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Kardinal Jean Louis Tauran Kardinal Jean Louis Tauran 

Tauran: Reise nach Saudi-Arabien war „einzigartig“

Tief beeindruckt und zufrieden ist Kardinal Jean-Louis Tauran aus Saudi-Arabien zurückgekehrt. Sein Eindruck: Das war ein Durchbruch. Der Vatikan nimmt einen regelmäßigen Dialog mit der in Riad ansässigen Islamischen Weltliga auf – und das, obwohl in Saudi-Arabien selbst Kreuze in der Öffentlichkeit verboten sind.

Stefan von Kempis und Hélène Destombes, Vatikanstadt

„Man muss schon den wirklich außerordentlichen Charakter dieser Reise eigens hervorheben: Das war der erste Besuch des Leiters eines Vatikan-Dikasteriums in Saudi-Arabien – dem Land, das die beiden Heiligsten Stätten des Islam hütet, nämlich Mekka und Medina, wohin jedes Jahr Millionen von Muslimen reisen.“ Das sagte Tauran an diesem Montagmittag, kurz nach seiner Rückkehr aus Riad, im Gespräch mit Pope.

„Die saudische Monarchie und Papst Franziskus haben dieser Initiative ihre volle Rückendeckung gegeben, und die Medien haben deutlich auf den einzigartigen Charakter dieser Initiative hingewiesen. Am Morgen, an dem ich abflog, gab es in der arabischen Presse insgesamt acht Leitartikel zur Unterzeichnung der Erklärung über verstärkte Zusammenarbeit.“

„Am Morgen, an dem ich abflog, gab es in der arabischen Presse acht Leitartikel zur Unterzeichnung der Erklärung über mehr Zusammenarbeit“

Diese Erklärung konnte der französische Kardinal, der den Päpstlichen Rat für Interreligiösen Dialog leitet, in der saudischen Hauptstadt unterzeichnen, zusammen mit der Führung der Islamischen Weltliga. „Das ist ein Vertrag über Zusammenarbeit, wie wir ihn auch mit Marokko und vielen anderen Ländern haben. Sein Kern besteht darin, dass man sich alle drei Jahre zusammensetzt, um ein bestimmtes Thema zu besprechen. Dazu gibt es vorbereitende Sitzungen, und es wird also ein Klima ständigen Austausches geschaffen.“

Bei seinen Gesprächen im Kernland des Islam hat Tauran immer wieder festgestellt, wie sehr auch dort der Papst wertgeschätzt wird. Dabei ist es zu einer Begegnung von Franziskus mit dem saudischen König Salman noch nicht gekommen; doch Salmans Vorgänger Abdallah war 2007 in Audienz beim damaligen Papst Benedikt XVI., auch das war eine Premiere.

„Man kann sagen, dass Papst Franziskus und der Heilige Stuhl insgesamt über eine große Glaubwürdigkeit verfügen und dass er auch (in anderen kulturellen Zusammenhängen) als eine Art Stimme des Gewissens der Menschheit wahrgenommen wird. Das ist etwas sehr Wichtiges.“

„Kultfreiheit wäre eigentlich das Minimum“

Der Gast aus Rom hat sich in Riad um eine klare Sprache bemüht. Seine Hauptthese: Es gibt keinen „Clash der Zivilisationen“. Eher schon einen Zusammenprall der Ignoranzen. „Ich finde, dass alle Religionen mit zwei Gefahren konfrontiert werden, nämlich mit dem Terrorismus und der Ignoranz. Darum wiederhole ich oft, dass die Zukunft von der Bildung abhängt; es gibt kein anderes Mittel. Auch in Saudi-Arabien habe ich meinen Gesprächspartnern gegenüber dringend darum gebeten, dass man in den Schulen gut über Christen reden möge – dass man die Wahrheit sage!“

Und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, hat sich der Kurienkardinal in Riad für Religionsfreiheit eingesetzt. Dass er für katholische Gastarbeiter auf einem Botschaftsgelände eine Messe gefeiert hat, ist ein starkes Signal; nicht-muslimische Gottesdienste sind im Land streng verboten.

„In Saudi-Arabien gibt es noch keine Religions- oder Kultfreiheit. Nicht-Muslime werden doch weiter als Bürger zweiter Klasse angesehen“

„In Saudi-Arabien – das muss man sagen – gibt es noch keine Religions- oder Kultfreiheit. Dabei wäre die Kultfreiheit lediglich das Minimum! So sieht zum Beispiel das Diplomatenrecht vor, dass es in Botschaften durchaus auch Kapellen geben darf. Christen müssten als Christen am kulturellen und sozialen Dialog teilnehmen dürfen – und da liegt die Schwierigkeit, denn die Nicht-Muslime werden doch weiter als Bürger zweiter Klasse angesehen. Da liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber in dieser Hinsicht hat es mir eine große Freude gemacht, als mir der König sagte: ‚Ich anerkenne den Beitrag der Christen, der Nicht-Muslime, beim Aufbau des Landes.‘ Das halte ich für sehr positiv. Und tatsächlich tragen sie ja zur Entwicklung dieses Landes bei.“

Damit zielt Kardinal Tauran auf die Gastarbeiter vor allem von den Philippinen, aber auch aus westlichen Staaten, die in Saudi-Arabien arbeiten. „Ich spüre, dass die Verantwortlichen des Landes nach außen zeigen möchten, dass es auch in Saudi-Arabien neue Möglichkeiten gibt, um zu diskutieren und das Image des Landes zu ändern.“

Auch der Kampf gegen den Terrorismus war ein Thema bei Taurans Reise nach Saudi-Arabien. „Wir haben die Shura besucht – eine Art Parlament. Das ist eine Einrichtung, die über Filme und Aktionen versucht, im Bildungswesen etwas gegen die Radikalisierung zu tun. Das ist etwas Neues. Ich habe dort junge Leute getroffen, zwischen 18 und 25 Jahren; die kamen alle von großen Unis aus den USA oder Europa und produzierten Filme gegen Extremismus. Ich glaube auch in diesem Fall: Es ist wichtig, sich zu kennen, damit man sich dann auch gegenseitig anerkennen kann.“
 

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23. April 2018, 14:31