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Kampfansage: Die Nonne, der Kreuzweg und der Menschenhandel

Wenn Italiens Innenminister Matteo Salvini am Karfreitagabend nichts zu tun hat, kann er sich ja mal die Ãœbertragung des Kreuzwegs am Kolosseum im Fernsehen anschauen. Denn die Autorin der Kreuzweg-Texte, eine italienische Ordensfrau, plant eine vehemente Anklage herzloser Anti-Migrations-Politik.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Letzte Woche wurde bekannt, dass Papst Franziskus Schwester Eugenia Bonetti gebeten hat, die Texte der in alle Welt übertragenen „Via Crucis“ zu verfassen. Die 1939 geborene Norditalienerin, die bis in die 90er hinein als Missionarin in Kenia gelebt hat, leitet seit 2012 den Verband „Slaves no More“, zu Deutsch: „Nie wieder Sklaven“; sie kämpft gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel.

„Ich hatte nicht mit einer solchen Anfrage gerechnet; zunächst war mit das sehr unbehaglich“, sagt sie im Interview mit Radio Vatikan.

„Eigentlich eine große Gelegenheit“

„Aber dann ist mir allmählich klargeworden, dass das eigentlich eine große Chance wäre – nicht für mich, sondern für all die Menschen, die wir im Lauf der Jahre kennengelernt haben, denen wir beistehen konnten und deren Kreuzweg, deren Leiden wir gesehen haben. Ihre Geschichten, ihr Schmerz… Das alles hat mir geholfen, letztlich zu sagen: Das ist eine Gelegenheit, auf das Problem hinzuweisen und viele Menschen verstehen zu lassen, wieviel Leid wir verursacht haben und immer noch verursachen durch unsere Gleichgültigkeit.“

Schwester Eugenia wirft vor allem vielen ihrer Landsleute vor, hinter dem Migrations-Phänomen „die Menschen nicht mehr“ zu sehen. Und dabei zeigt sie anklagend nicht nur auf Politiker.

Zum Nachhören

In Italien schlimmere Bilder als in Afrika

„Ich habe 24 Jahre lang in Afrika gelebt, ich bin schon eine erfahrene Missionarin… Aber die schlimmsten und erniedrigendsten Bilder habe ich in meinem eigenen Land gesehen, einem Land, das man christlich, katholisch nennt. Einem Land, dem es finanziell gar nicht so schlecht geht, das aber in menschlicher Hinsicht große Mängel aufweist. So viele denken nur an sich selbst und an ihre eigene Karriere. Aber wir machen unser Herz leer, wenn wir für diese armen Menschen (die zu uns kommen) kein Erbarmen und keine Aufnahmebereitschaft spüren. Wir dürfen doch nicht das Leiden anderer Menschen vergrößern, nur damit wir selbst alles haben, was wir wollen! Es ist wirklich, wie es der Papst nennt, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Darum müssen wir laut aufschreien, auch in der Form dieser Kreuzweg-Stationen! Damit wir besser verstehen, wie Christus heute noch leidet.“

Schwester Eugenia will am Karfreitag die Gunst der Stunde nutzen, um durch ihre Kreuzweg-Texte an die Gewissen der Mitbetenden und der Fernsehzuschauer in vielen Teilen der Welt zu rühren. Der Kreuzweg Jesu ist für sie keineswegs etwas, was der Vergangenheit angehört.

„Menschen des 21. Jahrhunderts, mein Kreuzweg geht immer noch weiter“

„Für uns ist das ein starker Appell, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen. Und zu verstehen, was es wirklich heißt, sein Kreuz zu tragen. Jesus hat auf seinem Weg nach Golgota die unterschiedlichsten Menschen getroffen: Frauen, die um ihn weinten, aber auch Leute, die ihn auslachten. Und darum sagt er uns heute eindringlich: Ihr Menschen des 21. Jahrhunderts, mein Kreuzweg geht immer noch weiter. Denn zuviele Menschen sind noch unterwegs auf ihrer Via Crucis, weil andere ihre Hoffnungen und Träume töten. Vor allem junge Menschen sind auf diesem Kreuzweg, die auf ein besseres Leben hoffen, mit mehr Erbarmen, mit einer Arbeit, um ihre Familie aus der Armut herauszuziehen, und damit die Kinder zur Schule gehen können… Sie sind nach Italien gekommen, ohne zu ahnen, wie es ihnen hier in Europa, in Italien gehen würde. Dass sie Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel sein würden. Dass man sie gebrauchen und wegwerfen würde, wie es üblich ist in unserer Wegwerfgesellschaft. Sie sind es, die uns um Hilfe bitten, denn ihr Kreuz ist schwer!“

Schon seit Jahrzehnten leiten die Päpste traditionell einen abendlichen Kreuzweg am römischen Kolosseum. Dabei verfasst jedesmal jemand anderes die Texte zu den vierzehn Stationen. 2005 war es zum Beispiel der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, kurz darauf Papst Benedikt XVI., der auf Bitte von Johannes Paul II. die Meditationen schrieb.

(vatican news)
 

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08. April 2019, 11:36