Fest Darstellung des Herrn: Die Predigt im Wortlaut
»Siehe, ich komme […] um deinen Willen, Gott, zu tun« (Hebr 10,7). Mit diesen Worten bringt der Autor des Hebräerbriefs die volle Zustimmung Jesu zum Plan des Vaters zum Ausdruck. Wir lesen sie heute am Fest der Darstellung des Herrn, am Welttag des geweihten Lebens, im Heiligen Jahr der Hoffnung und in einem liturgischen Kontext, der durch das Symbol des Lichtes geprägt ist. Und ihr alle, Schwestern und Brüder, die ihr den Weg der evangelischen Räte gewählt habt, habt euch als »Braut, die vor dem Bräutigam steht […] und von seinem Licht eingehüllt ist« (hl. JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 15), eben diesem lichtvollen Plan des Vaters geweiht, der bis zu den Ursprüngen der Welt zurückreicht. Er wird am Ende der Zeiten seine Vollendung finden, doch schon jetzt zeigt er sich durch die »Wunder, die Gott in der schwachen Menschlichkeit derer wirkt, die er berufen hat« (ebd., 20). Denken wir also darüber nach, wie auch ihr durch die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, die ihr abgelegt habt, Boten des Lichtes für die Frauen und Männer unserer Zeit sein könnt.
Der erste Aspekt: das Licht der Armut. Dieses hat seine Wurzeln im Leben Gottes selbst, das ewige und vollkommene gegenseitige Hingabe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist (vgl. ebd., 21). Wenn die gottgeweihte Person die Armut lebt, indem sie mit allen Dingen frei und großherzig umgeht, bringt sie Segen: Sie macht deren Güte innerhalb der Ordnung der Liebe sichtbar, sie weist alles zurück, was deren Schönheit trüben kann – Egoismus, Habgier, Abhängigkeit, den Gebrauch der Dinge zum Zwecke der Gewaltausübung und des Todes – und nimmt stattdessen eine Haltung gegenüber den Dingen ein, die deren Schönheit hervortreten lässt: Nüchternheit, Großzügigkeit, das Miteinander-Teilen, die Solidarität. Wie der heilige Paulus sagt: »Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott« (1 Kor 3,22-23). Soviel zur Armut.
Das zweite Element ist das Licht der Keuschheit. Auch dieses hat seinen Ursprung in der Dreifaltigkeit und »stellt einen Abglanz der grenzenlosen Liebe dar, die die drei göttlichen Personen […] verbindet« (Vita consecrata, 21). Diese durch den Verzicht auf die eheliche Liebe und auf dem Weg der Enthaltsamkeit zu bekennen, betont die für den Menschen absolute Vorrangigkeit der Liebe Gottes, die er mit ungeteiltem und bräutlichem Herzen empfängt (vgl. 1 Kor 7,32-36), und sie verweist auf sie als Quelle und Vorbild jeder weiteren Form von Liebe. Wir wissen ja, dass wir in einer Welt leben, die oft von Fehlformen der Affektivität geprägt ist, in der das Prinzip des „Was mir gefällt“ dazu führt, dass man im anderen mehr die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse sucht als die Freude einer fruchtbaren Begegnung. Dies führt in den Beziehungen zu Oberflächlichkeit und Unbeständigkeit, zu Egozentrismus und Hedonismus, zu Unreife und moralischer Verantwortungslosigkeit. So tritt an die Stelle eines Ehemannes oder einer Ehefrau für das ganze Leben der Partner für den Augenblick und die Kinder werden nicht mehr als Geschenk empfangen, sondern als Recht beansprucht oder als „Störfaktor“ eliminiert.
