Hinter den Kulissen aktiv: Die Diplomatie des Vatikan
Der Augsburger Bischof Bertram Meier ist der Vorsitzende der Kommission Weltkirche in der Deutschen Bischofskonferenz, also quasi ihr Außenminister. Er sagt:
„Die Rolle als Global Player in der Weltpolitik fällt beim Heiligen Stuhl eben nicht gleich auf, weil er keine großen Armeen oder enorme Wirtschaftskraft besitzt. Aber wir setzen auf die Währung der Werte, vor allem der Grundrechte des Menschen. Und deshalb ist es so, dass es eher ein Vorteil ist, dass der Heilige Stuhl, was diese weltlichen Kategorien anbelangt, schwach ist. Aber wir haben das Evangelium, und mit dem Evangelium versuchen unsere Botschafter in ganz, ganz vielen Ländern – es sind fast 200 -, die Menschenrechte hochzuhalten.“
Und das, betont Bischof Meyer, gilt vor allem auch für Rechte wie die Religionsfreiheit von Menschen, die nicht Christen sind. Dabei ist die erfolgreichste Diplomatie eine, die man nicht bemerkt: So ist in den Irak Kriegen der päpstlichen Nuntius nie aus Bagdad abgezogen worden.
Die Diplomatie des Heiligen Stuhls bringt auch Politiker an einen Tisch, die sonst nicht miteinander reden würden - manchmal sogar im Vatikan.
„Zum Beispiel in den 90er Jahren, als PLO-Chef Arafat beim Papst war, und kurz darauf der israelitische Ministerpräsident. Beim Kardinalstaatssekretär wird manches Gespräch abgehalten, das nicht vor laufenden Kameras geschieht, aber an einem Tisch, von dem man weiß: Es wird danach geschwiegen.“
Ein Papst lässt sich zum Botschafter fahren
Bei solchen Gesprächen wird dann nicht über Tagespolitik, sondern über ganz grundsätzliche Dinge wie die Grund- und Menschenrechte gesprochen, meint Bischof Meier. Auch jetzt, während des Krieges in der Ukraine, hat der Heilige Stuhl schon früh versucht, seinen Einfluss geltend zu machen.
„Der Krieg war gerade zwei Tage alt, als der Papst sich mit seinem kleinen Auto in die Stadt fahren ließ â€“ zur russischen Botschaft. Nicht der Papst oder der Kardinalstaatssekretär haben einen Botschafter eines Landes einbestellt, mit dem es gerade Schwierigkeiten gibt, sondern der Papst hat seinen Sitz, seinen Staat verlassen, um sich mit dem russischen Botschafter zu treffen. Also, da geschieht ganz, ganz viel.“
Mit Zorn und Zärtlichkeit
Der Papst schickte immer wieder hochrangige Vertreter in die Ukraine, und er spricht davon, dass der Schlüssel zum Frieden in Moskau liegt. Gleichzeitig versucht der Pontifex, beiden Seiten Brücken zu bauen. Als hoch politischer Papst äußert er durchaus pointiert seine Meinung, zum Beispiel auch zu Freiheit und Gerechtigkeit in seinem Heimat Kontinent Südamerika.
„Und es ist interessant, dass eine Formel, die Franziskus immer wieder bringt, lautet: Mit Zorn und Zärtlichkeit. Ich bin nicht ständig Essensgast beim Papst – aber wenn ich manchmal seinen Blick sehe, kann ich mir vorstellen, dass er durchaus auch zornig werden kann über manche Entwicklung in Welt und Kirche. Aber dass er trotzdem auch immer wieder diese, wie er es nennt, diese Zärtlichkeit und Behutsamkeit betont, dass er doch mit Empathie, feinem Gespür und Sensibilität auch diese ungerechten, freudlosen politischen Verhältnisse angehen kann.“
Spagat zwischen klarer Kante und Verbindlichkeit
Dieser Spagat zwischen klarer Kante und Verbindlichkeit macht vielleicht auch den Kern und den Erfolg der gesamten Vatikan-Diplomatie aus. Nicht nur in Kriegsgebieten - und auch für die Zukunft.
Der Missbrauchsskandal und die daraus folgenden Kirchenaustritte zahlen lassen den Heiligen Stuhl auch sorgenvoll nach Deutschland blicken. „Unsere Beziehungen von Staat und Kirche in Deutschland basieren auf Staat-Kirche-Verträgen, auf Konkordaten. Wenn natürlich demografisch die Mitgliederzahl der katholischen Kirche immer mehr sinkt, könnte eine Diskussion aufflackern: Warum bekommt die katholische Kirche solche Privilegien? Sollten wir nicht die Konkordate auf den Prüfstand stellen? Und da geht es ja nicht nur um Kirchensteuer. Da geht es um Denkmalschutz, um Religionsunterricht an staatlichen Schulen und um vieles andere mehr.“
Also ist in Zukunft noch mehr die Diplomatie des Heiligen Stuhls nicht nur in seiner Vermittlerrolle, sondern auch in eigener Sache gefragt. Aber auch hier wird er seiner anerkannten Rolle als verlässlicher Partner gerecht werden.
(willi witte, münchner kirchenradio – sk)
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