„Fratelli tutti“: Moraltheologe würdigt Worte gegen „gerechten Krieg“
Mario Galgano und Fabio Colagrande – Vatikanstadt
Das hätten wohl ein US-Präsident wie George W. Bush oder ein französischer Präsident wie Nicolas Sarkozy nicht gerne gelesen, als sie vor ein paar Jahren im Irak militärisch eingriffen bzw. in Libyen Bomben abwarfen. Sie argumentierten damals, dass es sich um „gerechte Interventionen“ handelte. Ob man das Böse mit gewalttätigen Mitteln bekämpfen solle, ist ein antiker theologischer Disput, mit dem sich unter anderem die Moraltheologie auseinandersetzt. Und auch Papst Franziskus hat das Thema in „“ aufgegriffen. In Nummer 258 schreibt Franziskus dazu wörtlich:
„Deshalb können wir den Krieg nicht mehr als Lösung betrachten, denn die Risiken werden wahrscheinlich immer den hypothetischen Nutzen, der ihm zugeschrieben wurde, überwiegen. Angesichts dieser Tatsache ist es heute sehr schwierig, sich auf die in vergangenen Jahrhunderten gereiften rationalen Kriterien zu stützen, um von einem eventuell ,gerechten Krieg´ zu sprechen. Nie wieder Krieg!“
Nicht neu, aber...
Über diese Passage freut sich Bruder Giulio Cesareo sehr. Es sei zwar nicht neu, dass ein Papst gegen jegliche Form von Krieg eintrete, doch hier gehe Papst Franziskus noch einen Schritt weiter, resümiert der Moraltheologe im Interview mit Radio Vatikan:
„Die große Neuheit in der Lehre von Papst Franziskus zu diesen Themen ist diejenige, die in einer Rede enthalten ist, die er letztes Jahr während seiner Japanreise hielt. Damals sagte er, dass selbst der bloße Besitz von Atomwaffen zur Abschreckung bereits unmoralisch sei.“
Früher hätten Theologen, ja sogar Päpste, vom „gerechten Krieg“ gesprochen und damit solche Eingriffe verteidigt. Doch damals habe ein anderer historischer Kontext geherrscht, erläutert der Moraltheologe. Die Kriterien des „gerechten Krieges“ seien damals „grundlegend von der Verhältnismäßigkeit der Waffen geprägt gewesen“. Früher sei man von der Diskriminierung von waffenlosen Menschen ausgegangen, die man unbedingt vor der Gewalt schützen solle. Das sei beispielsweise der Fall gewesen, als Papst Johannes Paul II. im Bosnien-Krieg in den 1990er Jahren die Möglichkeit humanitärer Interventionen einräumte. Dies sei im Falle des Krieges in Bosnien als Unterstützung für die legitime Verteidigung derer gedacht gewesen, die sich nicht selbst verteidigen konnten.
„Das Konzept lautete damals: Ich leihe Ihnen meine Waffen, meine militärische Stärke, denn Sie, die Sie sich verteidigen sollten, haben nicht die Kraft dazu“, erläutert Bruder Giulio Cesareo. Dies gelte auch heute noch, doch mittlerweile gelte als allgemeiner Konsens, dass man Unschuldige und Wehrlose nicht angreifen dürfe. Vor allem nicht mit den Waffen, die es heutzutage gibt:
„Denn als die Kraft der chemischen Waffen ins Spiel kam, die zum Beispiel im Ersten Weltkrieg in Belgien eingesetzt wurden, und als dann die Ära der Atombombe und der bakteriologischen Waffen begann, wurde ein Schritt gemacht, bei dem es nicht mehr möglich ist, zwischen zivilen und nicht-zivilen Opfern, Kämpfenden und Bekämpften zu unterscheiden. Der ganze Krieg führt zu einem Zustand, den kein Mensch mehr kontrollieren und in die eigene Hand nehmen kann. Eine Atombombe zerstört, wie wir alle wissen, alles. Diese Bombe zerstört jegliches Leben für die Zukunft, und deshalb kann nichts den Einsatz so mächtiger Waffen rechtfertigen.“
Papst Franziskus tue somit nichts anderes, als sich in diese Linie zu stellen und zu wiederholen, dass ein Krieg unter keinen Umständen gerechtfertigt sei - auch wenn Politker manchmal anderes sagen mögen - so das Fazit des italienischen Moraltheologen.
(vatican news)
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