Serbischer Erzbischof: Warum soll Kirche immer gleich bleiben?
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Radio Vatikan: Sie sind seit kurzem Erzbischof von Belgrad. Was hat diese Ernennung für Sie bedeutet?
Erzbischof Ladislav Nemet SVD, Erzbischof von Belgrad und Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE): Am Anfang war es Stress pur: Ich hatte alles zu organisieren. Natürlich habe ich Mitarbeiter, aber am Ende kommt alles zu mir. Und dann hatten wir auch nur relativ kurz Zeit: Am 5. November wurde die Ernennung bekanntgegeben, und am 10. Dezember, vor drei Tagen, habe ich die Installation als Erzbischof von Belgrad gehabt.
Natürlich war es auch ein Gefühl, dass Gott etwas Besonderes in meinem Leben gemacht hat. Ich bin ein Steyler Missionar, und wir sind nicht dafür bekannt, dass wir Bischöfe werden; auch wenn es Hunderte von Steylern in Europa gibt, sind wir nur zwei Bischöfe, ein anderer Mitbruder ist in Polen Bischof. Wir waren zusammen im Priesterseminar, und ich bin jetzt Erzbischof in Serbien. Natürlich war es eine Freude, eine unglaubliche Freude, auch für meine Familie. Alle haben angerufen, alle wollten mit mir reden. Und es war schrecklich, dass ich nicht alle Telefonate annehmen konnte. Aber es war eine schöne Zeit. Und am Samstag war es sehr schön, das Fest in Belgrad.
Radio Vatikan: Es gab ja auch besondere Gäste...
Erzbischof Nemet: Ja, aus der orthodoxen Kirche war Patriarch Porfirije gekommen. Das war eine unglaubliche Ehre für uns Katholiken in Serbien. Wir hatten nicht immer die beste Beziehung zueinander - nicht dass es Streit gab, aber die Emotionen schlugen hoch während des Krieges in Kroatien, in Bosnien-Herzegowina. Gott sei Dank ist das nun schon eine Weile vorbei. Und das war wirklich eine Ehre für uns alle und ein Zeichen der Freundschaft. Wir kennen uns seit 2008. Von den Katholiken war sehr, sehr wichtig für uns alle, für mich auch, dass meine Freunde gekommen sind aus Polen, aus Litauen, Erzbischöfe und Mitbrüder bis Albanien, aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Rumänien, allen Nachbarländern, und aus Ungarn natürlich mit Kardinal Péter ErdÅ‘. Das war sehr, sehr wichtig für uns und für mich persönlich auch.
Serbiens Kirche ist auf sich gestellt
Radio Vatikan: Die Beziehung zwischen Kroatien und Serbien ist immer noch etwas angespannt. Welche Rolle spielt da die katholische Kirche?
Erzbischof Nemet: Meine Idee ist, dass wir die Kirche in Serbien stärken müssen. Und das Problem zwischen der orthodoxen Kirche in Serbien und der katholischen Kirche in Kroatien ist ihr Problem, nicht unser Problem. Wir Katholiken in Serbien sind eine gemischte Gemeinschaft, wo 70 Prozent der Katholiken Ungarisch als Muttersprache sprechen.30 Prozent sind Katholiken slawischer Herkunft - das bedeutet: Kroaten, Bulgaren, Tschechen, Slowaken. Wir sind eine Kirche, die ihr eigenes Profil noch nicht voll erreicht hat. Wir waren immer ein Teil von ganz Jugoslawien, Groß-Jugoslawien, wo die katholische Kirche von Slowenien und Kroatien das Sagen hatten. Nun sind wir auf uns gestellt. Wir brauchen die Hilfe von den Ungarn und den Kroaten. Wir benutzen die liturgischen Bücher, die dort ausgegeben worden sind, aber wir sind schon etwas anderes, ganz besonders, weil die Sprache der Jugend heute nicht Kroatisch oder Ungarisch ist, sondern Serbisch. Für sie ist die liturgische Sprache in Ungarisch und Kroatisch ein bisschen entfernt. Das müssen wir irgendwie überbrücken.
Kontinentale Phase der Synode
Radio Vatikan: Sie sind auch Vizepräsident des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen CCEE. Und deswegen auch jetzt hier in Rom. Was steht da an?
Erzbischof Nemet: Wir haben schon gestern einige Sitzungen gehabt. Natürlich besuchen wir verschiedene Dikasterien, das machen wir einmal im Jahr. Wir haben auch vor, zu Kardinal Pietro Parolin zu gehen, ins Staatssekretariat. Es geht um Pläne für Europa, aber jetzt ist auch die kontinentale Phase der Synode sehr wichtig, die wir in Prag halten werden. Jetzt machen wir ein Programm und stellen Elemente zusammen, wie wir das Treffen in Prag halten möchten. Jedes Mitglied des Rates kann vier Delegierte schicken: den Präsidenten plus drei. Jede Bischofskonferenz hat die totale Freiheit, diese Delegierten zu wählen: ob Frauen, Jugend ... totale Freiheit. Ich hoffe, dass es zu einer bunten Gemeinschaft kommen wird in Prag und dass die Teilnehmer die Atmosphäre dort auch für das Wohl der Kirche nutzen werden.
Radio Vatikan: Worauf kommt es jetzt an in dieser kontinentalen Phase der Weltsynode?
Erzbischof Nemet: Was für mich wichtig wäre, das ist, in Ruhe miteinander zu reden, in einer mit Gebet verbundenen Zeit: Beten, zuhören und nicht mit Verurteilung anfangen. Zum Beispiel: ,Was im Westen schlecht ist, oder was im Osten schlecht ist‘. Das wäre ein falsches Signal. Das Wichtigste wäre für mich, dass wir geschwisterlich miteinander reden und uns respektieren. Wir sind eine Kirche und es ist nicht so, dass etwas zu Grunde geht, weil jemand oder eine Kirche von Themen spricht, die für andere Kirchen tabu sind. Es ist nicht unsere Aufgabe, uns auszuschließen, sondern zusammenzuwachsen.
Radio Vatikan Gerade an den Vorschlägen aus Deutschland gab es ja auch viel Kritik. Glauben Sie, da kann noch eine Lösung gefunden werden?
Erzbischof Nemet Ich weiß nicht, ob wir eine Lösung brauchen - das heißt, ich bin offen für Dialog. Die Zeiten ändern sich. Europa befindet sich total im Wandel. Und warum soll die Kirche immer dieselbe bleiben? Und ich sage immer: Die deutsche Kirche ist die einzige in Europa, die genug Geld und ausgebildete Theologen hat, auch Laien-Theologen, die Themen aufarbeiten können. Es bedeutet nicht, dass sie die Themen sofort als Schluss-Erfolg betrachten sollen, meine ich. Aber der Prozess, den sie durch diese Aufarbeitung machen, kann der ganzen Kirche zugute kommen.
Und deswegen bin ich dafür, dass wir in Ruhe und Frieden, ohne Emotionen reden. Natürlich sind Gefühle immer da, aber es geht darum, miteinander die Argumente zu sehen und nicht jetzt Gefühlen und Emotionen die Führung zu überlassen. Ich glaube, dass sehr vieles, was in Deutschland gemacht wird, uns hier helfen kann. Natürlich, es ist auch der ,sensus fidei fidelium‘ dabei, das heißt, der Glaubenssinn der Gläubigen. Die deutsche Kirche ist ein Teil von Europa, und wir werden sehen, was die anderen dazu meinen.
(vatican neews - sst)
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