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 Joachim von Braun, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, 2022 bei einem Treffen mit Papst Franziskus Joachim von Braun, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, 2022 bei einem Treffen mit Papst Franziskus 

Papst-Akademie zu COP28: Teilweise mehr gewünscht

Auch wenn Papst Franziskus krankheitsbedingt nicht wie geplant persönlich zur Weltklimakonferenz COP28 nach Dubai reisen konnte, wurde seine Botschaft dort gehört. Einige Punkte aus der Rede des Papstes zum Klimagipfel der Vereinten Nationen haben es auch ins Schlussdokument geschafft. Allerdings ist auch noch Luft nach oben, sagt der Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Joachim von Braun. Der deutsche Agrarwissenschaftler war in Dubai vor Ort; wir haben ihn nun interviewt.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Radio Vatikan: Joachim von Braun, Papst Franziskus hat in seiner Rede zu Beginn der COP28 gesagt:„Wir brauchen eine Veränderung, die keine partielle Kursanpassung ist, sondern eine neue Art und Weise, gemeinsam vorzugehen.“ Inwieweit erfüllt

Joachim von Braun, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften: Zunächst ist wichtig festzustellen, dass diese konkrete Forderung nach gutem Multilateralismus - der Zusammenarbeit der Länder der Welt - die Papst Franziskus ganz prioritär in seinem Statement hatte, sich auch im Schlussdokument von COP 28 wiederfindet. Auch weitere Forderungen des Papstes finden sich, nämlich der Übergang zu einer net zero carbon emissions Situation bis 2050. Zweitens ein starker Fokus auf Armut und Respekt für indigene Völker. Und auch der Fokus auf Food (Ernährung, Anm. d. Red.), Landwirtschaft und Wasser finden sich im Statement wieder. Also positive Indizien sind da. Aber wir müssen auch über das, was fehlt, sprechen.

Hier im Audio: Joachim von Braun, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, im Interview mit Radio Vatikan zum Abschluss des COP28 in Dubai

Radio Vatikan: Sagen Sie einmal noch kurz für die, die es vielleicht nicht wissen: â€žNet zero carbon emissions“ - was hat es damit auf sich?

„Die Welt muss aus den fossilen Energieträgern aussteigen, also Kohle, Gas und Öl“

Joachim von Braun: Die Welt muss aus den fossilen Energieträgern aussteigen, also Kohle, Gas und Öl. Dazu haben sich die Klimatagungen bisher nicht durchringen können. Und das ist nun das erste Mal, dass ausgerechnet in einem ölabhängigen, ölproduzierenden Land, in dem die Tagung stattgefunden hat, die Formulierung errungen worden ist - unter großen Schwierigkeiten - Abwärtsbewegung, das Reduzieren fossiler Energieträger. „Face down" ist da die Formulierung auf Englisch. Zweitens der Übergang zu einer Welt, in der die Kohlenstoffemissionen auf net zero, auf net Null gefahren werden, also unter Berücksichtigung von kompensierenden Maßnahmen zum Beispiel mehr Biomasse produzieren.

Radio Vatikan: Papst Franziskus hatte in seiner Rede zu Beginn ja auch den Ausschluss fossiler Brennstoffe gefordert. Das ist jetzt aber im Schlussdokument so direkt nicht drin...

„Das Schlussdokument fordert den Übergang zu Netto-Null 2050. Das beinhaltet alle möglichen Umgehungsszenarien (...) die eben das Netto-Null, aber nicht das Null beinhalten. Da haben wir, und viele andere, sich mehr gewünscht“

Joachim von Braun: Das Schlussdokument fordert den Übergang zu Netto-Null 2050. Das beinhaltet alle möglichen Umgehungsszenarien durch Maßnahmen, die Kohlenstoff zum Beispiel in der Erde lagern, oder technologische Maßnahmen, die eben das Netto-Null, aber nicht das Null beinhalten. Da haben wir, und viele andere, sich mehr gewünscht. Das Niveau der Ambition der Tagung ist höher gewesen, als die beiden vorigen Tagungen in Glasgow und in Ägypten, aber nicht auf dem Niveau, das wir uns gewünscht haben.

