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Die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens Die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens 

Synode: „Papst will Einheit wie auch Diversität der Kirche schützen"

Papst Franziskus hat die katholische Kirche von einer statischen Kirche zu einer Kirche im Prozess geführt. Das ist für die in Erfurt lehrende Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens das Hauptergebnis der Weltsynode, die sie drei Jahre lang im Auftrag des Papstes mitgestaltete. Dass Franziskus das Schlussdokument übernahm, zeige, dass er nicht nur die Einheit, sondern auch die Diversität in der Kirche schützen will, sagte Wijlens im Interview mit Radio Vatikan.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Frau Professor Wijlens, worin liegt für Sie das wichtigste Ergebnis der Synode, die Sie von Anfang an begleitet haben?

Myriam Wijlens: Ich habe in der Tat das Vorrecht gehabt, seit drei Jahren mitzuarbeiten, die Höhen und Tiefen zu erleben und zu sehen, dass die Ortskirche in Dialog mit der Gesamtkirche getreten ist. Das ist der erste Punkt: Es geht nicht darum, dass ein Dokument aus Rom einfach im Briefkasten landet und man dann überlegt, was damit anzufangen ist, sondern es wurde von Anfang an ein Dialog geführt.

„Der Papst hat die Kirche von einer statischen Kirche zu einer Kirche im Prozess geführt“

Ein weiterer Punkt ist, dass durch diesen Prozess das entstanden ist, was man als „Katholizität“ bezeichnen könnte – ein echter Austausch der Gaben. Wie ich zu einer Gruppe gesagt habe: Vergangenes Jahr haben wir uns als multinationale Gruppe getroffen, aber jetzt sind wir wirklich international geworden. Wir haben uns gegenseitig kennengelernt, schätzen und lieben gelernt. Wir fragen uns: Wie läuft es bei dir zu Hause? Welche Projekte gibt es bei euch? Wo liegen die Herausforderungen? Das alles empfinde ich als ein immenses Ereignis. Der Papst hat die Kirche von einer statischen Kirche zu einer Kirche im Prozess geführt, und das ist eine große Errungenschaft dieser Synode. Wir denken jetzt prozessmäßig und kontextuell und sehen, dass die Ortskirche nicht ohne Kontext existieren kann. Das führt zu Fragen wie der nach Inkulturation und Diversität. Wir müssen eine Diversität in Einheit schaffen, die nicht spaltet, sondern Vielfalt im Kontext zulässt, damit Glaube vor Ort gelebt werden kann.

Hier zum Hören:

„Der Papst hat damit auch gesagt, er muss die Einheit der Kirche schützen, aber eben auch die Diversität“

Was bedeutet es, dass der Papst das Schlussdokument zu seinem eigenen Dokument macht und als solches in Kraft setzt?

Myriam Wijlens: Die Synode entstand aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als die Bischöfe sagten, die Erfahrung, Kirche zu sein und sich auszutauschen, sei wertvoll und sollte fortgeführt werden. Papst Paul VI. gründete deshalb die Bischofssynode und erklärte schon damals, dass sie weiterentwickelt werden müsse. Das ist unter diesem Papst geschehen. Früher waren die Sitzungen und Dokumente geheim, und erst am Ende gab es ein Papstdokument. Aber Franziskus hat mit der Familiensynode erstmals eine Befragung eingeführt und mit der Jugendsynode die Beteiligung der Ortskirchen intensiviert. Jetzt hat er das Volk Gottes vom ersten Tag an einbezogen und gesagt, dass auch die Hirten und andere Zeugen aus den Ortskirchen in Rom dabei sein müssen. Die Synodalen sind Zeugen der Prozesse vor Ort, und ich denke, Franziskus hatte einfach das Gefühl: Das ist jetzt stimmig, was soll ich da noch hinzufügen? Der Papst hat damit auch gesagt, er muss die Einheit der Kirche schützen, aber eben auch die Diversität. Er muss sehen, dass es keine uniforme Kirche wird.

Blick in die Synodenaula
Blick in die Synodenaula

Deutschland gehört wahrscheinlich zu den Ländern, wo Skepsis gegenüber den Ergebnissen der Synode herrscht. Wie erklären Sie dort die Ergebnisse der Synode?

Myriam Wijlens: Für mich war die Betonung auf Rechenschaft und Transparenz überraschend. Diese Themen stehen nun im Mittelpunkt, und Transparenz wird als innere Haltung verstanden, nicht nur als Verfahren. Das hätte ich 2021 zu Beginn der Synode nicht für möglich gehalten. Diese Begriffe wurden auch theologisch beleuchtet. Wenn in der deutschen Kirche über größere Beteiligung, etwa bei Bischofsernennungen, gesprochen wird, dann sind das genau die Themen, die in Rom nun ebenfalls Raum finden. In den Berichten bei Ad-limina-Besuchen wird Rechenschaft eingefordert, wie Entscheidungen umgesetzt wurden. Und dann denke ich, unglaublich, das hätte man eigentlich nicht erwarten können. Und ja, wir haben einander vielleicht auch geholfen, das so zu sehen und es positiv zu sehen. 

„Ich denke, dass sich die Frauenfrage definitiv bewegt hat“

Die Frauenfrage hat viele beschäftigt. Hat sich hier durch die Synode etwas bewegt?

Myriam Wijlens: Ich denke, dass sich die Frauenfrage definitiv bewegt hat. Im Schlussdokument ist von der Beteiligung von Laien die Rede, also von Männern und Frauen, das wird explizit genannt. Es wird entscheidend sein, wie dies vor Ort umgesetzt wird. Viele Möglichkeiten, die das Kirchenrecht bietet, werden bislang nicht ausgeschöpft. In Deutschland ist man bei einigen Punkten vielleicht schon weiter, aber wir sind ja als Weltkirche unterwegs. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich zuvor in Nordamerika studiert, wo es in der Kirche seit über 30 Jahren selbstverständlich ist, dass Frauen offizielle Leitungsrollen übernehmen, wie etwa in kirchlichen Gerichtshöfen. Hier gibt es noch Entwicklungspotenzial.

„Wir sind wie ein Schiff, das seinen Kurs gefunden hat“

Gab es in Ihrer Wahrnehmung Krisenmomente während der Synode?

Myriam Wijlens: Ich würde nicht sagen, dass es eine Krise gab, die den Fortgang der Synode bedrohte. Aber es ist normal, dass man nach drei Wochen manchmal denkt: Wo stehen wir eigentlich? Diese Phasen gibt es in allen Transformationsprozessen, sie gehören dazu, und wir haben sie gut bewältigt. Um es bildlich auszudrücken: Wir sind wie ein Schiff, das seinen Kurs gefunden hat, als Niederländerin darf ich das vielleicht sagen.

(vatican news – gs)

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27. Oktober 2024, 07:36