Radioakademie: 90 Jahre Radio Vatikan (Teil 2)
Christine Seuss - Vatikanstadt
Antonio Stefanizzi sollte den Sender bis 1967 leiten. Der Jesuitenpater hat das Radio praktisch bis heute begleitet - der Physiker ist erst im vergangenen Jahr im Alter von 102 Jahren verstorben. Stefanizzi wohnte, wie auch sein Vorgänger P. Filippo Soccorsi, in der „Palazzina Leo XIII“. Das Gebäude befindet sich auf der Spitze des Vatikanhügels in der Nähe des antiken Turms von Leo IV. Dieses wurde dann zum Hauptquartier von Radio Vatikan, nicht weit entfernt vom ursprünglichen Gebäude, in dem die erste von Guglielmo Marconi errichtete Radiostation untergebracht war.
Das Zentrum in der Palazzina Leo XIII verfügte nicht nur über moderne technische Ausstattung für die Ausstrahlung der mittlerweile deutlich größeren Anzahl an Sendungen in den verschiedenen Sprachen, sondern auch über ein Musikstudio, in dem Orchesteraufführungen live übertragen oder aufgezeichnet werden konnten. Außerdem gab es eine vollständig verkabelte Kapelle, aus der Heilige Messen in verschiedenen Sprachen übertragen wurden. Die Ausstrahlung der Messen war in Zeiten des Eisernen Vorhangs ein besonderer Trost für die Christen, denen in den Ländern der damaligen Sowjetunion jede Ausübung ihres Glaubens verboten war. Trotz groß angelegter Störaktionen durch die Kommunisten gelang es, über das Radio den Menschen Nachrichten aus der Weltkirche zukommen zu lassen, aber auch ihnen die Möglichkeit zu geben, an der Heiligen Messe teilzunehmen und den Segen zu empfangen.
Pater Stefanizzi wiederum konnte später mit einem Mitbruder in ein anderes, nicht weit entferntes Gebäude umziehen, das während des Weltkriegs als Wachposten der Gendarmerie genutzt worden war. Hier richteten die Patres eine kleine religiöse Gemeinschaft ein, in der sich auch die anderen Jesuiten, die für das Radio zuständig waren, leichter treffen konnten, obwohl sie dort nicht wohnten.
In diesem Gebäude - das die Pater des Radios liebevoll die „Casetta“, also Häuschen nannten - wohnte auch der spätere Leiter von Radio Vatikan Roberto Tucci mit drei weiteren Mitbrüdern. Kurz vor seinem 80. Geburtstag war dieser von Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben worden. Anschließend beherbergte das Gebäude eine Zeit lang die Verwaltungsdirektion von Radio Vatikan. Als Papst Johannes Paul II. beschloss, im Vatikan ein kleines Klausurkloster zu eröffnen, wurde die „Casetta“ für diesen Zweck bestimmt, entsprechend renoviert und durch den Bau einer neuen Kapelle und von Lautsprechern erweitert: So entstand das Kloster „Mater Ecclesiae“. Seit 2013 ist dieses Gebäude, das so eng mit der Geschichte des Radios verbunden ist, die Residenz des emeritierten Papstes Benedikt XVI. geworden!
Wir springen nun aber direkt ins Jahr 1957, also etwa 25 Jahre nach der Gründung des Radios und nachdem Europa sich langsam von den Schrecken des Krieges erholt hatte. Damals wurde nach langen Verhandlungen mit dem italienischen Staat außerhalb des Vatikans, ja, außerhalb Roms am Braccianer See, ein großes Sendezentrum durch Papst Pius XII. eingeweiht. Dieses hatte der Vatikan vom Teutonischen Kolleg erworben und nach langen Verhandlungen mit der italienischen Regierung wurde es dem Heiligen Stuhl als exterritoriales Gebiet zugeordnet. Die Errichtung des neuen Zentrums bedeutete einen Quantensprung, was die Reichweite des Papstsenders betraf, dank der neuen Antennen und leistungsstarken Kurzwellensender konnte Radio Vatikan nun autonom und zielgenau in die gesamte Welt ausstrahlen. Die Einrichtung des Zentrums wurde möglich durch Spenden ausländischer Bistümer, darunter übrigens auch das Erzbistum Köln.
„“ – wandte sich der Papst am 27. Oktober 1957 an die Zuhörer, die tatsächlich von weit her und aus der ganzen Welt zugeschaltet waren.
Auch in der weiteren Zukunft wurden alle größeren Papsttermine liturgischer oder sonstiger Art durch Radio Vatikan begleitet und für die Hörer auf dem gesamten Globus ausgestrahlt. Zahlreiche Überseesprachen gesellten sich zu den Stammredaktionen hinzu, darunter Chinesisch, Vietnamesisch, Tamil, Hindi und andere. Auch zogen immer mehr Laien in die Redaktionen ein, die jedoch nach wie vor in den meisten Fällen in der Verantwortung der Jesuiten blieben.