Joachim von Braun im Interview mit Stefanie Stahlhofen
Joachim von Braun im Interview mit Stefanie Stahlhofen

„Aus der Sicht der Akademien der Wissenschaften im Vatikan ist nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass wir bereits mitten in der Klimakrise sind“

Radio Vatikan: Was hätte noch besser sein können?

Joachim von Braun: Aus der Sicht der Akademien der Wissenschaften im Vatikan ist nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass wir bereits mitten in der Klimakrise sind und die Anpassungsaktivitäten viel stärkere Aufmerksamkeit gewinnen müssen. Zweitens brauchen wir eine viel stärkere Einbeziehung der betroffenen Menschen an der Basis. Deswegen planen wir zurzeit in den Akademien eine Veranstaltung, eine Zusammenkunft von Bürgermeistern und Provinz-Gouverneuren.

Schnelles Handeln nötig - und Reform des Prozesses

Es führt nicht rasch genug zum Erfolg, sich mit den verhandelnden Staatschefs zusammenzubringen. In dem Zusammenhang wünschen wir eine Fortführung der Konsultationen zwischen Wissenschafts- und Glaubensgemeinschaften. Grundsätzlich brauchen wir eine Reform dieses Prozesses. Diese Megatagungen, die mit absolutem Konsens enden müssen, schließen immer wieder auch faule Kompromisse.

„Diese Megatagungen, die mit absolutem Konsens enden müssen, schließen immer wieder auch faule Kompromisse“

Positiv sehe ich sehr wohl, dass wir Koalitionen der positiv nach vorne arbeiten wollenden Länder inzwischen gewonnen haben. Ein strahlendes Beispiel in dem Zusammenhang ist, dass mehr als 150 Länder eine Deklaration zu Ernährung, Landwirtschaft und Wasser abgegeben haben. Mit stärkeren Commitments, als sie im Schlussdokument der über 200 Länder sind. Also wir brauchen da parallele Prozesse. Sich nur auf das Konsensdokument zu fokussieren, reicht nicht aus.

Verpflichtungen und konkrete finanzielle Zusagen

Lassen Sie uns noch bei positiven Dingen bleiben: Die Finanzierungszusagen sind sehr viel konkreter geworden. Klimaanpassung braucht Geld. Im Moment werden zum Beispiel nur vier Prozent der Klimafonds für Landwirtschaft und Ernährungsanpassung ausgegeben, also nur ein ganz kleiner Bruchteil. Aber davon hängen Milliarden Menschen ab. Und das Wohl und Wehe von Milliarden Menschen, die in Hunger oder an der Hungerschwelle sind.

Positiv ist zu vermerken, dass in den nächsten Jahren eine Verdopplung der Klimafinanzierung beschlossen worden ist. Auch der sogenannte „Grüne Klimafonds" hat mehr Geld bekommen. Aber wie gesagt, es ist zurzeit vor allem für die Reduzierung des Klimawandel-Tempos gedacht und nicht für die Anpassung.

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Für die nächsten 20 bis 30 Jahre schlittert die Welt weiter in eine katastrophale Situation hinein. Deswegen muss die Anpassungsfinanzierung - also der Umgang mit Hitzewellen, mit Stürmen, mit Überschwemmungen - diese Finanzierung muss drastisch ausgeweitet werden, sonst ist das nicht für die Armen erträglich.

Radio Vatikan: Positiv ist ja auch, dass erstmals ein Fonds eingerichtet wurde für ärmere Länder, die dann auch bei Klimaschäden entschädigt werden sollen. Ist die Höhe dieses Fonds ausreichend? 

