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Katharina von Siena: eine hocheinflussreiche Frau in der Papstgeschichte Katharina von Siena: eine hocheinflussreiche Frau in der Papstgeschichte 

Frauen in Sankt Peter: Ganz schön bunt

In 2.000 Jahren Papstgeschichte spielten Frauen eine größere Rolle als allgemein bekannt. Ihren Einfluss dürfe man „nicht so negativ sehen, wie es uns heute oft beigebracht wird“. Zu diesem Schluss kommt der deutsche Vatikan-Fachmann Ulrich Nersinger. Der Historiker und Publizist hat soeben ein neues Buch vorgelegt: „Der Papst und die Frauen“.

Pope: Herr Nersinger, was war Ihr Anliegen mit diesem neuen Werk?

Nersinger: „Es war mir ein wichtiges Anliegen aufzuzeigen, dass Frauen durchaus in der 2000jährigen Geschichte der Kirche und des Papsttums eine sehr bedeutende Rolle gespielt haben. Und dass es wirklich Epochen gab, wo Frauen auch auf die Pontifikate stark eingewirkt haben. Manchmal im Positiven, manchmal auch im Negativen.“

Hier zum Hören:

Pope: Greifen wir zunächst ein Beispiel für Letzteres heraus!

Nersinger: „Donna Olympia Maidalchini, eine Schwägerin eines Papstes im 17. Jahrhundert: Sie nahm auf ihren Schwager einen so großen Einfluss, dass teilweise auch der Zugang zum Papst nur durch sie möglich war. Sie hat sich auch finanziell bereichert, sie hatte in vielen Bereichen das ganze Pontifikat in einer dunklen Sicht erscheinen lassen, obwohl der Papst ein frommer und guter Pontifex war.“

Pope: Woran lässt sich das festmachen?

Die einst fromme Donna Olimpia

Nersinger: „Es gab Szenen, die filmreif waren. Donna Olimpia nahm im Heiligen Jahr 1650 an der Öffnung einer Heiligen Pforte teil. Im Vorfeld wird die Pforte abgebaut, und darin sind Münzen vom letzten Heiligen Jahr, die gehören dem Domkapitel. Und sie hat diese Münzen für ihren Neffen, den damaligen Kardinalpatron von Maria Maggiore, eingefordert. Es kam vor dem frommen Publikum zu einem handfesten Streit, der so stark wurde, dass der Domdechant mit Donna Olimpia auf dem Boden lag. Das war ein Einschnitt in der römischen Geschichte, dass man noch lange danach spottete, dabei wurde aus Donna Olimpia ,Donna olim pia´, die einst fromme. Ein kleines Streiflicht - aber das sind eher Ausnahmen gewesen."

Pope: Genau, kommen wir auf die leuchtenden Gengenspiele zu sprechen.

Nersinger: „Da haben wir die großen mittelalterlichen Gestalten wie Katharina von Siena, die wirklich die Päpste mit fraulicher Stärke dazu gezwungen hat, nach Rom zurückzukehren.“

Pope: Wie hat sie das eigentlich genau angestellt?

Katharina drohte dem „süßen Christus“ mit der Hölle

Nersinger: „Sie hat immer wieder Briefe geschrieben und eine Methode angewandt, dass sie auf der einen Seite sehr mit großer Frömmigkeit und Devotion Eindruck gemacht hat. Denken wir an ihren berühmten Auspruch, dass sie den Papst anredete mit babbo, Papa, und als den süßen Christus auf Erden. Dann aber droht sie ihm zwei Sätze später Höllenstrafen an, wenn er nicht nach Rom zurückkehrt. Sehr mutig und in einer Kombination, die zeigt, dass man selbst bewusst handeln kann und auch immer noch mit Respekt und großer Frömmigkeit. Ihr ist zu verdanken, dass das Exil von Avignon ein Ende fand.“

Pope: Welche herausragenden Frauen der Papstgeschichte kennt das 20. Jahrhundert?

Nersinger: „Viele werden wohl an Mutter Pascalina Lehnert (1894-1983) denken, die Pius XII. zur Seite stand ,wie eine Löwin', das sagte der ehemalige Generalvikar des Vatikans. Sie gab dem Papst - das hat später Kardinal Ratzinger gesagt - den nötigen Freiraum, um auch im Vatikan gut zu regieren. Aber sie hat auch Einfluss genommen, man munkelt, dass die eine oder andere Ernennung auf ihren Vorschlag zurückgeht, manchmal nicht ganz zum Nutzen des Betreffenden. Kardinal Leger aus Kanada hat das Kardinalat mehr oder weniger durch ihre Fürsprache bekommen, und der Arme hieß dann auch in kirchlichen Kreisen ,natus ex vergine´, geboren aus der Jungfrau.“

Pope: Welche Rolle spielten Frauen beim II. Vatikanischen Konzil?

