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Pius XII. Pius XII.  (AFP or licensors)

Vatikan: Kirche in Afrika hat unter Pius XII. profitiert

Für viele gilt die Kirchengeschichte als nur auf Europa fixiert oder Europa wird als Ausgangspunkt für ihren kirchlichen Einfluss auf andere Kontinente bewertet. Das dies nicht stimmt, konnte man jetzt bei einer Konferenz an der Gregoriana erfahren. Bei dem wissenschaftlichen Austausch ging es konkret um die Zeit von Pius XII., der vom 2. März 1939 bis zu seinem Tod im Jahr 1958 der 260. Bischof von Rom und damit Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche war.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Die Öffnung der vatikanischen Archive aus der Zeit von Pius XII. bietet eine wertvolle Gelegenheit, verschiedene Aspekte des diplomatischen Handelns des Heiligen Stuhls während dieses langen Pontifikats auf internationaler Ebene zu erforschen - ein facettenreiches Handeln, das sich an die wechselnden politischen Bedingungen anpasste: von der Tragödie des Zweiten Weltkriegs bis hin zu einer neuen Weltordnung, die von dem Wunsch nach Frieden beseelt, aber unauslöschlich von den durch den Kalten Krieg hervorgerufenen Spaltungen geprägt war.

Zum Nachhören - wie war die Zeit von Pius XII.?

Wie und inwieweit das Handeln der päpstlichen Diplomatie vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende des Pontifikats von Pius XII. von besonderen Visionen des Westens inspiriert war oder diese vermittelte, ist das Thema der internationalen Konferenz mit dem Titel: „Die vatikanische Diplomatie und die Gestaltung des Westens während des Pontifikats von Pius XII.“, die von der Päpstlichen Universität Gregoriana zusammen mit der Katholischen Universität „Sacro Cuore“, der „Universidad de Navarra“, „Universidade Católica Portuguesa“ und „University of Malta“ im Rahmen des OCCIDENTES-Forschungsprojekts veranstaltet wird.

Geschichte des Westens=Geschichte des Christentums

Für den vatikanischen Beauftragten für die Diplomatie, Erzbischof Paul Richard Gallagher, ist die Aufarbeitung der Geschichte der päpstlichen Diplomatie im Pontifikat von Pius XII. eine Besonderheit, wie er bei der Tagung an der Gregoriana sagte: „Die Geschichte des Westens ist ja so eng mit der Geschichte des Christentums und der Kirche verbunden, dass Historiker die Begriffe Westen, Europa und christliche Zivilisation oft als Synonyme verwenden.“

Einen etwas anderen Blick hat Elisabeth Bruyère. Sie hat an der Universität Gent in Belgien in Rechtswissenschaften promoviert und ist jetzt Forschungsstipendiatin an der Universität in Neapel, wo sie über die belgische Kolonialvergangenheit im Kongo, in Ruanda und Burundi forscht. Bruyère leitet eine der Sitzungen der Konferenz, die am 18. und 19. April in der Gregoriana stattfindet. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt die Expertin, dass dank der im 20. Jahrhundert entstandenen diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den damals gegründeten Staaten in Afrika die vatikanische Diplomatie, aber auch die Stellung des Westens unter dem Pontifikat von Pius XII. maßgeblich verändert wurden. Gegenüber Radio Vatikan erläutert sie das genauer:

„Während die afrikanischen Territorien oft keine Vertretung oder keinen Status im internationalen Rechtssystem hatten, da sie von den verschiedenen Kolonialreichen abhängig waren, entsandte der Vatikan immer mehr päpstliche Vertreter, in der Regel Apostolische Delegierte, in jeden Winkel des afrikanischen Kontinents. So zum Beispiel ab 1922 nach Südafrika, dann ab 1927 nach Kairo und ab 1930 nach Mombasa, später auch nach Addis Abeba und Dakar. Diese Vertreter hatten die Aufgabe, die Kontrolle des Heiligen Stuhls über die Missionen zu verstärken, so dass sie zum einen die Neutralität und Disziplin der Missionare sicherstellten und zum anderen inoffiziell mit den Kolonialbehörden verhandelten.“

Ziel sei es gewesen, die Missionare von den kolonialen Ambitionen zu distanzieren, was jedoch keine leichte Aufgabe war, gibt Bruyère zu:

