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Ein „ökumenischer Benediktiner“ im vatikanischen Einheitsrat

Augustinus Sander: So heißt der neue Verantwortliche im vatikanischen Einheitsrat für den Dialog mit den lutherischen Christen. Sander ist Benediktinerpater aus der Abtei Maria Laach in der Eifel – und er leitet sein ökumenisches Engagement vom Charisma seines Ordens her.

Radio Vatikan: Pater Augustinus, Sie sind seit Mai im Einheitsrat – wie haben Sie sich für diese Aufgabe profiliert?

„Vielleicht kann man sagen, dass ich ökumenischer Benediktiner und benediktinischer Ökumeniker bin. Was meint das? Als Benediktiner gehöre ich einem Orden der ungeteilten Kirche der ersten Jahrhunderte an. Und als Benediktiner – wir haben eine Profess abgelegt, eine Profess, die ernst macht mit der Taufe, dem Sakrament der Einheit – möchte ich diese Berufung zur Einheit in besonderer Weise leben.

Hier das vollständige Gespräch zum Nachhören

Als Theologe hat mich immer wieder die Frage interessiert, wie ein Miteinander gelingen kann. Auch das ist ein klösterlicher Erfahrungshintergrund. Wie kann ein Miteinander zwischen Konfessionen und Kirchen gelingen? Und da, muss ich sagen, gibt mir auch meine Ordensregel, die Regel des heiligen Benedikt, eine gute Vorgabe. Die Gabe der Unterscheidung wird von Benedikt sehr hervorgehoben. Genau hinzuschauen: Was trennt wirklich, was trennt nur scheinbar, vielleicht gibt es sogar noch größere Schnittmengen? Also ‚discretio‘ – die Unterscheidung.

Unterscheidung, Wertschätzung, Offenheit

Grundlegender aber auch noch die Wahrnehmung des anderen als jemand, der kostbar ist, der auch in seiner Andersartigkeit, in seinem Anderssein wertvoll ist. Alle Menschen ehren. Das ist eine zweite ökumenische Tugend: ‚honor‘ – Wertschätzung. Und das Dritte: ‚humanitas‘ – Menschenfreundlichkeit, eine Offenheit, eine Dialogfähigkeit. Ich denke, das ist etwas, was vom Benediktinischen her auch in diese Aufgabe miteinfließen kann.

Auf einer mehr theologischen Ebene gesprochen, würde ich sagen: Ich komme klassisch von der katholischen Lutherforschung her. Luther selber war ja Ordensmann, Augustinereremit. Er trug übrigens im Kloster auch den Namen Augustinus; das ist wenig bekannt. Und ich habe mich schon sehr früh mit seinen Schriften befasst und dabei immer wieder entdeckt, wie wichtig der klösterliche Hintergrund für ihn war. Von daher war da ein ökumenisches Wiedererkennen . Vielleicht sind das Facetten, Nuancen, die auch für meine zukünftige Tätigkeit im päpstlichen Einheitsrat von Bedeutung sein können.“

Auch Luther trug im Kloster den Namen Augustinus…

Radio Vatikan: Was können Sie uns denn über Ihre früheren Tätigkeiten sagen? Sie haben ja in der Ökumene schon viel gearbeitet, auch in Deutschland…

„Ich war etwa 14 Jahre lang freier Mitarbeiter des Johann-Adam-Möhler-Institus in Paderborn, ein Institut, das vom damaligen Erzbischof Lorenz Jaeger, Paderborner Erzbischof und später Kardinal, zur Erforschung von Geschichte und Theologie der Kirchen der Reformation gegründet worden ist. Ich habe in der Reformationsdekade sehr viel im Institut im Hinblick auf Luther und den katholisch-lutherischen Dialog gearbeitet. Wir haben vom Institut zwei große Symposien veranstaltet:Hier in Rom Anfang 2017 das Symposium an der Gregoriana zusammen mit dem päpstlichen Einheitsrat: „Luther und die Sakramente. Eine ökumenische Relecture“. 2014 im Erfurter Augustinerkloster, dem Professkloster Luthers , ein großes internationales Symposium zum Thema „Luther, Katholizität und Reform“ – also die Verbindung von Reform und Katholizität, nicht als Gegensatz aufgefasst.

