Vatikan ruft zu globaler Steuerreform auf
Mario Galgano und Joseph Tulloch - Vatikanstadt
Die Kernaussage der Konferenz war klar: Das derzeitige globale Steuersystem ist nicht mehr zeitgemäß. Es begünstigt multinationale Konzerne, vertieft soziale Ungleichheiten und erleichtert es den Wohlhabendsten, ihre Macht zu festigen. „Steuern müssen dem Gemeinwohl dienen und gerecht erhoben werden“, mahnte Kardinal Pietro Parolin. Doch diese Forderung sei nicht neu – ihre Umsetzung jedoch nach wie vor schwierig. Wie die Präsidentin der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften (PASS), Schwester Helen Alford, betonte, sei das internationale Steuersystem über 100 Jahre alt und nicht in der Lage, die Herausforderungen einer hochgradig globalisierten Welt zu bewältigen.
Hochkarätige Teilnehmer diskutieren die Steuerungerechtigkeit
Zu den prominenten Rednern der Tagung zählten Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Spaniens Premierminister Pedro Sánchez und der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki. In einem der zentralen Panels erläuterte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, wie das Steuerwesen globale Ungleichheiten verstärkt. Er verwies auf das Konzept der „unsichtbaren Hand“ von Adam Smith, die besagt, dass das Streben nach eigenem Nutzen dem Gemeinwohl dient – ein Prinzip, das jedoch von vielen Unternehmen missbraucht werde. „Firmen profitieren von staatlicher Infrastruktur und Rechtssicherheit, ohne ihren fairen Anteil an Steuern zu leisten“, kritisierte Stiglitz.
Entwicklungsländer besonders betroffen
Ein besonderer Fokus lag auf den Auswirkungen des ungerechten Steuersystems auf Entwicklungsländer. Stiglitz verwies auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Afrika und Lateinamerika: „Der wahre Wert dieser Reichtümer wird nicht anerkannt. Die Bevölkerung dieser Länder profitiert kaum davon.“ Die ugandische Politikerin und UNAIDS-Direktorin Winnie Byanyima warnte zudem vor der wachsenden Schuldenlast afrikanischer Staaten, die dringend in ihre Gesundheitssysteme investieren müssten. Sie kritisierte, dass viele wohlhabende Nationen ihre Entwicklungshilfe kürzen, was existenzielle Fortschritte gefährde.
Eine Welt im Wandel – aber ohne soziale Gerechtigkeit?
Die Konferenz warf auch tiefere geopolitische Fragen auf: Welche Rolle spielen universelle Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit in einer Welt, die von wachsenden Spannungen und zunehmendem Individualismus geprägt ist? Die geopolitische Überdehnung der USA sowie die wirtschaftliche Stagnation Europas zeigen, dass der Westen mit internen Krisen kämpft – und dabei das globale Gleichgewicht aus dem Blick verliert.
Trotz vieler offener Fragen machte die Tagung im Vatikan eines deutlich: Ohne eine umfassende Steuerreform werden sich soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten weiter verschärfen. Wie Papst Franziskus bereits 2022 betonte, sind Steuern ein Schlüssel, um „Ungleichheiten zu überwinden, Arbeitsplätze zu schaffen, Gesundheit und Bildung für alle zu garantieren und Infrastruktur für eine gerechtere Gesellschaft zu errichten“. Die Diskussionen im Vatikan verstand sich somit als ein Weckruf für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft.
(vatican news)
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