„Vor allem afrikanische Priester konnten unter Pius XII. ihre Ansichten zu verschiedenen Themen darlegen.“

„Die vatikanische Diplomatie hat unter dem Pontifikat von Papst Pius XII. den afrikanischen Kontinent beeinflusst. Die Diplomaten auf afrikanischem Boden standen in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung, vor allem aber mit dem einheimischen Klerus, und ich denke, dass der afrikanische Klerus einen großen Einfluss auf die Offenheit des Heiligen Stuhls gehabt hat, die bisher eher ein theoretisches Interesse hatte. Bis dahin konnten sich die kurialen Kreise nur auf die Zeugnisse und Aussagen der Missionare verlassen. Vor allem afrikanische Priester konnten unter Pius XII. ihre Ansichten zu verschiedenen Themen darlegen. Die Beschwerden über die Missionare sind für die Entwicklung ihrer Länder von wesentlicher Bedeutung.“

Seite an Seite statt Angesicht zu Angesicht

Die Wissenschaftlerin zählt auch Beispiele auf. Die Tatsache, dass die Vatikan-Diplomaten denselben Status hatten wie die europäischen Missionare, habe dazu geführt, dass der Apostolische Delegierte versucht habe, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die europäischen Missionskleriker und die afrikanischen Priester Seite an Seite und nicht gegeneinander arbeiteten, „denn manchmal gab es Konflikte“, so Bruyère: „Es war nicht immer einfach, mit den europäischen Missionsklerus und dem aufstrebenden lokalen afrikanischen Klerus der weltlichen Diözesanpriester zusammenzuarbeiten.“

Die päpstliche Diplomatie, die sich wie jede andere Diplomatie weltlicher Mittel bediene, um ein (außen-)politisches Ziel zu erreichen, könne sich jedoch nicht auf die Verbreitung des Glaubens beschränken, und ihr Erfolg sei nicht nur an der Verbreitung des Glaubens zu messen, erläuterte Erzbischof Gallagher in seinem Beitrag an der Gregoriana. Und fügte an:

„In der Tat muss auch sie den normalen Tribut aller diplomatischen Verhandlungen zahlen, ohne dabei jedoch theologische Wahrheiten zu vernachlässigen, um die friedliche Koexistenz der Kirche gegenüber dem Staat zu gewährleisten. War es vielleicht das Bewusstsein dieser Werte und der Bedrohung des alten Kontinents des Westens durch zwei totalitäre Ideologien, das Pius XII. dazu veranlasste, sich den Vereinigten Staaten, dem ,neuen Westen', schon vor seinem Pontifikat zu nähern? Diese Frage muss noch geklärt werden.“

Papst Pius XII. und seine engsten Mitarbeiter
Papst Pius XII. und seine engsten Mitarbeiter

Komplexe Themenaufarbeitung

Was aber Afrika betreffe, so Bruyère in unserem Interview, könne man sagen, dass es eine Verbindung zwischen der örtlichen Kirche, der vatikanischen Diplomatie und der damaligen Kolonisierung gegeben habe:

„Wie dem auch sei, wir erwarten natürlich eine sehr komplexe Themenaufarbeitung, worüber auch in Zukunft noch Bücher geschrieben werden. Deshalb gibt es die Archive, die uns sehr helfen können, diese Zeit und diese spezifischen Verbindungen zwischen der lokalen Kirche, der vatikanischen Diplomatie und der Kolonialmacht zu verstehen. Die vatikanische Diplomatie im Allgemeinen ist also eine Diplomatie des Kompromisses oder der Neutralität. Ihr Engagement ist nicht politisch, sie hat kein anderes Ziel als, wie gesagt, die Rettung der Seelen. Die Ausbreitung des Christentums in den Kolonial- oder Missionsgebieten ist die Grundlage für alle Maßnahmen. Mit anderen Worten: Alle Richtlinien haben die Evangelisierung zum Ziel.“

Das habe früher gegolten und das gelte auch heute noch und zwar nicht nur in Afrika, so die Expertin; während auch Erzbischof Gallagher in ähnlicher Weise an der Gregoriana argumentierte.

(vatican news)

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18. April 2024, 13:21