Vorsynodenteilnehmerin: „Mit Frauen auf Augenhöhe sprechen“
Oehler: „Ja, es ist eine sehr bunte Mischung an Teilnehmern, aus verschiedenen Teilen der Welt und mit verschiedenen Hintergründen; gläubig, nicht gläubig, konfessionell gebunden etc. Deswegen ist mir wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass das Ziel ja sein soll, ein Dokument zu erstellen oder zu einer Synthese zu finden, die alle ein Stück weit mittragen und akzeptieren können.“
Pope: Gibt es denn Punkte, die Ihnen besonders wichtig sind und die Sie gerne in diesem Dokument wiederfinden würden?
Oehler: „Da ist zum einen die Frage nach heiligen Orten, die mir persönlich wichtig ist. Weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass junge Menschen und Jugendliche, auch wenn sie sich von der Kirche distanziert haben, was ja oft in der Pubertät passiert, immer noch diese Sehnsucht in sich tragen, Heiligkeit zu erfahren. Und dass das aber immer schwieriger wird, weil die Liturgie voraussetzungsreich ist, viele keinen Bezug mehr dazu haben und gar nicht genau wissen, was da passiert. Und man dann auf der anderen Seite Events hat wie Night Fever, wo Atmosphäre geschaffen wird und man auch sieht, dass das Erfolg hat. Solche Orte wieder stärker ins Bewusstsein zu bringen, das ist mir persönlich ein Anliegen und wichtig. Weil es auch für mich persönlich eine wichtige Rolle gespielt hat. Das andere ist die Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche, die mir sehr wichtig ist.“
Pope: Sie sind Theologin, und Sie sind eine junge Frau - Was sind denn die Anliegen, die Ihnen persönlich in diesem Zusammenhang besonders am Herzen liegen?
Oehler: „Ich habe da ganz, ganz viele Anliegen. Denn ich werde - auch seit es bekannt ist, dass ich an der Vorsynode teilnehme - von sehr vielen Menschen aus dem Bekanntenkreis, die nicht unbedingt kirchlich sozialisiert sind, gefragt: ,Was willst du denn eigentlich als junge Frau bei dieser Kirche?´, ,Mensch, das ist doch ein Club von alten Männern´ und ,was willst du da überhaupt, haben die dir überhaupt was zu sagen? Da passt du doch gar nicht rein!´ Das ist eben genau das Bild, das von Kirche nach außen transportiert wird. Das ihr aber gar nicht gerecht wird.“
Pope: Können Sie uns das ein wenig genauer erklären?
Oehler: „Ich fühle mich als Frau in der katholischen Kirche an sich, von ihrer Lehre, vom Glauben her, sehr wohl - aber vom institutionellen Drumherum nicht. Und ich fand die ergebnisse der Online-Umfrage sehr interessant. Da haben 16.000 Frauen mehr teilgenommen als Männer. Das zeigt doch, dass junge Frauen sich eben schon noch für die Kirche interessieren und da auch engagiert sind. Da gibt es meiner Ansicht nach aber auch eine Diskrepanz, was einerseits das Engagement von Frauen in der Kirche und andererseits eine fehlende Wertschätzung an vielen Stellen und auch institutionelle Barrieren betrifft. Darüber sollte man wirklich einmal sprechen.“
Pope: Wo könnte man da ansetzen?
Oehler: „Zum einen ist es ganz wichtig, Frauen in ihrer Intellektualität ernst zu nehmen. Das erlebe ich selbst auch oft, wenn ich in Gesprächen bin. Ich bin verheiratet, und wenn ich dann mit Kirchenmännern in irgendeiner Form in Kontakt komme und mein Mann dabei steht, dann bin ich am Anfang erst einmal total uninteressant. Irgendwann im Gespräch kommt dann raus, ich habe Theologie studiert und arbeite als Journalistin. Und auf einmal beginnt das Gespräch eine Augenhöhe zu finden. Das finde ich unglaublich tragisch! Das wahrzunehmen und die Frauen auf Augenhöhe ernst zu nehmen, das finde ich sehr wichtig. Und da kann institutionell natürlich schon etwas passieren.“
Pope: Das Thema haben die Bischöfe in Deutschland ja ganz oben auf der Agenda stehen, es ist der ausdrückliche Wunsch Bischofskonferenz, auch mehr Frauen und insgesamt Laien in tragende Funktionen zu bringen…
Oehler: „Wenn man sich die Organigramme von Diözesen in Deutschland anschaut, dann kommt es natürlich stark auf die Diözese an, aber insgesamt kann man schon sagen, dass sehr wenige Frauen z. B. Hauptabteilungen leiten. Ein Problem ist auch, selbst wenn man Frauen in diese Positionen bringt – wenn man jetzt mal konkret werden möchten und man sagt: Gut, dann müssen eben paritätisch die Leitungsfunktionen in den Ordinariaten mit Frauen besetzt werden – dann wäre das aus meiner Sicht auch noch nicht genug, weil diese Frauen sind nach außen auch nicht sichtbar.“
Pope: Wie ließe sich das ändern?