Das Konzil hat auch eine Tür verschlossen...

Nersinger: „Sie haben schon eine andere Rolle gespielt als bei allen früheren Konzilien. Sie wurden von Papst Paul VI. als auditrices, als Hörerinnen berufen, was eine wichtige Sache war. Aber es gibt einen Aspekt beim Konzil, der den Frauen auch etwas verschlossen hat: Bis zum Konzil waren Jurisdiktion und Weihe voneinander getrennt. Das musste nicht zusammenhängen. Und das II. Vatikanum hat diese beiden Begriffe zusammengeführt – Jurisdiktion ist immer mit der Weihe verbunden. Ich denke, da hat man sich vielleicht auch eine Möglichkeit genommen, Frauen mehr an der Jurisdiktion zu beteiligen. Denken wir an die mittelalterlichen Beispiele, wo die Reichsäbtissinnen eine äußerst wichtige Rolle spielten und durchaus über die Priester, die ihnen unterstanden, Autorität ausgeübt haben. Da hat man sich etwas verschlossen, was vielleicht eine Möglichkeit gewesen wäre.“

Pope: Die Frage nach mehr Beteiligung von Frauen in Entscheidungsprozessen der katholischen Kirche wird häufiger gestellt – das heißt, man kann sich auch auf historische Vorbilder berufen?

Nersinger: „Ja - wenn man das positiv sieht. Wir haben seinerzeit eine negative Sicht gehabt auf diese Äbtissinnen, die sehr mächtig waren und die ihre Rechte manchmal auch über Gebühr ausgeübt haben. So werden sie in der Kirchengeschichte manchmal leider mit unfreundlichen Titeln versehen. Eine Äbtissin in Italien nannte man ,das Monstrum apuliae' und eine andere Westfalen ,Monstrum westfaliae'. Das war ein Klerus, der natürlich auch Angst hatte vor diesen Frauen, aber denken wir: Äbtissinnen haben einen Hirtenstab. Es ist zumindest eine Überlegung wert.“

Wenn Priester die Straßenseite wechseln

Pope: In solchen Beinamen äußert sich scheinbar nicht nur Angst, sondern auch eine latent vorhandene und immer gebilligte Misogynie. Haben Sie die auch beobachten können bei ihren Recherchen zu den Frauen im vatikanischen Dunstkreis?

Nersinger: „Ja. Aber ich denke, meist ist es eine Angst vor Frauen. Das muss man halt abbauen. Es gibt ja die Beispiele auch, wo Priester die Straßenseite wechseln, wenn sie eine Frau sehen, die in vatikanischen Diensten ist, so etwas gibt es. Dem muss man entgegenwirken. Und dem kann man auch durch einen genaueren Blick in die Geschichte entgegenwirken.“

Pope: Es sind viele Jahrhunderte, die sich gefiltert haben auf die Frage der Präsenz von Frauen im Vatikan: wie sieht Ihre Bilanz aus?

Gleiches Gehalt für Frauen wie Männer im Vatikan

Nersinger: „Vor allen Dingen dürfen wir die Präsenz und den Einfluss von Frauen nicht so negativ sehen, wie es uns heute oft beigebracht wird. Die Frauen haben wirklich einen Einfluss gehabt, und überwiegend einen positiven Einfluss, und ich denke, diese historischen Beispiele kann auch eine Hilfe sein für die aktuelle Situation.“

Pope: Wie ist denn die aktuelle Situation der Frauen im Vatikan?

Nersinger: „Ich denke, wir hatten noch nie so viele Frauen in vatikanischen Diensten. Und in relativ hohen Positionen. Dann auch diese wunderbare Sache, dass z.B. - was in vielen Weltstaaten nicht der Fall ist - Frauen genauso bezahlt werden wie Männer. Das finde ich bemerkenswert, und das sollte man auch mal ganz laut sagen.“

Das Gespräch führte Gudrun Sailer. „Der Papst und die Frauen" ist im Bernardus Verlag erschienen.

(vatican news – gs) 

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20. November 2018, 11:13