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Kreuz Kreuz  (Erzdiözese Wien/ Wolfgang Seper)

Theologe Gustavo Gutierrez im Alter von 96 Jahren gestorben

Der Mitbegründer der Befreiungstheologie, Gustavo Gutierrez, ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 96 Jahren, wie die Dominikaner in Peru am Mittwoch auf Facebook mitteilten.

Gustavo Gutiérrez, einer der einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts, gilt als Wegbereiter der Befreiungstheologie, einer Bewegung, die sich für die soziale Gerechtigkeit und die Befreiung der Armen einsetzt. Entstanden in den 1960er Jahren als Reaktion auf die massiven sozialen Ungleichheiten in Lateinamerika, fordert die Befreiungstheologie eine Kirche, die sich aktiv für die Rechte und Würde der Unterdrückten einsetzt. Gutiérrez' Werk „Theologie der Befreiung" aus dem Jahr 1971 gilt als grundlegend für diese Bewegung und prägte maßgeblich das theologische Denken in Lateinamerika und darüber hinaus.

Ein Theologe im Dienst der Armen

Gutiérrez' persönlicher Werdegang und intellektuelle Entwicklung spiegeln sein tiefes Engagement für soziale Gerechtigkeit wider. Geboren in Peru, studierte er zunächst Medizin, wandte sich dann aber der Philosophie, Psychologie und Theologie zu. Sein Eintritt in den Dominikanerorden im Jahr 1999 markierte eine wichtige Etappe in seinem Leben als Theologe und Priester. Über Jahrzehnte lehrte er an der Katholischen Universität von Lima und beschäftigte sich intensiv mit den sozialen Herausforderungen, vor denen die Menschen in seiner Heimat und in ganz Lateinamerika standen.

Ein zentraler Bestandteil seiner Lehre ist die „Option für die Armen“, ein theologisches Prinzip, das besagt, dass sich die Kirche vorrangig den Bedürfnissen der Armen widmen muss. Gutiérrez argumentierte, dass die Verkündigung der christlichen Botschaft nicht getrennt von den realen Lebensbedingungen der Menschen erfolgen dürfe und dass die Befreiung von sozialer Ungerechtigkeit ebenso wichtig sei wie die spirituelle Erlösung.

Soziale Realität und Glaube verbinden

Die Befreiungstheologie stellt eine radikale Verbindung von Glauben und gesellschaftlicher Realität her. Sie fordert die Kirche auf, sich nicht nur mit geistlichen Fragen zu befassen, sondern aktiv für soziale Veränderungen einzutreten. Dabei stehen die Befreiung der Armen und der Widerstand gegen jede Form von Unterdrückung im Mittelpunkt. Gutiérrez betonte, dass der christliche Glaube in den Kampf gegen Armut und Ausgrenzung integriert werden müsse, um glaubwürdig zu sein.

Gutiérrez' Ansatz zeichnet sich durch eine starke Verwurzelung in der konkreten sozialen Situation Lateinamerikas aus. Er kritisierte, dass traditionelle theologische Modelle oft keine Antworten auf die realen Probleme der Menschen lieferten und forderte eine Theologie, die aus der Perspektive der Ausgegrenzten und Unterdrückten formuliert wird.

Abgrenzung und Kritik

Obwohl die Befreiungstheologie oft mit marxistischen Ideen in Verbindung gebracht wurde, betonte Gutiérrez stets, dass sein Ansatz auf der christlichen Botschaft basiere und nicht auf einer politischen Ideologie. Während er Elemente der marxistischen Analyse zur Erklärung sozialer Ungerechtigkeit nutzte, wies er eine zu enge Verknüpfung mit dem Marxismus zurück. Vielmehr betonte er die Bedeutung der Bibel und der christlichen Tradition für den Prozess der Befreiung und soziale Gerechtigkeit.

In seinen späteren Werken setzte sich Gutiérrez kritisch mit der Entwicklung der Befreiungstheologie auseinander und bemühte sich, einige Übertreibungen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Er bekräftigte jedoch stets die Grundsätze seiner Theologie und die Notwendigkeit, die sozialen Herausforderungen aus einer theologischen Perspektive heraus anzugehen.

Die Wirkung der Befreiungstheologie

Die Befreiungstheologie, wie sie von Gutiérrez konzipiert wurde, hatte weitreichende Auswirkungen auf die katholische Kirche und die Gesellschaft. Sie stellte die Kirche vor die Herausforderung, ihre Rolle in einer von sozialer Ungleichheit geprägten Welt zu überdenken und sich stärker für die Schwachen einzusetzen. Besonders in Lateinamerika stieß die Bewegung auf große Resonanz, beeinflusste die pastorale Praxis und führte zu einer neuen Art des Engagements von Priestern, Ordensleuten und Laien in der sozialen Arbeit.

(pm - mg)

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23. Oktober 2024, 11:49