Auch die Päpste, die auf Pius XII. folgten, nutzten das Radio als Mittel, um Gläubige auf der ganzen Welt zu erreichen. Einen Monat vor Beginn des Konzils wandte sich Johannes XXIII. in einer an die Gläubigen weltweit: „Die große Erwartung des Ökumenischen Konzils, einen Monat vor seinem offiziellen Beginn, leuchtet in den Augen und Herzen aller Kinder der heiligen und gesegneten katholischen Kirche.“
Sehr bekannt wurde auch seine . Sie sollte als Mondscheinrede in die Geschichte eingehen. Nur wenige Stunden zuvor war das II. Vatikanische Konzil eröffnet worden.
„Ich bin euer Bruder, den Gott zum Vater gemacht hat.“ Sagte der Papst zu den Menschen, die sich im Rahmen des Fackelzuges zur Eröffnung des Konzils auf dem Petersplatz versammelt hatten. Und weiter: „Wenn Sie nach Hause zurückkehren, werden Sie die Kinder finden; geben Sie Ihren Kindern eine Liebkosung und sagen Sie: "Das ist die Liebkosung des Papstes". Sie werden einige Tränen finden, die Sie wegwischen müssen. Tun Sie etwas, sagen Sie ein gutes Wort. Der Papst ist mit uns, besonders in den Stunden der Traurigkeit und Bitterkeit.“
Zum wiederum sprach der Nachfolger Johannes‘ XXIII., Papst Paul VI., der uns als Leiter des Büros für vermisste Personen bereits begegnet ist.
Und weiter ging es mit Reaktionen der Päpste auf weltbewegende Ereignisse, wie zum Beispiel der Mondlandung am 20. Juli 1969, der der Papst in seinem Observatorium in Castel Gandolfo wie gebannt vor dem Bildschirm folgte und dessen Ansprache zu dieser Gelegenheit über das Radio übertragen wurde… ()
Im Jahr 1978. starb Paul VI. nach 15 Jahren auf dem Papststuhl. Sein Nachfolger Johannes Paul I. wurde gewählt, doch nach nur 33 Tagen verschied auch er und in dem darauffolgenden Konklave fiel die Wahl auf Johannes Paul II. – all diese Ereignisse wurden getreulich durch den Sender begleitet, der für sich in Anspruch nahm und nimmt, „die Stimme des Papstes“ zu sein.
Mit dem reislustigen Johannes Paul II. trat dann eine deutliche Beschleunigung für die Arbeit des Radiosenders ein. Jährlich um die vier Auslandsreise galt es über die nächsten Jahre zu begleiten, zahlreiche Techniker und Redakteure seiner Rundfunkanstalt reisten mit dem Papst um die ganze Welt. Live wurde vom Ort des Geschehens aus in den wichtigsten Sprachen über jeden Schritt des polnischen Papstes berichtet. Besonders aufregend ging es nicht nur in der Radio-Vatikan-Redaktion, sondern in allen anderen Redaktionen weltweit zu, als auf den Papst am 13. Mai 1981, mitten auf dem Petersplatz, ein Attentat verübt wurde.
Am 2. April 2005 fiel Radio Vatikan dann die traurige Aufgabe zu, über den Tod des Papstes zu berichten. Ein bisher nie gesehener Medienrummel sollte die kommenden Tage begleiten, mit dem Begräbnis des polnischen Papstes und dem Konklave, das dann am 19. April 2005 seinen deutschen Nachfolger, Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI., bestimmte.
Das Pontifikat des Papstes, der nach rund fünf Jahrhunderten wieder ein Deutscher war, endete mit einem Paukenschlag: Am 11. Februar 2013 verkündete Benedikt im Rahmen eines Konsistoriums, das live durch Radio Vatikan übertragen wurde, vor den anwesenden Kardinälen, die ebenso wie zugeschaltete Reporter und Zuhörer auf der ganzen Welt ihren Ohren kaum trauten, :
Und wieder wurden die Kardinäle aus aller Welt zu einem Konklave zusammengerufen. Radio Vatikan konnte live die Wahl von Papst Franziskus verkünden, der die Herzen der Gläubigen mit einem einfachen „Buonasera“ von der Loggia des Apostolischen Palastes eroberte.
Franziskus sollte es dann auch sein, der umfassende strukturelle Änderungen für seinen gesamten Medienapparat in die Wege leiten würde. Mehr dazu in den kommenden Folgen unserer Radioakademie…
Ein besonderer Dank für seine Unterstützung bei der Entstehung dieser Radioakademie gebührt Giorgio Patassini. Der langjährige Techniker bei Radio Vatikan ist nicht nur für das Radiomuseum zuständig, sondern er beantwortete auch mit Geduld und Liebe zum Detail viele Fragen zum Werdegang des Päpstlichen Senders.
(Die gesamte Radioakademie können Sie wie gewohnt gegen einen Unkostenbeitrag bestellen, eine E-Mail an cd@radiovatikan.de genügt)
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