Papst und Nobelpreisträger werben für Frieden und Versöhnung
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
„Auch wenn ich euch nicht persönlich begrüßen kann, möchte ich euch willkommen heißen und euch von ganzem Herzen für euer Kommen danken. Ich freue mich, mit euch den Wunsch nach Brüderlichkeit und Frieden für das Leben in der Welt zu bekunden", erinnerte Franziskus selbst zu Beginn der Rede daran, dass er persönlich nicht auf dem Petersplatz sein konnte. Dort waren bei dem großen internationalen Geschwisterlichkeits-Treffen unter dem Motto #NotAlone (nicht allein) auch noch einige Plätze frei - wohl weil Franziskus persönlich aus Gesundheitsgründen verhindert war. Die Papst-Rede hatte es dennoch in sich:
„In unserer von Gewalt und Krieg zerrissenen Welt reichen Nachbesserungen und Anpassungen nicht aus: Nur ein großes geistliches und soziales Bündnis, das von Herzen kommt und die Geschwisterlichkeit in den Mittelpunkt stellt, kann die Heiligkeit und Unantastbarkeit der Menschenwürde wieder ins Zentrum der Beziehungen rücken", so der Appell des katholischen Kirchenoberhaupts.
In der von Kardinal Mauro Gambetti verlesenen Rede warb der Papst für eine „Kultur des Friedens" und appellierte „die Logik der Zweckgemeinschaft zu überwinden und über die Grenzen des Blutes oder der ethnischen Zugehörigkeit hinausgehen zu können." Das katholische Kirchenoberhaupt rief auch ganz konkret erneut alle zu Frieden auf:
„Fühlen wir uns berufen, den Balsam der Zärtlichkeit auf festgefahrene Beziehungen zwischen Menschen wie zwischen Völkern anzuwenden. Lasst uns nicht müde werden, Nein zu sagen zum Krieg, im Namen Gottes oder im Namen aller Männer und Frauen, die nach Frieden trachten."
Jeder solle schauen, was er täglich auch im Kleinen für eine bessere Verständigung und mehr Geschwisterlichkeit tun könne, so der Appell des Papstes:
„Wenn Menschen und Gesellschaften sich für die Geschwisterlichkeit entscheiden, ändert sich auch die Politik: Der Mensch zählt wieder mehr als der Profit; das Haus, das wir alle bewohnen, ist dann wieder mehr als nur eine Umgebung, die man für die eigenen Interessen ausbeuten kann; die Arbeit wird fair bezahlt, die Gastfreundschaft wird zum Reichtum, das Leben wird zur Hoffnung, die Gerechtigkeit macht offen für Wiedergutmachung, und die Erinnerung an das begangene Böse wird in der Begegnung zwischen Opfern und Tätern geheilt."
Unterstützung bei seiner Mission bekam Papst Franziskus von mehr als 30 Friedensnobelpreisträgern, die gemeinsam eine „Erkärung zur Geschwisterlichkeit der Menschen" vorbereitet hatten, die am Samstagabend auf dem Petersplatz vor der Papstrede verlesen und unterzeichnet wurde:
Erklärung zur Geschwisterlichkeit der Menschen unterzeichnet - Nie wieder Krieg
„Wir wollen der Welt im Namen der Brüderlichkeit zurufen: Nie wieder Krieg! Frieden, Gerechtigkeit und Gleichheit werden das Schicksal der gesamten Menschheit lenken. Schluss mit der Angst, der sexuellen und häuslichen Gewalt! Schluss mit den bewaffneten Konflikten. Lasst uns sagen: ,Keine Atomwaffen und Landminen mehr! Schluss mit Zwangsmigration, ethnischer Säuberung, Diktaturen, Korruption und Sklaverei", heißt es etwa in dem Dokument, das stellvertretend für alle von der Irakerin und Jesidin Nadia Murad, Friedensnobelpreisträgerin 2018, und dem Friedensnobelpreisträger 2006, dem bengalischen Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus verlesen wurde. Das Dokument ruft weiter dazu auf, auf Hass antworten mit Liebe zu antwortenn und auf Mitgefühl, Teilen, Unentgeltlichkeit, Verantwortung und Solidarität zu setzen. Wie Papst Franziskus in seiner Rede betont auch die Erklärung, dass jeder etwas tun kann - und muss:
„Die Saat der geistlichen Geschwisterlichkeit beginnt bei uns selbst. Es genügt, jeden Tag ein kleines Samenkorn in unsere Beziehungswelten zu pflanzen: Im eigenen Zuhause, der Nachbarschaft, der Schule, am Arbeitsplatz, auf Plätzen und in Institutionen, die Entscheidungen treffen." Das Dokument wirbt zudem für die Menschenwürde aller, für Bildung, Chancengleichheit, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit und eine Willkommenskultur, sowie für solidarische Sozialwirtschaft und einen gerechten ökologischen Übergang sowie auch für eine nachhaltige Landwirtschaft. Zum ersten Welttreffen der menschlichen Geschwisterlichkeit mahnten die Nobelpreisträger alle Menschen guten Willens:
„Unsere Zukunft kann nur gedeihen in einer Welt des Friedens, der Gerechtigkeit und der Gleichheit zum Wohle der einen Menschheitsfamilie: Nur Brüderlichkeit schafft Menschlichkeit. Es liegt an uns, die Brüderlichkeit zu wollen und sie gemeinsam in Einheit aufzubauen. Unterzeichnen Sie mit uns diesen Aufruf, um sich diesen Traum zu eigen zu machen und ihn in die tägliche Praxis umzusetzen, damit er die Köpfe und Herzen aller Regierenden erreicht und alle, die auf irgendeiner Ebene eine kleine oder große staatsbürgerliche Verantwortung tragen."
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin betonte, es gebe viele Probleme auf der Welt, aber auch eine Antwort darauf: Geschwisterlichkeit. Das habe die katholische Kirche schon immer betont und noch einmal ganz besonders ausführlich eingegangen. Das erste Geschwisterlichkeits-Treffen im Vatikan hatte die vatikanische Stiftung „Fratelli tutti" organisiert, die nach dem Papstschreiben benannt ist. Während der gut vierstündigen Veranstaltung auf dem Petersplatz gab es neben den Redebeiträgen auch musikalische-Live-Begleitung und immer wieder auch Berichte von Migranten, Obdachlosen oder Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten. Auch ehrenamtlichen Helfer aus aller Welt kamen zu Wort - alles entweder live, per voraufgezeichnetem Video oder per Live-Videoschalte. Zu der Veranstaltung waren auch zahlreiche junge Menschen gekommen. Gleichzeitig mit der Vatikan-Veranstaltung waren ähnliche Geschwisterlichkeits-Treffen auf acht weiteren Plätzen rund um den Globus geplant.
(vatican news - sst)
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