Brüder und Schwestern, unter derartigen Umständen, angesichts des »wachsenden Bedürfnis[ses] nach innerer Klarheit in den menschlichen Beziehungen« (Vita consecrata, 88) und mehr Menschlichkeit in den Verbindungen zwischen den Einzelnen und den Gemeinschaften, zeigt die Keuschheit des gottgeweihten Lebens dem Menschen des einundzwanzigsten Jahrhunderts einen Weg der Heilung vom Übel der Isolation, und zwar durch eine freie und befreiende Art der Liebe, die alle annimmt und achtet, die niemanden nötigt und zurückweist. Wie heilsam ist es doch für die Seele, Ordensfrauen und -männern zu begegnen, die fähig sind, reife und freudvolle Beziehungen dieser Art zu leben! Sie sind ein Widerschein der göttlichen Liebe (vgl. Lk 2,30-32). Dazu ist es jedoch wichtig, dass wir in unseren Gemeinschaften Sorge tragen für das geistliche und affektive Wachstum der Menschen, sowohl in der Ausbildung als auch in der ständigen Weiterbildung, damit die Keuschheit wirklich die Schönheit der sich verschenkenden Liebe zum Ausdruck bringt, und nicht schädliche Phänomene wie etwa Verbitterung des Herzens oder zweifelhafte Entscheidungen aufkommen, die Traurigkeit und Unzufriedenheit hervorrufen und bei anfälligeren Personen bisweilen zu einem regelrechten „Doppelleben“ führen. Der Kampf gegen die Versuchung des Doppellebens ist ein Kampf, der jeden Tag gekämpft wird. Jeden Tag.
Kommen wir nun zum dritten Aspekt: das Licht des Gehorsams. Auch davon spricht der Text, den wir gehört haben, indem er uns anhand der Beziehung zwischen Jesus und dem Vater »die befreiende Schönheit einer von Verantwortungsgefühl erfüllten und von gegenseitigem Vertrauen beseelten kindlichen und nicht sklavischen Abhängigkeit« (Vita consecrata, 21) zeigt. Es ist das Licht des Wortes Gottes, das zu einem Geschenk und zu einer Antwort der Liebe wird, zu einem prophetischen Zeichen für unsere Gesellschaft, in der wir dazu neigen, viel zu reden, aber wenig zuzuhören: in der Familie, am Arbeitsplatz und vor allem in den sozialen Netzwerken, wo es möglich ist, eine Flut von Worten und Bildern auszutauschen, ohne dass es zu einer echten Begegnung kommt, weil man sich nie wirklich füreinander einsetzt. Und das ist eine interessante Sache. Im täglichen Dialog kommt die Antwort oft schon, bevor man zu Ende gesprochen hat. Man hört nicht zu. Man muss zuhören, bevor man antwortet; das Wort des anderen als Botschaft, als Schatz, ja als Hilfe für sich annehmen.
Der Gehorsam des gottgeweihten Lebens ist ein Gegenmittel zu einem solchen einsamen Individualismus. Er fördert als Alternative ein Beziehungsmodell, das durch tätiges Zuhören gekennzeichnet ist, bei dem auf das „Sagen“ und „Hören“ die Konkretheit des „Handelns“ folgt, auch um den Preis des Verzichts auf meinen eigenen Geschmack, meine Pläne und meine Vorlieben. Nur so kann der Mensch nämlich die Freude des Geschenks voll erfahren, die Einsamkeit besiegen und den Sinn des eigenen Lebens in Gottes großem Plan entdecken.
Ich möchte damit enden, dass ich an einen weiteren Punkt erinnere: die „Rückkehr zu den Ursprüngen“, von der heute im gottgeweihten Leben so viel die Rede ist. Aber damit ist nicht eine Rückkehr wie in ein Museum gemeint, nein. Eine Rückkehr zum eigentlichen Ursprung unseres Lebens. Diesbezüglich erinnert uns das Wort Gottes, das wir gehört haben, daran, dass die erste und wichtigste „Rückkehr zu den Ursprüngen“ einer jeden gottgeweihten Hingabe für uns alle diejenige zu Christus und seinem „Ja“ zum Vater ist. Es erinnert uns daran, dass die Erneuerung, noch vor Versammlungen und „runden Tischen“ – auch wenn sie sehr nützlich sind –, vor dem Tabernakel, in der Anbetung, geschieht.
Schwestern, Brüder, wir haben ein wenig den Sinn für die Anbetung verloren. Wir sind zu praktisch, wir wollen immer nur etwas tun, und dabei geht es doch um die Anbetung. Anbetung. Die Fähigkeit, in der Stille anzubeten. Und so können wir unsere Gründerinnen und Gründer vor allem als Frauen und Männer des Glaubens wiederentdecken und indem wir mit ihnen im Gebet und in der Selbsthingabe wiederholen: »Siehe, ich komme […] um deinen Willen, o Herr, zu tun« (Hebr 10,7).
Ich danke euch für euer Zeugnis. Es ist Sauerteig für die Kirche. Danke.
(vaticannews - skr)
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