„7“: Im Vatikan wird Haydn neu komponiert
Die Neufassung der sieben langsamen Sätze, die der Österreicher Haydn 1787 komponierte, soll die Menschen von heute zum Nachdenken über das Geheimnis von Tod und Auferstehung Christi anregen. Das sagte Maestro Marcello Filotei bei der Vorstellung von „7“, seiner Neulektüre des Haydn-Opus. Das Konzert wird von den vatikanischen Medien am 2. April um 00.01 Uhr erstmals ausgestrahlt; es kann auf 30 Webradios unter gehört werden. Kurz darauf läuft es dann auch auf „Euroradio“.
„Haydn wollte nicht langweilen“
Die Idee zum neuen Haydn kommt von Marco Di Battista aus der Musik-Abteilung von Radio Vatikan. „Ich suchte eine aussagekräftige Partitur; da fand ich auf einmal die von Haydn, die unglaublich modern klingt. Und zwar deshalb, weil Haydn in den ersten Noten versucht, die Worte selbst nachzuschöpfen, aber indem er sie in Musik übersetzt. Gleichzeitig ging es Haydn darum, seine Zuhörer nicht zu langweilen – auch das ist wirklich sehr zeitgenössisch, sehr nah an unserem heutigen Denken. Und dann dachte ich an Marcello Filotei, einen Komponisten, der ja auch mein Kollege hier bei Radio Vatikan ist, und der nahm tatsächlich diese etwas verrückte Herausforderung an, das Werk des österreichischen Komponisten neu zu lesen und es in einer zeitgenössischen Sprache neu zu interpretieren.“
Filotei hat die renommierte römische „Akademie Santa Cecilia“ absolviert und sich dort nicht nur auf Klavier, sondern auch auf elektronische Musik spezialisiert; er arbeitet, wie erwähnt, in der Radio-Vatikan-Musikredaktion. Jetzt machte er sich also ans Werk - ein „work in progress“, wie er sagt. In fünf Monaten war die Partitur fertig: Elektronik, sechs Schlagzeuge, ein Bariton. Als Sänger stellte sich Patrizio La Placa zur Verfügung, Kantor der Sixtinischen Kapelle (nein, damit ist nicht die von Michelangelo ausgemalte Kirche im Apostolischen Palast gemeint, sondern der dazugehörige Chor „Cappella Musicale Pontificia Sistina“).
Sogar die Sixtinsche Kapelle macht mit
„Patrizio la Placa wurde wegen seiner Vielseitigkeit als Sänger ausgesucht. Er hat seit seinen Jahren bei den ‚pueri cantores‘ eine solche Musikalität und einen solchen Sinn für Phrasierung entwickelt, dass er auch eine zeitgenössische Partitur in Angriff nehmen kann.“ Das erklärt der Direktor des Chors, Monsignore Marcos Pavan. Seine jahrhundertealte Institution sei von jeher offen für Aufführungen von Musik, die nicht nur mit der kirchlichen Tradition verbunden ist.
Elektronik, Stimme und Schlagzeug
Ebenfalls mit an Bord bei der ungewöhnlichen Neuschöpfung: Mitglieder des Ensembles „Ars Ludi“, die eine breite Palette von Instrumenten spielen – und das oft auf unkonventionelle Weise. Marcello Filotei behält in seinem Opus zwar viele der melodischen Linien Haydns bei, auch Instrumente wie etwa das Glockenspiel, und er respektiert grosso modo die Struktur der Komposition. Doch in bestimmten Momenten lässt der Maestro Elektronik, Stimme und Schlagzeug ineinandergreifen und neue Klangbilder entstehen.
Darf man das – Haydn ins Zeitgenössische adaptieren? Filotei hat sich die Sache nicht leichtgemacht. „Es war mir wichtig, vor dem musikalischen Studium von Haydns Werk eine theologische Studie über die Bedeutung der sieben Worte Christi am Kreuz zu lesen. Und viele meiner kompositorischen Entscheidungen wurden dann sozusagen von dieser Studie diktiert. In dem Satz ‚Sitio‘, also ‚Mich dürstet‘, handelt es sich beispielsweise um ein körperliches Bedürfnis – etwas, das mit dem Körper zu tun hat. Daraufhin habe ich mich entschieden, an dieser Stelle Schläge mit bloßen Händen auf das Fell einer Trommel einzusetzen.“
Ungewöhnliche Klang-Erzeugung
Das bleibt nicht die einzige, ungewöhnliche Klang-Erzeugung. An anderen Stellen reibt der Bogen über ein Vibraphon oder erzeugen Becken einen Klang, der den Obertönen von Streichinstrumenten sehr ähnlich ist. Hier wie generell kam es stark auf die Zusammenarbeit des Komponisten mit den Interpreten an. Nicht nur, weil man bei vielen Klangfarben die Instrumente sehr genau kennen muss, sondern auch, weil Filotei einige Teile bewusst der Improvisation überlassen hat.
Ein Fall für „Ars Ludi“: die Schlagzeuger haben auf der Musikbiennale von Venedig 2022 den Silbernen Löwen gewonnen. Ihr Gründer Gianluca Ruggeri sagt: „Die Schwierigkeit bei der Aufführung des Werks bestand vor allem darin, das dynamische Gleichgewicht zwischen den Instrumenten zu halten, denn hier kommt eine große Anzahl von Schlaginstrumenten zum Einsatz, die in ihrer Art sehr weit voneinander entfernt sind.“
Einfach nur die Sieben
Was das alles mit Radio Vatikan zu tun hat? Nun, der neue Haydn entstand ja praktisch in seiner (lies: unserer) Musikabteilung. Und außerdem ist Kommunikation ein sehr breites Wort, und Pope – zu dem Radio Vatikan gehört – will in der ganzen Breite kommunizieren. Das erklärte Paolo Ruffini, Präfekt des vatikanischen Dikasteriums für Kommunikation, am Mittwoch bei der Vorstellung des Werks vor der Presse.
Der Titel: „7“. Einfach nur die Zahl. Damit das in vielen Sprachen verstanden werden kann. Immerhin ist ja auch (soviel Eigenwerbung muss mal sein) Radio Vatikan eine multikulturelle Realität von ungefähr fünfzig Sprachen.
Die Aufführung des Werks hat in der vatikanischen Audienzhalle stattgefunden (der Papst war nicht dabei). Ab dem 3. April wird die Aufführung als Podcast auf der Plattform von Radio Vatikan - Pope zu hören sein. Und ab Mitte April wird es sogar eine Videofassung geben…
(vatican news – sk)
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