gewinnen. Monatelang haben sich viele Menschen in den Wäldern versteckt, viele sind dort krank geworden oder zumindest stark geschwächt. Hier und dort liegen unbestattet Knochen von Menschen herum, die den Kämpfen zum Opfer gefallen sind.

„Wir haben gesehen, dass es Orte gibt, in die die Geflohenen wieder zurückkehren. Aber die meisten Dörfer, die wir gesehen haben, sind bis auf den Erdboden niedergebrannt. Die Menschen, die zurückkehren, werden sehr bald nichts mehr zu essen haben, weil sich schlechthin nichts ernten lässt. In einigen Dörfern fangen sie an, wieder etwas anzubauen, aber vielerorts gibt es gar keinen Samen und auch keine landwirtschaftlichen Werkzeuge.“

„Medikamente gibt es wenig oder gar nicht“

Darum zögert Alvarez keinen Moment, wenn man ihn fragt, was die Menschen in Kasai jetzt am dringendsten brauchen. In einigen Gebieten sind zehn Prozent der Kinder akut unterernährt. „Ein erstes Problem ist die Ernährung. Und ein zweites Problem ist der Krankenbereich – die meisten Krankenpfleger oder Ärzte sind geflohen, und sie kommen noch nicht zurück, weil sie die Lage noch nicht als sicher einstufen. Medikamente gibt es wenig oder, in einigen entfernten Gebieten, sogar gar nicht…“

Hilfsorganisationen sollten dringend in die ländlichen Gebiete des Kasai ausschwirren, bitten die Ärzte ohne Grenzen. Eigentlich bräuchten viele der Menschen auch eine Trauma-Behandlung, denn sie hätten in den letzten Monaten Furchtbares durchgemacht.

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13. November 2017, 10:49