Gegen Missbrauch: „Der Papst macht Ernst“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Mit dem Motu Proprio setzt der Papst ein Gesetz in Kraft, das den Schutz von Kindern und Jugendlichen für das Gebiet des Vatikanstaates und für alle Staatsbürger sowie für alle Angestellten des Vatikanstaates während ihrer Tätigkeiten angeht.“ Das sagte der deutsche Jesuitenpater Zollner gegenüber Pope. „Das betrifft auch die Auslandsvertretungen, die sogenannten Nuntiaturen des Heiligen Stuhls.“
Zollner leitet ein Kinderschutz-Zentrum an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Er weist darauf hin, dass der Papst an diesem Freitag nicht nur Gesetze erlassen hat: „Außerdem werden Richtlinien veröffentlicht, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen betreffen und die alles umschreiben, was den Umgang mit Betroffenen von Missbrauch angeht, wie mit den Tätern umzugehen ist und wie sich im Heiligen Stuhl auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Schulungen im Bereich Prävention von Missbrauch zu unterziehen haben.“
Messlatte für Anzeigepflicht liegt sehr hoch
Der Verantwortliche für das Thema Missbrauch an der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Charles Scicluna, würdigt an den vom Vatikan veröffentlichten Papieren, dass sie auf dem neuesten Stand der Forschung und Diskussion seien. Das sieht Pater Zollner ähnlich: „Das Gesetz zum Kinderschutz für den Vatikanstaat ist umfassend und spiegelt meines Erachtens in den Grundzügen das wieder, was in anderen Staaten auch gang und gäbe ist.“
Wichtig findet der Jesuit, dass in der Gesetzgebung für den Vatikanstaat und die Vatikanmitarbeiter bzw. –bürger „die Messlatte sehr hochgelegt wird für die Anzeigepflicht“.
„Dadurch, dass im Vatikan sehr viele Leute ein öffentliches Amt bekleiden, ist klargestellt, dass alle, die so ein Amt innehaben, bei Verdachtsfall eine Anzeige leisten müssen! Das ist in vielen Gesetzgebungen weltweit nicht der Fall. Zweitens ist wichtig zu sehen, dass klar festgeschrieben wird, welche Arten von Konsequenzen drohen, wenn man eben dieser Anzeigepflicht nicht nachkommt.“
Aus der Sicht von Jesuitenpater Zollner macht Franziskus mit den neuen Gesetzen und Richtlinien klar, dass er am Thema Kinderschutz dranbleibt. „Der Papst zeigt, dass er konkrete Schritte machen will und bei sich selbst, in seinem eigenen Staat – dem Staat, dessen Oberhaupt er ist – anfängt. Das, was er den Bischöfen und den Ordensoberen vor einem Monat bei dem Treffen der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen und der Generaloberen ins Stammbuch geschrieben hat – das macht er jetzt selbst vor. Er macht Ernst mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen bei sich zuhause, für den unmittelbar für ihn geltenden Verantwortungsbereich.“
Wie Erzbischof Scicluna glaubt auch Pater Zollner, dass die Bedeutung der am Freitag veröffentlichten Dokumente an den Vatikangrenzen nicht haltmacht, sondern dass sie Vorbildcharakter haben: „Weil beide Dokumente sehr umfassend sind, das widerspiegeln, was auch in anderen Zusammenhängen von Staaten oder Organisationen bei solchen Dokumenten vorgesehen ist, und weil er mit großer Stringenz sowohl das Einhalten der Gesetze und der Leitlinien sanktioniert als auch den Akzent auf Fortbildung legt, auf Sensibilisierung.“
Erste konkrete Frucht der Kinderschutzkonferenz
Zollner setzt auf eine stärkere Sensibilisierung an der Kirchenspitze für das Thema Missbrauch und Prävention: „So dass alle, die im Vatikan arbeiten – seien sie Kardinäle, Priester oder Laien –sich tatsächlich dessen bewusst sind, dass sie mitverantwortlich sind, jedenfalls für ihren Tätigkeits- und Lebensbereich, damit Kinder und Jugendliche in der Kirche sicher sind.“
Die Kinderschutz-Konferenz von Ende Februar hatte in vielen Teilen von Kirche und Welt ein eher verhaltenes Echo erzeugt. Vielen war das, was da im Vatikan beraten und vorgeschlagen wurde, nicht konkret genug. Hans Zollner hingegen nennt die drei Texte von diesem Freitag „die erste konkrete Frucht“ der Kinderschutz-Konferenz.
„Wir sehen, dass es dem Papst ernst ist mit den konkreten Schritten, auch wenn sie längere Zeit brauchen, als wir uns das wünschen und als wir uns das in der heutigen Medienwelt so vorstellen… Aber wenn man diese Texte anschaut, dann merkt man, dass sie gut gemacht sind und dass da viel Überlegung, viel Diskussion und viel Fachbeirat von vielen Leuten mit eingeflossen ist. Ich bin guter Hoffnung, dass wir auch bald weitere konkrete Schritte sehen, die in ihrer Bedeutung sicher nicht hinter dem zurückstehen werden, was wir mit diesem neuen Gesetz und den Leitlinien für den Vatikanstaat nun auf dem Tisch haben!“
Der Kinderschutzexperte hebt noch einen speziellen Punkt aus dem Motu Proprio des Papstes hervor, nämlich die Ausdehnung der Definition von ‚schutzbefohlener Person‘.
„Bisher war es so, dass als Schutzbefohlene nur jene, die geistig behindert sind, angesehen werden. Mit der neuen Definition wird dieser Personenkreis von Schutzbefohlenen weiter ausgedehnt, und ich glaube, dass das auch dem geschuldet ist, dass wir in den letzten Monaten und speziell im letzten Jahr Situationen gesehen haben, wo Erwachsene unter bestimmten Bedingungen eben auch mehr verwundbar sind und dass sie eines besonderen Schutzes bedürfen.“
(vatican news)
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