Oehler: „Ein Amt oder eine Funktion, die man auch in der Tradition kennt, wäre etwa die Beratungsfunktion. Eine Katharina von Siena beispielsweise hat Päpste beraten, eine heute sehr geschätzte Kirchenlehrerin. Und dass man einfach mal wieder versucht, diesen Aspekt in Form eines Beratergremiums zu beleben. Bischöfe machen das ja auch und laden Frauen ein. Das fände ich einen wichtigen Punkt. Oder in den Bereichen Pressearbeit und Medien: Das ist ein Bereich, in dem die Angestellten in Leitungspositionen sichtbar werden. Warum nicht zusehen, dass mehr Pressesprecherinnen etabliert werden? Ich glaube, man muss in diesem Diskurs erstmal einsteigen und die Frauen ernst nehmen und in der gemeinsamen Diskussion auf Lösungen kommen.“
Pope: Die katholische Kirche in Deutschland wird in Rom manchmal mit etwas Argwohn gesehen. Einige der Vorwürfe: zu viel „Vereinsmäßiges“, zu stark auf Reform, ja auf Reformation hin gebürstet. Wie sehr erkenn Sie Ihre Kirche in diesem Bild wieder?
Oehler: „Die Vorwürfe, die Sie skizzieren, sind mir tatsächlich nicht ganz unbekannt. Ich habe auch in Rom studiert und wenn ich mich da als Deutsche geoutet habe, dann kam genau dieses Bild tatsächlich öfter im Gespräch auf. Ich kann diesen Blick teilweise auch verstehen, denn tatsächlich liegt der Fokus in Deutschland, natürlich abhängig von der Diözese, schon stark auf dem Reformpotential, so nenne ich das mal. Und da liegt dann manchmal auch die Gefahr, dass man nicht sieht, was man eigentlich schon hat. Von daher kann ich das schon verstehen, dass manch einer beklagt, dass eine geistliche Komponente verloren geht, weil man sich sehr stark auf diese politischen Themen fokussiert.“
Pope: Liegen aber darin eventuell auch Chancen?
Oehler: „Dass in Deutschland so stark diskutiert und überlegt wird, wie man Reformen anstoßen kann, spricht natürlich auch dafür, dass es ein reflektiertes Christ-Sein und Katholisch-Sein ist. Das gefällt mir. Man merkt, da steht noch ein Anspruch dahinter: Die Deutschen wollen noch etwas von ihrer Kirche, sie wollen, dass sie nicht weltfremd wird oder bleibt. Sondern man möchte in Deutschland stark überlegen, wie diese Kirche relevant bleiben kann. Nur muss man tatsächlich aufpassen, dass das Geistliche dahinter nicht zu kurz kommt.“
Pope: Wo sehen Sie die Stärken der katholischen Kirche in Deutschland mit Blick auf die Jugendarbeit?
Oehler: „Das kann ich nur von außen beurteilen, da ich selber nie in der Jugendarbeit engagiert war. Aber ich bewundere durchaus, wie Verbände wie BDKJ oder KJG es schaffen, Jugendliche gerade auch in der Phase der Pubertät und darüber hinaus bei der Kirche zu halten. Das ist ja schon oft der Scheidepunkt, wo es dann kippt, wo die jungen Menschen sich von der Kirche entfernen. Und wenn man diese Aktionen jährlich beobachtet, wie die 72-Stunden-Aktion vom BDKJ, dann finde ich es schon beeindruckend, wie viele junge Menschen da mobilisiert werden, sich in einem katholischen Interesse oder aus einem christlich-katholischen Glauben heraus zu engagieren. Das ist in Deutschland sicher sehr stark.“
Pope: Was würden Sie dem Papst unbedingt sagen wollen, wenn Sie die Gelegenheit haben, ihn in Rom direkt zu sprechen?
Oehler [lacht]: „Ich glaube erstmal, dass es sehr unrealistisch ist, dass jeder von uns 300 Teilnehmern den Papst persönlich zu einer kleinen Audienz treffen darf. Aber wenn ich ihn treffen sollte, dann würde ich ihm eigentlich in erster Linie dafür danken, was er in den letzten Jahren schon alles Positives über die Frau in der Kirche gesagt hat. Das habe ich so noch in keiner Form von einem Papst davor gehört. Und auch seine ganzen Vorstöße, die er im Kleinen schon gewagt hat, das bewundere ich sehr und das tut mir auch in der Seele gut.“
Alina Oehler wurde von der Veranstaltung „Voices of Faith" zur Jugend-Vorsynode entsandt. Sie sprach bei der Voices-of -Faith-Konferenz am vergangenen 8. März, dem Weltfrauentag, in Rom; Thema waren die Anliegen junger Frauen an die katholische Kirche.
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