„„Loss and Damage Fonds" ist ein ganz wichtiger Anfang“

Joachim von Braun: Dieser sogenannte „Loss and Damage Fonds" ist ein ganz wichtiger Anfang. Es reicht aber nicht aus, aus staatlichen Mitteln, aus Steuergeldern, einen solchen Fonds zu speisen. Wir brauchen eine neue Finanzarchitektur, denn da geht es um Trillionen und nicht nur um Billionen. Und darüber ist viel geredet worden, in guter Weise geredet worden, nicht zerredet. Da braucht es neue Allianzen zwischen Entwicklungsbanken wie der Weltbank, dem Währungsfonds, zusammen mit dem privaten Sektor und den Zentralbanken. Denn es geht um ein völlig neues Niveau, hohes Niveau, von Finanzierung zum Umgang mit dem Klimawandel und zur Anpassungsfinanzierung.

Faule Kompromisse

Radio Vatikan: Möchten Sie jetzt noch was zu den Schlupflöchern oder faulen Kompromissen sagen?

Joachim von Braun: Wenn wir uns genau ansehen, wie es um den Text des Ausstiegs aus Erdöl, Gas und Kohle steht - das sind sehr weiche Formulierungen. Man kann sich freuen, dass sie überhaupt im Dokument gelandet sind. Noch zwei Tage vorher waren zum Beispiel diese Formulierungen zum Teil gar nicht vorhanden. Übrigens war auch die Bedeutung von Ernährungssektor und Hunger gestrichen worden aus dem Draft. Das ist in den letzten zwei Tagen erst wieder dazugekommen. Also in der Hinsicht kann man den Organisatoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gratulieren.

„Das Fairnessmoment ist meines Erachtens nicht genug betont worden zwischen den reichen Ländern, die den Klimawandel verursacht haben, und den armen Ländern die unter ihm leiden“

Prozess, der fortgesetzt werden muss

Aber diese Klimatagung COP28 ist nicht die letzte. Das ist ein Prozess. In dem Prozess hat es dieses Mal Lichtpunkte gegeben, die aber fortgesetzt werden müssen in COP29, COP30. Aber zusätzlich brauchen wir tatsächlich die Aktion an der Basis, in den Städten, in den Regionen.

Und wir brauchen Fairness. Das Fairnessmoment ist meines Erachtens nicht genug betont worden zwischen den reichen Ländern, die den Klimawandel verursacht haben, und den armen Ländern und den Ärmsten der Armen, die unter ihm leiden.

Radio Vatikan: Für die Ärmsten der Armen und die Länder, die unter dem Klimawandel besonders leiden, ist ja auch Papst Franziskus ein starker Fürsprecher. Er konnte jetzt nicht persönlich hinreisen zur COP28, wie er es eigentlich geplant hatte, weil er ja erkrankt war. Er hat dann eine Botschaft geschickt, die dort verlesen wurde von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Wie hat sich das ausgewirkt Ihrer Meinung nach, dass der Papst nicht persönlich da war?

Papstbotschaft und Vatikan-Delegation vor Ort wichtig

Joachim von Braun: Die Botschaft von Papst Franziskus ist sehr sorgfältig wahrgenommen worden, und die Präsenz von Kardinal Parolin war enorm wichtig mit der Delegation. Es gab übrigens einen sehr gut frequentierten Pavillon der Glaubensgemeinschaften, den ich auch besucht habe und Gespräche dort geführt habe - an zentraler Stelle auf dem Campus von COP28.  Als Wissenschaftler schauen wir uns ja gerne Korrelationen an und die Korrelationen zwischen den wichtigsten Botschaften von Papst Franziskus und dem, was sich im Schlussdokument von COP28 wiederfindet, sind durchaus hoch. Erstens: Ausstieg aus fossilen Energien; zweitens: Fokus auf Armut, Respekt für indigene Völker; drittens: Fokus auf Ernährung, Landwirtschaft und Wasser-Probleme. Und viertens: Betonung von multilateralen Lösungen und Überwindung von nationalen Egoismen.

Das

(vatican news - sst)

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14. Dezember 2023, 12:31