Ich habe selber in meiner Abtei Maria Laach eine Lutherausstellung in Kooperation mit dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz kuratiert. Diese Ausstellung ist dann auf Wanderschaft in die Landesvertretung von Rheinland-Pfalz nach Berlin gegangen. Wir waren auch in Koblenz und in Speyer zu sehen.  Das sind Etappen, wichtige Punkte auch meiner theologischen Tätigkeit.

Im Orden selber war ich auch Novizenmeister, also für die Ausbildung des monastischen Nachwuchses zuständig. Ich war Spiritual in einer Frauenabtei, der Abtei vom Heiligen Kreuz zu Herstelle bei Göttingen – ein Ort, der durch Odo Casel, den ersten Spiritual dort, sehr stark im Sinne der liturgischen Erneuerung geprägt worden ist. Das ist auch meine geistliche Heimat, das gebe ich gerne zu.“

Regionale Erfahrung, weltkirchlicher Raum

Radio Vatikan: Sie folgen in Ihrer Tätigkeit im Einheitsrat auf Monsignore Matthias Türk. Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, als Deutscher in diesem Amt tätig zu sein?

„Ich würde nach zwei Seiten hin antworten: Natürlich kommt man als Deutscher aus dem Land der Reformation, die von Luther geprägt worden ist – ganz klar, keine Frage. Man hat einen bestimmten deutschen Erfahrungshintergrund, auch was katholisch-evangelisches Miteinander angeht, und bringt das nach Rom. Es ist sicherlich wichtig, das hier im Dialog auch einzubringen, aber auf der anderen Seite ist es genauso wichtig, diese mehr regionale Erfahrung in einen größeren, universalen, weltkirchlichen Raum zu stellen.

Auch der katholisch-lutherische Dialog ist ein Dialog auf Weltebene: Es gibt ein Weltluthertum. Wenn Sie an der Ratsversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) teilnehmen – ich hatte die Gelegenheit, in Genf in diesem Jahr dort ein erstes Grußwort zu sprechen –, nehmen Sie das ganze Spektrum, auch des Weltluthertums, wahr. Genauso wie unsere katholische Kirche ja auch eine Weltkirche ist und ein Spektrum hat. Und das in Beziehung zu setzen, die regionale Seite und die universale Seite: Das ist wichtig, und das prägt auch meinen Dienst als Deutscher im päpstlichen Einheitsrat, der für den internationalen Dialog zuständig ist.“

„Im anderen etwas wiedererkennen“

Radio Vatikan: Nun stehen Sie ja ganz am Anfang ihrer Tätigkeit, aber irgendwann wird es damit mal vorbei sein. Von heute aus gesehen: Was möchten Sie erreicht haben am Ende Ihrer Dienstjahre hier?

„Was ich mir wünsche – dass wir auf dem Weg zur vollen sichtbaren Einheit der Kirche weitere Schritte gegangen sind. Dass wir im Respekt und im liebevollen Miteinander im anderen etwas wiedererkennen und bereichert werden in unserem gemeinsamen Glauben.

Ob wir die sichtbare Einheit hier erleben werden, kann ich nicht sagen, aber es ist die Verheißung da, dass wir für die Einheit, jeder an seinem Ort, beten und arbeiten sollen, „damit die Welt glaubt“ – so heißt es im Johannesevangelium (vgl. Joh 17,21). Das wünsche ich mir: Dass auf diese Weise ein kleiner Beitrag dazu geleistet werden kann.“

(rv – christine seuss und stefan von kempis)
 

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07. November 2019, 08:30